Auch die Geschäftsstelle des WLV-Kreisverbandes Steinfurt in Saerbeck ist seit Mitte März „dicht“. Nur in nicht aufschiebbaren Fällen öffnet Geschäftsführer Franz-Georg Koers die abgeschlossenen Türen, wobei alle Besucher und die WLV-Mitarbeiter den gegenseitigen Abstand einhalten müssen. Dennoch: Trotz Corona bietet der Kreisverband seinen 4200 Mitgliedern weiter sein umfangreiches Beratungs- und Dienstleistungsangebot an. Koers: „Wir beraten jetzt telefonisch, per Mail oder online. Und das klappt erstaunlich gut. Wir lernen aus der Krise.“
Weiter Beratungsbedarf
Die Bäuerinnen und Landwirte können derzeit nicht persönlich in Saerbeck erscheinen. Doch auf den Höfen im Kreisgebiet stehen nach wie vor Entscheidungen an, egal ob es um Pachtverträge, Testamente, Rente, Hofübergaben, Versicherungen oder die EU-Betriebsprämie (ELAN-Verfahren) geht. Koers: „Unsere Mitglieder müssen Verträge schließen, Anträge stellen, Fristen beachten oder Widersprüche einlegen. Vieles kann man nicht auf die lange Bank schieben.“
Die Geschäftsstelle in Saerbeck hat sich wegen der Epidemie neu aufgestellt. Ein Teil der Mitarbeiter/innen arbeitet zeitweise im Homeoffice, drei Beratungsteams wurden gebildet. Im Fall des Falles (etwa Quarantäne) will die Geschäftsstelle arbeitsfähig bleiben.
Beispiele aus der Praxis
Wie aber funktioniert nun zum Beispiel die Telefonberatung in Saerbeck? Und was müssen die WLV-Mitglieder beachten? Die Mitarbeiter nennen Beispiele:
- Ein Landwirt hat seine Regelaltersgrenze erreicht und möchte Rente beantragen. Er ruft bei Jörg Müller an. Der Sozialrechtsexperte fordert in der ersten Beratung den aktuellen Einkommensteuerbescheid sowie den letzten Bescheid der gesetzlichen Rentenversicherung (per Fax oder E-Mail) an. Er fragt nach dem Alter der Ehefrau (ebenfalls rentenberechtigt?) und erläutert, auf welche gewerblichen Einkünfte zusätzliche Beiträge zur Krankenkasse anfallen (PV-Anlage, Beteiligung an Windkraft- oder Biogasanlage). Müller: „Sind alle relevanten Fragen geklärt, frage ich im zweiten Schritt, ob ich im Namen des Mitgliedes die Rente und/oder das Altersgeld bei der Alterskasse beantragen soll.“
- Die Rechtsanwälte Kathrin Schmitte und Stefan Schomakers beraten am Telefon unter anderem Familien, bei denen die Hofübergabe ansteht. Auch in diesen Fällen fordern die Berater zunächst bestimmte Unterlagen an (etwa Einheitswertbescheid, Grundbuchauszug) und fragen nach, ob die Eltern die weichenden Erben bereits abgefunden haben und ob hofesfreies Vermögen vorhanden ist. Schomakers: „Die Hofübergabe ist ein langwieriger Prozess. Fragen zum Generationswechsel sollten frühzeitig gestellt werden. Antworten sind auch telefonisch problemlos möglich. Anschließend fassen wir diese in einer Checkliste zusammen.“ Schmitte: „Besonders wichtig sind auch Testamente und Vorsorgevollmachten. Wir stellen die richtigen Fragen am Telefon und erarbeiten einen Entwurf, den wir dann gemeinsam am Telefon besprechen.“
- Stefan Schomakers prüft auch Gestattungsverträge von Firmen, die Mobilfunkmasten auf Flächen der Landwirte bauen und betreiben. Die angebotenen Entschädigungen sind oft zu niedrig. Darauf weist der Jurist den Landwirt nach Prüfung des Vertrages hin. Laut Koers ist die Telefonberatung für die Mitglieder noch ungewohnt, aber nicht weniger effektiv. Sie habe Vor- und Nachteile. Der Landwirt müsse nicht nach Saerbeck fahren und spare Zeit. Andererseits komme auch ein erfahrener Berater an seine Grenze, wenn es um die sogenannten weichen Themen geht, insbesondere wenn ein schon länger bestehender Generationenkonflikt auf dem Hof besteht. Koers: „In diesen Fällen müssen die Parteien im Rahmen einer Mediation oder eines Coaching an einen Tisch und sich in die Augen sehen. Am Telefon kann man nicht erkennen, was die Beteiligten fühlen oder was sie ärgert.“
Zunehmende Nachfrage?
Der Geschäftsführer hofft, dass die Telefonberatung im Kreis Steinfurt und in den anderen WLV-Geschäftsstellen zunehmend nachgefragt und genutzt wird. Koers: „Unser normaler Geschäftsbetrieb läuft ja weiter. Wenn wir die Dinge und Fragen jetzt nicht bearbeiten, baut sich ein Berg auf, den wir später nur mit Mühe wieder abarbeiten können.“
Was kostet die Telefonberatung?
WLV-Mitglieder, die eine telefonische oder schriftliche Beratung bei der Kreisgeschäftsstelle nachfragen, müssen diese – wie bei einer persönlichen Beratung zum Beispiel in Saerbeck – bezahlen. Die Kosten rechnet der WLV nach dem zeitlichen Aufwand (84 €/Stunde) ab. Koers: „Kurze telefonische Beratungen sind weiter über den Mitgliedsbeitrag abgedeckt. Auch die gesamte landwirtschaftliche Sozialberatung ist für unsere Mitglieder kostenfrei.“
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