Innovative Vermarktung
Onlineshop für Fleischvermarktung
„Fleisch direkt vom Erzeuger“ – diesen Wunsch vieler Verbraucher wollen zwei Landwirtsfamilien erfüllen. Seit Ende 2021 vermarkten sie das Fleisch ihrer Tiere gemeinsam über einen eigenen Onlineshop.
Eigentlich hatte Julian Perec nichts mit Landwirtschaft am Hut. Erst über seine Verlobte Lea Siemann, die von einem Milchviehbetrieb in Freckenhorst, Kreis Warendorf, stammt, hatte er seine ersten Berührungspunkte. „Vorher kannte ich nur die Verbrauchersicht“, beschreibt der gebürtige Thüringer, „ich habe mir, wie viele meiner Freunde in der Stadt auch, regional erzeugtes Fleisch gewünscht.“ Genau solches, wie es Leas Vater Heiner Siemann einmal im Jahr für den Eigenbedarf schlachten ließ. Heute, ein halbes Jahr nach Betriebsübergabe, hat seine Tochter auf Färsenaufzucht und Mast umgestellt. Ein Großteil der Fläche ist verpachtet. Heiner Siemann unterstützt weiter bei der Versorgung der Tiere sowie der Bewirtschaftung der übrigen 5 ha. Als Julian Perec auf den Hof zog, reifte die Idee eines Onlineshops für Fleisch heran – gerne in Kooperation mit anderen Landwirten.
Automaten als Testlauf
In der Familie Gronewäller, die 5 km entfernt einen Betrieb mit 65 ha bewirtschaftet und 250 Hühner, 50 Kühe sowie eigene Nachzucht, 20 Bullen und 280 Schweine hält, fand er Verbündete. Sie gründeten „MyMeatBox“ als Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Frederike und Michael Gronewäller begannen vor sechs Jahren, Rohmilch, Eier sowie Schweine- und Rindfleisch über Automaten ab Hof zu verkaufen. „Unser Betrieb liegt verkehrsgünstig zwischen Freckenhorst und Westkirchen“, beschreibt die Mittdreißigerin ihren Wettbewerbsvorteil. Der nahe gelegene Fahrradweg sorgt gerade an Wochenenden für Kundschaft. Die Automaten waren ein erster Testballon, den die Sozialpädagogin und ihr Mann starteten: „Die Umsätze haben uns Mut gemacht, in einen kleinen Verkaufsraum zu investieren, den wir aktuell samstags und künftig öfter öffnen wollen.“
Kunden verändern sich
Im Umgang mit den Kunden auf dem Hof sind Gronewällers Profis. Seit Eröffnung des Onlineshops beobachten sie Veränderungen. „Unsere neuen Kunden sind teilweise wenig erfahren in der richtigen Zubereitung einzelner Teilstücke“, sagt das Ehepaar Gronewäller, das ohne die Idee von Julian Perec nie den Schritt zur Onlinevermarktung gewagt hätte. Julian Perec hingegen war beruflich in der IT-Branche tätig. „Ich komme aus einer etwas anderen Welt – ähnlich wie unsere neuen Kunden“, lacht der 36-Jährige, der sich um die Technik des Onlineshops kümmert.
Anfang Dezember 2021 ging der Shop online. Der Plan des Quartetts, bereits das Weihnachtsgeschäft über das Internet bedienen zu können, gelang aber nur mäßig. „Wie gewohnt kamen viele Kunden direkt zu uns auf den Hof“, beobachtete Frederike Gronewäller. Dass sich die Werbung in den sozialen Medien gelohnt hat, macht sie daran fest, dass neben den Stammkunden auch viele neue Kunden kamen – teils von weiter weg.
Im Onlineshop verkaufen sie, wie der Name „MyMeatBox“ sagt, Fleischpakete. „So wollen wir sicherstellen, dass nicht nur die Edelteile, sondern auch weniger beliebte Teilstücke ihren Absatz finden“, erklärt Julian Perec. Das Angebot umfasst Fleisch vom Weiderind, Strohschwein und vom Freilandhähnchen. „Die Hühner kommen von einem Berufskollegen“, erklärt Landwirt Michael Gronewäller. Das übrige Fleisch stammt von den Tieren der Familien Gronewäller und Siemann. In zwei Schlachthöfen in Milte, ebenfalls Kreis Warendorf, werden die Tiere geschlachtet und zerlegt.
