Wissenschaftler bestätigen: Impfstoff verursacht Blutschwitzen

Für das sogenannte „Blutschwitzen“ von Kälbern ist ein Impfstoff gegen die Bovine Virusdiarrhöe (BVD) verantwortlich. Davon geht jedenfalls die Universität Gießen aus, wo zu der in Fachkreisen als Bovine Neonatale Panzytopenie (BNP) bezeichneten und tödlich verlaufenden Krankheit bei Saugkälbern geforscht wird.

Wie die Hochschule am vergangenen Mittwoch mitteilte, entstehen die unstillbaren Blutungen, die die Tiere verenden lassen, als Folge des fast vollständigen Verlusts von Blut- und Knochenmarkzellen, wovon auch die für die Gerinnung notwendigen Blutplättchen betroffen sind. Bei der Erforschung sei den Tiermedizinern nun der wissenschaftliche Durchbruch gelungen, indem sie die Mechanismen der Zerstörung der blutbildenden Zellen bei den Kälbern beschreiben konnten.

Den Wissenschaftlern konnten nachzuweisen, dass sich in der Biestmilch von Kühen, bei deren Kälbern BNP aufgetreten sei, Antikörper befänden, die mit weißen Blutzellen der Kälber reagierten. Wie die Universität Gießen betonte, trat BNP auch vermehrt in solchen Rinderherden auf, bei denen ein bekannter Impfstoff gegen BVD, PregSure von Pfizer, verwendet wurde. Nach Angaben der Universität Gießen sind europaweit mehr als 4000 BNP-Fälle bekannt geworden.

PregSure nicht mehr am Markt

Ein Sprecher der Pfizer-Tiergesundheitssparte teilte mit, dass dem Unternehmen die Gießener Studie bekannt sei. Bereits in den vergangenen Monaten habe es andere Studien gegeben, in denen dieselbe Hypothese einer Immunreaktion aufgestellt wurde. Dies sei entsprechend im April in einem Schreiben des Unternehmens an Tierärzte europaweit kommuniziert worden. Gleichzeitig betonte der Sprecher, dass Pfizer zahlreiche Studien zu den Ursachen des sogenannten Blutschwitzens gefördert habe und weiter fördere. Zu möglichen Schadenersatzansprüchen gegen das Unternehmen konnte er sich nicht äußern. Pfizer hatte den BVD-Impfstoff PregSure bereits im April 2010 freiwillig vom Markt genommen. Mittlerweile wurde die EU-Lizenz für das Produkt freiwillig zurückgegeben.

Andere BVD-Impfstoffe ohne Probleme

Wie die Universität Gießen weiter erläuterte, ist es einem Forscherteam um Prof. Till Rümenapf aus dem Institut für Virologie der Hochschule gelungen, MHC-I als Zielantigen zu identifizieren, gegen das die mütterlichen, BNP auslösenden Antikörper gerichtet sind. MHC-I komme auf allen Körperzellen vor und spiele eine zentrale Rolle im Immunsystem. Es habe sich gezeigt, dass bei manchen Muttertieren Antikörper gegen solche Varianten von MHC-I gebildet würden, die auch im BVD-Impfstoff enthalten seien, vermutlich als Verunreinigung durch die im Produktionsprozess verwendeten Zellen.

Habe das Kalb zufällig das gleiche MHC-I-Molekül, bänden die mütterlichen Antikörper daran und führten zur Zerstörung der blutbildenden Zellen. Dies weise auf die potentielle Gefahr für alle Impfstoffe hin, bei deren Herstellung Zellen derselben Spezies verwendet werden, für die der Impfstoff vorgesehen sei. Andere Impfstoffe gegen BVD mit anderen Zusammensetzungen verursachten diese Probleme jedoch nicht, betonen die Gießener Veterinärmediziner. Die Ergebnisse seien jetzt auch im Wissenschaftsmagazin „Veterinary Research“ veröffentlicht und dort frei zugänglich.

Pfizer will sich von Tiergesundheitssparte trennen

Pfizer ist der größte Anbieter von Tierarzneimitteln weltweit. Vor einigen Wochen hatte das Unternehmen allerdings bekanntgegeben, sich von der Veterinärsparte trennen zu wollen - aus einer Position der Stärke heraus, wie der Pfizer-Sprecher betonte. In Frage käme ein Verkauf ebenso wie die Überführung in ein separates Unternehmen oder aber auch ein Verbleib im Konzern. Im vergangenen Jahr erzielte der Konzern mit Produkten rund um die Tiergesundheit einen Umsatz von umgerechnet 2,4 Mrd. €. AgE