Wochenblatt: Herr Pehle, Ihre Kandidatur für das Amt des WLV-Präsidenten kam für viele überraschend. Haben Sie sich wirklich erst in der vergangenen Woche dazu entschlossen?
Pehle: Mit dem Gedanken befasst habe ich mich schon etwas länger, nämlich im Prinzip mit dem Beginn der Bauernproteste im vergangenen Jahr. Schon in Münster bei der Großkundgebung im April war erkennbar, dass wir mit unseren berechtigten Anliegen vor allem bei den Medien nicht richtig ankommen. Eigentlich werden wir seit Langem immer nur durch den Kakao gezogen. Damit bin ich unzufrieden. Dann habe ich an den Bauernprotesten in Hamburg, Bonn und Berlin teilgenommen, auch in Berlin war ich mit dem Schlepper. Dabei habe ich festgestellt, dass darüber überwiegend wohlwollend berichtet wurde. Das alles hat mich politisiert und diese Mobilisierung möchte ich gern erhalten. Den Schwung der Straße, den Zusammenhalt unter den Landwirten sollten wir weiter nutzen können, im Sinne aller Bauern. Wenn wir das schaffen, dann werden wir auch gehört. Das treibt mich um.
Wochenblatt: Öffentlich bekannt gemacht haben Sie Ihre Bewerbung bei einer Veranstaltung von „Land schafft Verbindung (LsV)“ und nicht etwa bei einer WLV-Versammlung. Das war kein Zufall, oder?
Pehle: Nun, endgültig entschlossen, zu kandidieren, habe ich mich am Montag der vergangenen Woche. Während einer Versammlung hörte ich den Ausspruch „Dem einzelnen Landwirt wird geglaubt, aber dem Bauernverband als Institution eher nicht.“ Die größtmögliche Kontinuität ist dann vielleicht nicht das, was wir gerade brauchen in der berufsständischen Vertretung. Dass ich die Glaubwürdigkeit des ordentlich arbeitenden praktischen Landwirts verkörpere, nehme ich schon für mich in Anspruch. Und die will ich auch in die Verbandsarbeit einbringen.
Meinen Entschluss wollte ich auch schnell öffentlich machen, und so bot sich der Mittwochabend im Kreis der vielen Berufskollegen bei „LsV“ an. Vorher habe ich aber schon den WLV-Kreisverbandsvorsitzenden informiert und mich mit ihm besprochen. Das war keine Meldung aus dem Hinterhalt oder an den offiziellen Strukturen vorbei.
Wochenblatt: Sie wollen also den Praktiker von der Basis verkörpern und nicht den Verbandsfunktionär ...?
Pehle: Funktionär bin ich bestimmt nicht, auch wenn ich Ortsverbandsvorsitzender bin. Ich glaube auch nicht, dass man erst Orts-, dann Kreis- und dann Bezirksvorsitzender werden muss, damit man sich um das Amt des Ersten Vorsitzenden – nichts anderes ist ja der Präsident – bewerben darf. Dann ist man übrigens auch noch ein paar Jahre älter. Und ich finde außerdem, dass man mit 46 Jahren nicht die Lebensendstellung erreicht haben muss. Es gibt auch noch etwas danach.
WLV und LsV: Neben- oder miteinander?
Wochenblatt: Wie sehen Sie denn die Rollen von WLV und „LsV“ in der Zukunft? Nebeneinander, miteinander oder wie sonst?
Pehle: Die, die nicht beim WLV organisiert sind, haben ja ganz schnell gewarnt, jetzt lasst euch bloß nicht von den Verbänden vereinnahmen. Andererseits sagen auch viele „LsV“-Aktivisten: Ohne den Verband im Hintergrund kann man das gar nicht schaffen. Da geht es um Pressekontakte, Rechtsberatung usw. Die Infrastruktur des WLV war natürlich bei der Organisation der Demos sehr hilfreich. Und speziell in unserer Region ist eine große Deckungsgleichheit zwischen WLV- Aktivisten auf interner Ebene und „LsV“-Aktivisten.