„Wir verkaufen und verschicken unser Fleisch tiefgekühlt“, erläutert Julian Perec, der diesen Prozessschritt übernimmt. Für die lückenlose Kühlkette gibt er außerdem Kühlakkus und Trockeneis in den mit Papier isolierten Karton. Die Logistik übernimmt DHL. „Derzeit versenden wir mittwochs und das Paket kommt tagsdarauf beim Kunden an“, so Perec.
30 Boxen statt Vollzeitjob
Die Kühlakkus sind wiederverwendbar. „Wer sie an uns zurückschickt, erhält eine Gutschrift für den nächsten Einkauf“, erklärt Lea Siemann, die sich berufsbedingt aus dem Tagesgeschäft raushält. In der Gründungsphase half sie jedoch, als „Blick von außen“, die Zielgruppen zu definieren und die Idee auszuarbeiten. Den Verkauf der ersten 30 Boxen im Dezember wertet Julian Perec als positiven Auftakt für das junge Unternehmen. „Damit ich zukünftig davon leben kann, müssen wir diese Zahl aber mindestens wöchentlich erreichen“, rechnet der studierte Betriebswirt vor. Zu Jahresbeginn hat er seinen Job in der IT-Branche gekündigt. Nun widmet er sich dem Shop und arbeitet sich in die landwirtschaftlichen Abläufe ein.
Influencer im Visier
„Aktuell führe ich viele Gespräche mit Foodbloggern, Berufskollegen und Gastronomen“, beschreibt er seine Vision, digitale Werbebotschafter mit Produkten zu versorgen, die sie dann öffentlichkeitswirksam im Internet in Szene setzen. „Wenn wir die jungen Familien in großen Städten erreichen wollen, dann müssen wir genau da präsent sein, wo sie sich auch bewegen: In den sozialen Medien“, beschreibt Julian Perec die Kommunikationsstrategie, die sich nahezu vollständig von der bisherigen der Familie Gronewäller unterscheidet. „Wir haben immer Wert auf den direkten Kontakt mit unseren Kunden gelegt“, sagt Frederike Gronewäller, die für ihren Hofladen zwar eine Homepage hat, aber bewusst auf die Nutzung sozialer Medien verzichtet hat. Sie waren ihr häufig zu schnelllebig.
Perfektionismus ade
Den Qualitätsanspruch, den Frederike Gronewäller an ihre Produkte stellt, überträgt sie auch auf ihre Kommunikation: „Ich will nicht, dass Fehler enthalten sind oder Formulierungen zu einem Shitstorm führen.“ Umso überraschter ist sie vom Erfolg der sozialen Medien, gemessen an Menschen, die so auf Hofladen und Shop aufmerksam werden. „In diesem Bereich haben wir einfach noch Nachholbedarf“, sagt das Ehepaar Gronewäller.
Als Basis für den Onlineshop nutzt Julian Perec den Anbieter Shopify. „Hier war es ohne aufwendige Programmierung möglich, ein Abosystem zu realisieren“, erklärt Julian Perec. Kunden, die regelmäßig im Monats- oder Zwei-Monats-Rhythmus Produkte erhalten wollen, können demnach ein Abo abschließen und einen Rabatt erhalten. Im Gegenzug erhöht sich für das Team von „MyMeatBox“ die Planungssicherheit.
Bei der Gestaltung der Homepage standen den Unternehmensgründern verschiedene Templates, sprich Layouts zur Verfügung. „Wir haben uns bewusst für eine helle, leichte Farbgebung entschieden, um uns von den herkömmlichen Homepages abzusetzen, die auf Männer mit Affinität zum Grillen abzielen“, erklärt Perec. Denn den Gründern von „MyMeatBox“ geht es weniger um Masse als um Klasse.
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