Pferdeweide im Herbst

Der Herbst, die Pferde und die Fruktane im Gras

Kühlere Nächte und sonnig-warme Tage: unter diesen Bedingungen reichert sich das Fruktan im Gras an. Fruktane können Hufrehe beim Pferd auslösen - müssen aber nicht. Tipps zur Weidehaltung im Herbst.

Kühlere Nächte und sonnig-warme Tage: bei diesen Witterungsbedingungen reichert sich "Fruktan" im Gras an. Fruktane können Hufrehe beim Pferd auslösen - müssen aber nicht. Stark gefährdet sind insulinresistente, übergewichtige Ponies. Sportliche, gut trainiere Pferde sind in der Regel weniger gefährdet. Eine überlegte Weidehaltung mit Heufütterung im Herbst minimiert das Risiko.

Was sind Fruktane? Warum lösen sie Hufrehe aus? Machen die Gräser Pferde krank? Was brauchen Pferde mit Blick auf die pferdegerechte Haltung? Diese Fragen beantwortet im Folgenden ein Beitrag von Biologin Dr. Renate Vanselow.

Was sind Fruktane?

Heimische Süßgräser kaltgemäßigter Zonen bilden Fruktane. Es handelt sich um eine Zuckerart. Fruktane dienen dem Gras zu unterschiedlichen Zwecken. Zum einen sind sie ein Zwischenspeicher, wenn es gerade keine Verwendung für die gewonnene Energie durch Wachstum und Samenreife gibt. Ein anderes Mal werden kürzere Fruktane gebaut, um sie durch den Pflanzenkörper zu transportieren und alle Organe optimal mit Energie versorgen zu können.

Fruktane in den kürzeren Versionen können Wasser halten (also Feuchtigkeit ziehend wie Puderzucker und Salz). Sie sind zudem für Dürreresistenz, vor allem aber für die Frostresistenz der Gräser verantwortlich: Sie verhindern als Frostschutzmittel das Ausfrieren von Wasser. Kleine Fruktanzucker schmecken süß und können die Schmackhaftigkeit des Grases verbessern.

Warum lösen Fruktane Hufrehe aus?

Fruktane sind schwer verdaulich. Studien zeigen: Pferde können sie nur bedingt verdauen, während die Mikroorganismen im Wiederkäuermagen von ihnen profitieren.

Da Fruktane im vorderen Teil des Verdauungstraktes kaum verdaut werden, gelangen sie in die großen Gärkammern des Pferdes, die geschützt am Ende des Verdauungstraktes liegen: Blinddarm und Grimmdarm. Hier, wo sie in großer Menge nicht hingelangen dürfen, verursachen diese Kohlenhydrate eine Störung des Gleichgewichts unter den Mikroorganismen.

Einige vermehren sich explosionsartig und verursachen eine starke Ansäuerung im Darm auf bis zu pH 4,0. Andere sterben in großen Mengen ab. Es kommt zu schwersten Schädigungen der Darmflora und der Darmschleimhaut, Histaminausschüttung, Verengung feiner Blutgefäße, Entzündung betroffener Gewebe – und zu Schädigung und Zerreißung der Bereiche im Huf, an denen die Kräfte des Körpergewichtes ansetzen. Vor Beginn der Hufrehesymptome zeigen einige Pferde schlimmsten Durchfall wie Wasser als Folge der Schädigung des Darmes.

Nun antwortet nicht jedes Pferd mit Hufrehen auf das massive Sterben von Bakterien im Darm wegen zu hoher Frukangehalte. Bei gesunden, gut trainierten Pferde mit hohem Energiebedarf "stecken" einen Fruktanüberschuss in der Regel weg, weil der Insulinspiegel nach einer zuckerreichen Kost recht schnell wieder auf das Normalniveau sinkt. Gefährdet sind übergewichtige Ponies, wenn das Übergewicht mit einer Insulinresistenz einher geht. Auch bei Stoffwechselerkrankungen wie beim „Equinen Metabolischen Syndrom“ oder dem "Cushing-Syndrom" ist das Risiko höher, dass Pferde nach der Aufnahme von hohen Fruktanmengen an Hufrehen erkranken.

Machen die Gräser Pferde krank?

Es ist nicht ausgeschlossen, dass Gräser Stoffe enthalten, die den Stoffwechsel von Weidetieren beeinflussen. Versuche an Rindern konnten zeigen, dass Mutterkorngifte, wie sie in mit ihrem Pilzsymbionten infizierten Deutschem Weidelgras und Rohrschwingel vorkommen, zu messbar erhöhten Cortisolgehalten führen können.

Allgemein sind Fruktane wasserlöslich. Langsames Trocknen bei der Ernte durch kaltes, feuchtes Wetter erniedrigt den Fruktangehalt. Der Zucker wird dann veratmet, mithilfe freigesetzter Enzyme zerstörter Pflanzenzellen oder von Mikroorganismen abgebaut sowie durch Regen und Tau ausgewaschen. Sehr voluminöse Fruktanverbindungen dürften allerdings schwerlich durch bloßes Wässern von Heu auswaschbar sein.

Was brauchen Pferde?

Pferde brauchen Gräser, die keine Spitzenwerte in der Fruktanproduktion belegen und die weitgehend frei von Giften sind.

Pferde sind zwar Grasfresser und es wäre die pferdegerechteste Haltung, sie zu jeder Jahreszeit ganztägig in Graslandschaften laufen zu lassen. Doch ist Kulturgrasland aus Weidelgras nicht vergleichbar dem traditionellen Weideland, in dem Pferderassen ent-standen.

Wer Weidelgras-reiches Grünland nutzt, sollte zumindest in Witterungssituationen mit viel Sonnenschein, kalten Nächten, Dürre, Frost und bei Überweidung den Weidegang einschränken, gutes Heu aus artenreichen Mähwiesen mit vielen verschiedenen Obergräsern zufüttern und nach dem Weidegang beobachten, ob die Pferde benommen wirken, fühlig oder schwunglos gehen und möglicherweise Verdauungsprobleme entwickeln.

Im Zweifelsfall kann es sinnvoll sein, zeitweise auf die Weide zu verzichten, das fragliche Grün zu mulchen und erst wieder zu nutzen, wenn nach entspannter Witterungssituation nicht gestresstes Gras nachgewachsen ist. Gestresste Wirtschaftsgräser (Lolium perenne, Lolium multiflorum, Festuca arundinacea, Festuca pratensis) sollten auch nicht zu Winterfutter für Pferde verarbeitet werden.

Keinesfalls können diese Empfehlungen dem Pferdehalter Sicherheit bieten. Zu viele Faktoren spielen hier eine Rolle

Auch interessant:

Pferd & Pferdesport

Einmaleins der Pferdeweide

von Rebecca Kopf

Verbiss, Trittschäden, Unkräuter, Geilstellen: Pferdeweiden haben einiges auszuhalten. Mit diesen Tipps bringen Pferdehalter die Flächen in Schuss.

Welche Bedürfnisse haben Pferde? Welche Anforderungen ergeben sich für die tiergerechte Haltung? Was müssen Pferdehalter wissen? Was ist nicht tiergerecht? Gibt es Gesetze? Was sagen die...

Aktuelles für Pferdefreunde

Neues Newsletterangebot: Pferd und Pferdesport

von Britta Petercord

Mit einem neuen Newsletter informiert das Wochenblatt gemeinsam mit der Zeitschrift „Reiter und Pferde“ sowie „Rimondo“ über aktuelle Turniersportergebnisse und Themen rund ums Pferd.