Alle Befürchtungen übrigens, dass die Proteste aus dem Ruder laufen könnten, waren unbegründet, alles ist ja extrem gesittet abgelaufen. Und, ganz wichtig: „LsV“ hat es tatsächlich geschafft, die direkten Kontakte zu den Politikern herzustellen. Wir Landwirte werden wieder gehört und wahrgenommen.
Wochenblatt: Würden Sie dieser Aussage zustimmen: „Nicht jedes „LsV“-Mitglied muss beim WLV mitmachen, aber jedes WLV-Mitglied müsste bei „LsV“ mitmachen können, wenigstens theoretisch.“?
Pehle: Wer in der jetzigen Phase, wo es überall frontal gegen die Landwirte geht, keine Zeit hat, bei „LsV“ mitzumachen, der muss sich auch fragen lassen, ob diese Inaktivität moralisch zu verantworten ist. Es geht doch darum, die Zukunft unserer Betriebe zu sichern! Ganz abgesehen davon: Ich finde es beeindruckend, wie die Mobilisierung funktioniert, die Solidarität im Berufsstand hat bei mir ein Gänsehaut-Gefühl ausgelöst. Ich will versuchen, diesen Schwung und die Glaubwürdigkeit in den Verband zu retten.
Gemeinsame Motivation schaffen
Wochenblatt: Was würden Sie als Erstes verändern, wenn Sie am 18. Februar WLV-Präsident ...
Pehle: Erster Vorsitzender!
Wochenblatt: Was würden Sie also als Erster Vorsitzender des WLV verbandsintern dringend ändern wollen?
Pehle: Nun, zunächst müsste ich erst einmal die Arbeit der Hauptgeschäftsstelle kennenlernen und mich ergebnisoffen eindenken. Dazu gehört auch, die Organisation zu verstehen und gegebenenfalls anzupassen. Das kann ich auch leisten, weil das Teil meiner früheren Arbeit als Angestellter war. Dazu würde ich das Gespräch mit den Beschäftigten suchen. Mein Credo ist, Beteiligte zu Betroffenen machen. Umgekehrt aber auch: Betroffene zu Beteiligten. Das macht glaubwürdig, motiviert für die Arbeit und ist im Grunde der Garant für Erfolg. So wie wir auch fordern: „Redet mit uns, nicht über uns!“
Die Betroffenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter muss auch erkennbar sein. Sonst müsste man ja an der Motivation zweifeln. Die Pflicht eines Verbandes ist es, für seine Mitglieder einzutreten und nach Möglichkeit deren Interessen durchzusetzen. Das gilt für das Ehrenamt genau wie für das Hauptamt. Und wenn das nicht überall eindeutig erkennbar sein sollte, muss die Organisation des Verbandes überdacht werden. Ich kann mir vorstellen, dass es da im Detail auch sehr unterschiedliche Einschätzungen gibt.
Wochenblatt: WLV und RLV haben offenbar durch beharrliche Arbeit erreicht, dass die sogenannten roten Gebiete demnächst verkleinert werden, wenn die Binnendifferenzierung kommt. War das keine gute Arbeit?
Pehle: Doch, das war gute Arbeit. Der WLV macht in der Regel gute Arbeit. Sonst würde ich mich auch nicht dort engagieren. Aber ich glaube auch, dass gerade in diesem Fall die „LsV“-Demonstrationen das Ergebnis befördert haben. Und offen ist noch die Frage, wie die Binnendifferenzierung tatsächlich in der Praxis umgesetzt wird.
Wochenblatt: Wie beurteilen Sie das Nebeneinander von WLV-Ehrenamt und einem politischen Mandat, beispielsweise als Landtags- oder Bundestagsabgeordneter?
Pehle: Bei einem bestimmten Grad der Hierarchie, wenn ich das so sagen darf, müsste man sich entscheiden, welches Amt das wichtigere ist und welches man ausüben möchte. Doppelmandate haben meiner Ansicht nach bisher nichts genützt. Mindestens von der Ebene eines Kreisvorsitzenden an sollte das WLV-Mandat dasjenige sein, das prioritär verfolgt wird. Das würde in bestimmten Situationen politische Enthaltsamkeit bedeuten, jedenfalls soweit es um wichtige Funktionen und Mandate geht.
