Zu viel Wohnraum auf dem Land?

Auf dem Land wird deutlich zu viel Wohnraum geschaffen, meint das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Es befürchtet, dass die Ausweisung von Baugebieten dazu führt, dass die Dorfzentren veröden.

In vielen ländlichen Kreisen sei „deutlich mehr gebaut worden als nötig gewesen wäre“, teilt das Institut als Fazit seiner bundesweiten Baubedarfsanalyse mit. So seien im Landkreis Emsland zwischen 2011 und 2015 rund 1.060 Wohnungen mehr entstanden, als auf Basis der demografischen Entwicklung und der Leerstände zu erwarten gewesen wäre. Zu rund 80 Prozent handele es sich dabei um große Wohnungen beziehungsweise Einfamilienhäuser.

Im Landkreis Steinfurt ermittelte das Institut für den selben Zeitraum einen Überhang von 705 Wohnungen, im Landkreis Vorpommern-Greifswald einen Überhang von 660 Wohnungen. Insgesamt seien in ländlichen Kreisen 20 % mehr Wohnungen gebaut worden als benötigt werden. Bei den Einfamilienhäusern seien es sogar mehr als doppelt so viele.

Siegen-Wittgenstein zu gut versorgt?

Einige statistische Daten aus Westfalen: Während die Stadt Hamm zwischen 2011 und 2015 ihren Baubedarf zu 46 % und die Münster ihren Baubedarf zu 64 % erfüllt – oder besser: nicht erfüllt – hat, liegt diese Rate

  • im Kreis Warendorf bei 162 %,
  • im Kreis Steinfurt bei 164 %,
  • im Kreis Soest bei 172 %,
  • im Kreis Lippe bei 525 % und
  • im Kreis Siegen-Wittgenstein sogar bei 546 %.

Vor allem zwei Ursachen

Als Ursachen für diese „Überbauung des ländlichen Raums“ nennt das Kölner Institut vor allem zwei Gründe: Zum einen machen Niedrigzinsen die Finanzierung günstiger und damit den Kauf einer Immobilie attraktiver. Zum anderen ist in ländlichen Räumen Bauland reichlich vorhanden. Bürgermeister überböten sich im Ausweisen von Baugebiebten, um junge Familien zu halten oder neu anzuwerben. Doch diese Taktik erweise sich als Bumerang, so das IW:

"Angesichts der günstigen Finanzierungen werden im ländlichen Raum Neubauten gegenüber Altbauten bevorzugt. Damit entstehen neue Leerstände, da die Bevölkerung insgesamt im ländlichen Raum schrumpft, und vor allem veröden zunehmend die Dorfzentren.“

Durch die Zersiedlung mit neuen Baugebieten werde die Infrastruktur nicht effizient genutzt, was die Kosten für die Kommunen nach oben treibe, ihre Attraktivität aber nehme ab, wenn das Gebiet zersiedelt sei, Gebäude leer stünden und verfallen würden.

Weitere Leerstände verhindern

Um weitere Leerstände zu verhindern, empfiehlt das Institut den ländlichen Kommunen, die Ausweisung neuer Bauflächen zu stoppen. Dieser Grundsatz sei immer noch schwer durchsetzbar, weil es starke Interessen gibt gebe und die Kommunen im Wettbewerb untereinander stünden. Allerdings müsse den Beteiligten bewusst sein, dass der Abbau von Leerstand deutlich schwerer sei als die Begrenzung des Neubaus.

Neubauten sollten nur bei Abbau von Leerstand in Frage kommen. "Wer neu bauen möchte, muss im Gegenzug Leerstand abbauen", fordert das IW. In den Niederlanden sei das im Büromarkt erprobt worden, es biete sich jedoch auch im Wohnungsmarkt an.

Das Ziel von Kommunen mit rückläufiger Bevölkerung muss darin bestehen, die Innenentwicklung zu befördern. Hierzu müssen die Zentren durch unterschiedliche Maßnahmen attraktiver gestaltet werden. Hier seien auch Bund und Land gefordert, die Kommunen zu unterstützen.

Demographischer Wandel gestoppt?

Hintergrund dieses Trends: Die lange von Bevölkerungswissenschaftlern vorhergesagte und vieldiskutierte demografische Krise Deutschlands hat sich im Zuge der starken Zuwanderung der letzten Jahre gewandelt. Insgesamt wachse Deutschland sogar wieder, so das IW. Doch dieser Trend konzentriere sich auf einige Ballungsräume. In vielen ländlichen Regionen oder auch in Regionen mit schwieriger wirtschaftlicher Perspektive werde Bevölkerung weiter schrumpfen. Daher bleibe es von besonderer Bedeutung, Leerstände zu vermeiden. Str.