Im Sommer 2018 war Schluss. Die letzten Sauen haben den Betrieb Sandknop verlassen. Sein Leben lang hatte Karl-Heinz Sandknop auf diesem Betrieb gewohnt, ist hier aufgewachsen, hat den Betrieb weiterentwickelt, hier gearbeitet, zusammen mit seiner Frau 300 Sauen und deren Ferkel versorgt – jeden Tag, über 30 Jahre lang. Bis 2018.
Keine Zukunft auf dem Hof
Ständig neue rechtliche Anforderungen an das Haltungssystem erforderten immer wieder große Investitionen, die kein Geld wieder einspielten. „Schließlich hätten wir 2018 massiv in unseren Wartestall investieren müssen, nur um die gleiche Tierzahl behalten zu dürfen“, erzählt Sandknop. Dabei war nicht absehbar, wie schnell eine neue Änderung der Rechtslage den Wartestall wieder abgeschrieben hätte.
Gleichzeitig sorgte der steigende Preisdruck auf dem Ferkelmarkt für sinkende Einnahmen. Sandknops drei Kinder hatten damals bereits unabhängig von der wirtschaftlichen Situation beschlossen, den Hof nicht zu übernehmen. So entschied sich die Familie gegen die Investition und für die Hofaufgabe.
Welcher Job passt zu mir?
„Erst als die Entscheidung, den Betrieb nicht weiterzuführen, gefallen war, habe ich mich nach Jobangeboten umgesehen“, erzählt Sandknop. Dazu hat er ganz klassisch am Computer nach Angeboten aus der Nähe im landwirtschaftlichen Bereich gesucht. Dabei stieß er auf einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einer Behindertenwerkstatt, der Mitarbeiter suchte. Hier passte Sandknop nicht in das gesuchte Profil – vor allem wegen seines Alters.
„Doch als ich mich mit diesem Job auseinandergesetzt hatte, war mein Interesse für die Arbeit mit Behinderten geweckt“, berichtet Sandknop. Neben zwei eher klassischen Berufen – bei der Genossenschaft und auf einem Sauenbetrieb – hat er sich in der Folge initiativ beim Kiebitzhof in Gütersloh beworben. Auch hier arbeiten Menschen mit verschiedenen Behinderungen und psychischen Erkrankungen auf dem landwirtschaftlichen Biobetrieb.
Die anderen beiden Bewerbungen – besonders die auf dem Sauenbetrieb – seien „nur Notlösungen gewesen“, sagt Sandknop. „Nachdem ich immer auf dem eigenen Hof gearbeitet hatte, hat es mich gereizt, noch einmal etwas ganz anderes zu machen.“ Obwohl der Kiebitzhof in der Landwirtschaft keine Stelle mehr frei hatte, lud man Sandknop zur Probearbeit ein – im Gartenbau.
Doppelte Herausforderung
Der gelernte Landwirt hatte abgesehen vom eigenen Garten keine Erfahrung im Garten- und Landschaftsbau. Dennoch reizte ihn die Aufgabe nach wie vor. „Zudem fand ich heraus, dass auf dem Kiebitzhof bereits mehrere Landwirte in diesem Bereich arbeiteten“, sagt er. Das machte Mut. Nach einer Woche Probearbeit stand fest: Karl-Heinz Sandknop will und darf bleiben.
Seit Oktober 2018 übt er diesen Job jetzt aus und trägt täglich die Verantwortung für sieben Menschen mit körperlichen, aber vor allem psychischen Erkrankungen sowie Menschen mit Lernbehinderungen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben.
Dass ihm der Job unbedingt jeden Tag Spaß mache, sei vielleicht übertrieben, „aber es macht mich sehr zufrieden, jetzt noch einen Beruf auszuüben, der mein Einkommen sichert und mit dem ich den Menschen etwas geben kann“, erzählt Sandknop.
Arbeit mit Menschen
Auf den „Baustellen“ – Grünanlagen von mehreren Kunden – führt Sandknop mit seinem Team leichtere gartenbauliche Tätigkeiten aus. Den Ablauf organisiert Sandknop. Fugen kratzen, Unkraut jäten, Rasen mähen und Hecke schneiden sind typische Beschäftigungen, bei denen er immer wieder unterstützt, die Arbeit vormacht und Fragen beantwortet. „Eigentlich ist es selten, dass ich lange am Stück aktiv mitarbeiten kann“, erzählt der Landwirt.
Die größte Herausforderung in seinem Job besteht darin, die richtige Mischung aus schneller, guter Arbeit und ausreichender Aufmerksamkeit für sein Team zu finden. „Unsere eigentlichen Kunden sind ja nicht die Auftraggeber, sondern unsere Mitarbeiter“, bringt es Sandknops Chef, Florian Sommer, auf den Punkt, dass die Arbeit mit den Menschen im Fokus steht. „Gleichzeitig habe ich aber auch eine Verantwortung gegenüber den Auftraggebern“, erklärt Sandknop den Spagat, den er Tag für Tag ausüben muss.
Natürlich gebe es auch immer wieder Tage, an denen es zu Konflikten im Team kommt oder an denen weniger Arbeit geschafft wird als geplant – diese Tage sind für den Landwirt, der zuvor keine Erfahrung mit sozialer Arbeit hatte, besonders anstrengend. „Es ist eben auch hier nicht alles heile Welt“, sagt er. Doch am Kiebitzhof kann er sich jederzeit Rat von Sozialarbeitern sowie Kollegen, die soziale Berufe erlernt haben, holen. Von anderen Kollegen und Florian Sommer nimmt Sandknop gerne gartenbauliche Tipps entgegen: „Auch wenn ich mit meinem Team alleine im Bulli bin: Die Zusammenarbeit funktioniert hier sehr gut.“
Mehr Freizeit, weniger Flexibilität
Doch egal wie anstrengend der Arbeitstag war: Um 16 Uhr ist Feierabend. Nachdem Sandknop es jahrelang gewohnt war, selbstständig und zu Hause zu arbeiten, war der Wechsel in ein Angestelltenverhältnis mit festen Arbeitszeiten schon eine Umstellung für ihn, erzählt er. „Ich habe mehrere Ehrenämter, für die ich sonst immer wieder zwischendurch losfahren konnte. Das geht jetzt natürlich nicht mehr.“
Doch dank der festen Arbeitszeiten lässt sich die Arbeit auf dem Hof, an dem er zusammen mit seiner Frau im Nebenerwerb weiter Ferkel aufzieht, sehr gut planen. Zudem hat er jetzt Anspruch auf 30 Urlaubstage pro Jahr, die er in der Regel auch relativ kurzfristig nehmen kann.
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