"Besser kommunizieren"
Wochenblatt: Was müsste denn aus Ihrer Sicht die Landwirtschaft eigentlich verändern?
Pehle: Besser kommunizieren. Deutlich besser kommunizieren, dass wir gut sind. Das ist auch eine Frage der Öffentlichkeitsarbeit.
Wochenblatt: Sind die Forderungen nach weniger Pflanzenschutzmitteleinsatz, nach anderer Tierhaltung usw. gänzlich unberechtigt?
Pehle: Wir ändern uns ja schon. Ein Beispiel: Der Pflanzenschutz wird zielgerichteter, der Einsatz geht zurück. Das ist belegbar. Moderne Pflanzensorten kommen mit viel weniger Fungiziden aus als ältere. Aber wenn der Schutz von Rüben mit Neonicotinoiden verboten wird und deshalb die ganze Fläche zweimal mit Pyretroiden behandelt werden muss, finde ich das unsinnig. Das ist kontraproduktiv.
Skandalbilder brauchen wir nicht, aber wir müssen auch Bilder erklären können, die ohne Erläuterung missverstanden werden. Tiere können auch einmal krank werden, und das sieht dann nicht schön aus. Wir wollen auch nicht unsere Schweineställe zu Hochsicherheitstrakts umgestalten. Unsere Tierhaltung ist in Ordnung, davon bin ich überzeugt. Tierwohl bedeutet nicht, dass jedes Schwein mit Außenklimakontakt im Stroh wühlt. Es geht darum, dass sich der Tierhalter mit Empathie um seine Tiere kümmert. Dass er handelt, wenn eines davon krank wird. Wir brauchen keine Umkehr in der Agrarpolitik und keine Revolution. Nötig sind moderate Schritte, Evolution. Ich halte es auch nicht für sinnvoll, konventionelle und Ökolandwirtschaft zu spalten. Wir gehören alle zusammen und haben den Auftrag, für die Nahrungsmittel der Bevölkerung zu sorgen.
Wochenblatt: Wie kommen sich denn Landwirtschaft und nicht landwirtschaftliche Bevölkerung überhaupt näher?
Pehle: Der Glaube, dass ein Gesellschaftsvertrag uns rettet und uns vor Öffentlichkeitsarbeit bewahrt, das funktioniert nicht. Zu hoffen, wir machen mit den Brüsseler Geldern eine andere Tierhaltung, ist unrealistisch. Wenn, dann müssen wir die Bereitschaft der Gesellschaft, einen Vertrag mit uns abzuschließen, erst herbeiführen durch aktive Kommunikation. Wir dürfen aber nicht nur immer auf die Forderungen der anderen eingehen. Wir müssen durch Glaubwürdigkeit und nachvollziehbares Handeln versuchen, das zu beeinflussen, was die Gesellschaft fordert.
Die Zukunft der GAP
Wochenblatt: Sehr bald muss die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) neu organisiert werden. Wie sollte ein neues GAP-Modell Ihrer Meinung nach aussehen?
Pehle: Hier muss ich zugeben, dass ich mich in bestimmte Arbeitsgebiete noch hineinfuchsen muss. Klar ist, dass die Einkommensstützung wichtig ist. Andererseits ist das Geld auch ein süßes Gift. Eigentlich wäre mir lieber, wenn wir von den Erlösen für unsere Produkte gut leben könnten. Oder von mir aus auch von einer Prämie dafür, dass wir nach einer bestimmten Art und Weise produzieren, bestimmte Standards erfüllen. Andererseits werden die Direktzahlungen bisher wirklich gebraucht. Und wenn wir darauf verzichten würden, wären die Auflagen auch nicht geringer. Am wichtigsten scheint mir gegenwärtig, dass zusätzlich zu den Vorgaben der EU nicht noch nationale Alleingänge gemacht werden, die die Bauern weiter belasten.
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