Jenny kann noch gut gucken und laufen. Auch fressen klappt bei dem 34 Jahre alten Shetlandpony ohne Probleme. Im Jahr 1992 kam sie vierjährig auf den Hof von Nebenerwerbslandwirt Franz-Josef Rensing in Schloss Neuhaus im Kreis Paderborn. Die alte Shettydame ist eines der beiden Ponys, auf denen die beiden Töchter, heute 34 und 41 Jahre alt, als Kinder reiten gelernt haben. Das andere Pony ist der Haflingerwallach Attila, er kam 1997 dazu. „Wie der Hunnenkönig, aber der alte Kerl hier ist lammfromm“, sagt Rensing. Er klopft dem 30-jährigen Wallach den Hals. In Menschenjahren wären Jenny fast 100 und Attila etwa 87 Jahre alt.
Teures Gnadenbrot
Seit zehn Jahren bekommen die beiden auf dem Hof von Familie Rensing ihr Gnadenbrot, was eine relativ teure Angelegenheit für den Nebenerwerbslandwirt ist.
Müssen private Pferdehalter in der Regel keine Beiträge in eine Berufsgenossenschaft (BG) zahlen, ist es bei gewerblichen Haltern und Landwirten anders. Gewerbliche Pferdehaltungen sind meist beitragspflichtig zur BG-Verkehr. Pferde auf landwirtschaftlichen Betrieben fallen in die Zuständigkeit der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (LBG) bei der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, SVLFG, in Kassel.
An diese muss Landwirt Rensing für die zwei alten Ponys jährlich rund 248 € zahlen. Zum Vergleich: Für seine vier Mutterkühe sind es rund 56 €, für seine sieben Kälber rund 105 € und für den Deckbullen knapp 48 €.
Der Vergleich hinkt
„Der Beitrag ist jeweils abhängig von der Art und Anzahl der Pferde“, erläutert ein SVLFG-Sprecher. Bei der Unfallversicherung werden Gnadenbrotpferde innerhalb der Risikogruppe Pferdehaltung zusammengefasst mit Zuchtstuten, Hengsten, Aufzucht- und Arbeitspferden. „Als ob man Gnadenbrot mit Deckhengsten oder Zuchtstuten gleichstellen könnte“, wirft Rensing ein. Dazu sagt die SVLFG: „Die Zusammenlegung hat administrative Vorteile, etwa Vermeidung von Zuordnungsschwierigkeiten für Versicherte und Verwaltung. Zudem wird auch bei anderen Produktionsverfahren nicht nach ,Decktieren‘ und anderen Tieren differenziert.“
Rensing überzeugt das nicht. Der Landwirt öffnet das Koppeltor. Gemächlich trotten Jenny und Attila in den Stall und gehen in ihre Boxen. „Die beiden sind weder Zucht- noch Reittiere. Die haben früher mal was geleistet. Heute laufen sie hier brav rum und fressen und gut ist das. Da besteht doch kein Unfallrisiko.“
Gnadenbrotpferde gesondert bewerten
Mit der LBG hat sich der Nebenerwerbslandwirt schon oft auseinandergesetzt und auch in seiner langjährigen Tätigkeit im Ausschuss des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, WLV, für Nebenerwerbslandwirte ging er das Thema immer wieder an. Er fordert, Gnadenbrotpferde bei der SVLFG nicht mehr in der Gruppe mit Zucht-, Sport- und Arbeitspferden zusammenzufassen, sondern separat zu führen.
Henner Braach, WLV-Vizepräsident und Vorsitzender der SVLFG-Vertreterversammlung kann das gut nachvollziehen: „In Relation zu Milchkühen oder Deckbullen ist der Beitrag für diese zwei alten Ponys unverhältnismäßig.“
Es geht um den Tierschutz
Die SVLFG sagt selbst: „Weide- und Gnadenbrotpferde werden überwiegend aus Gründen des Tierschutzes, des Tierrespekts, der Schönheit oder auch des bloßen Interesses am Pferd gehalten, ohne damit einen weiteren Nutzungszweck zu verbinden.“ Genau um den Tierschutz geht es Landwirt Rensing. „Mal konsequent zu Ende gedacht: Was passiert denn mit Pferden, die nicht mehr geritten werden, weil sie zu alt sind, und für die der Besitzer nur noch Geld hinblättern muss? Die gehen zum Schlachter oder landen bei ebay als Beistellpferd.“
Nein, das könne er nicht fertigbringen, sagt der 67-Jährige und wirft Leckerlis in die Tröge von Jenny und Attila. Er sagt nicht, dass er nichts zahlen will. Aber 248 € findet er eben auch viel Geld und das stehe in keinem Verhältnis zum Unfallrisiko: „20 € pro Pferd und Jahr würden es doch tun.“
Pauschale Kürzung nicht möglich
Doch da winkt die SVLFG ab. Eine „pauschale“ Kürzung des Beitrages sei nach den geltenden Satzungsbestimmungen nicht möglich. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Beiträge in Stein gemeißelt sind. „Die Beitragsfestsetzung der BG wird in der Vertreterversammlung geregelt“, erklärt Braach, „die Arbeitsbedarfswerte der einzelnen Produktionsverfahren werden regelmäßig von einem externen Gutachter überprüft und bei Bedarf angepasst. Das ist im Übrigen gesetzlich auch so vorgeschrieben.“
Rensing ist kein Einzelfall. „Viele Pferde haltende Landwirte reagieren mit Unverständnis auf den Beitragsbescheid“, weiß Braach. Gleichzeitig sagt der WLV-Vizepräsident, dass es aufgrund der Solidargemeinschaft schwierig werden dürfte, die Gnadenbrotpferde bei der Beitragsberechnung gesondert zu betrachten: „Die Risikogruppe der Pferdehalter in der Landwirtschaft ist relativ klein und die Anzahl derer, die Gnadenbrotpferde halten, noch kleiner. Die Pferdehalter müssen, wie jede andere Risikogruppe auch, ihre Beitragslast selbst aufbringen. Eine Quersubventionierung findet nicht statt.“
Es wird dann teuer für alle
Das würde also bedeuten, wenn ein Gnadenbrotpferd einen BG-Unfall verursacht, könnte es für die anderen Pferdehalter noch teurer werden. Oder wie der SVLFG-Sprecher betont: „Eine Entlastung einer Art der Pferdehaltung wäre daher von den übrigen Pferdehaltern zu finanzieren.“Der 67-jährige Landwirt sieht das genauso: „Natürlich müssen die Beiträge gerecht auf alle Schultern verteilt werden.“ Und Gerechtigkeit bedeutet für ihn, dass alle Pferdehalter für die Pferde einstehen, die ihnen früher eine Leistung als Zucht- oder Reitpferd gebracht haben und heute eben nicht mehr und dafür eine „Rente“ verdient haben. „Ich möchte, dass Landwirte nicht mit überzogenen Beiträgen zur Kasse gebeten werden, nur weil sie alten Pferden eine Chance geben, ihren Lebensabend auf den Höfen zu verbringen.“
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