Wisente zurück ins Gatter?

Georg Feldmann-Schütte und Hubertus Dohle wollten am vergangenen Freitagnachmittag nicht jubeln. Denn der Streit mit dem Wisent-Trägerverein ist noch nicht vom Tisch.

Die zwei Waldbauern aus Schmallenberg und ihr Rechtsbeistand, Hans-Jürgen Thies, sprachen dennoch von einem Urteil mit Signalwirkung. Thies: „Der Trägerverein hat im Rothaargebirge gegen Recht und Gesetz Tiere ausgewildert, die hier nie heimisch waren und Schäden an fremdem Eigentum anrichten. Das geht so nicht. Das hat das Landgericht festgestellt.“

Maßnahmen erfolglos

Auch zur erneuten Verhandlung platzte der viel zu kleine Gerichtssaal aus allen Nähten. Das Medieninteresse war enorm. Richter Jörg Maus wollte zu Beginn von den Vorstandsmitgliedern des Trägervereins und ihrem Anwalt Stephan Hertel wissen, was der Verein seit dem Frühjahr 2005 unternommen habe, um die jetzt 17 köpfige Wisentherde von den Grundstücken der Kläger fernzuhalten.

Doch da mussten die Vereinsvertreter passen. Alle Lenkungsmaßnahmen seien weitgehend gescheitert. Die Idee, einen festen Zaun auf dem Kamm des Rot­haargebirges zu bauen, habe man fallen gelassen. Im Sommer würden die Tiere in der Region umherstreifen. Hertel: „Der Trägerverein konnte jedoch etwa 13 ha bei Kühhute pachten. Dort wollen wir 2016 eine weitere Ablenkfütterung anlegen.“

„Toskana“ des Sauerlandes

Die Bei- oder Ablenkfütterung möge im Winter funktionieren, entgegnete Thies, im Sommer jedoch gingen die Wisente eigene Wege. Warum sie über den Rothaarkamm ins Schmallenberger Land wanderten, wisse niemand. Thies bezeichnete diesen Landstrich scherzhaft als „die Toskana des Sauerlandes“, hier sei es im Schnitt bis 2 °C wärmer als im Wittgensteiner Land. Laut Feldmann-Schütte ist die Herde im Sommer 2015 sogar bis nach Oberhundem im Kreis Olpe gewandert. Dort würde bereits eine neue Gruppe von Waldbauern gegen die Tiere rebellieren.

Nach Anhörung aller Argumente stellte Richter Maus fest: Der beklagte Trägerverein ist nicht in der Lage, die Wisente im Projektgebiet, etwa 4000 ha, zu halten. Weil sie erhebliche Schälschäden an den Buchen der Waldbauern verursachen, liegt eine Eigentumsstörung nach § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor. Diese Störung müssen die Kläger nicht hinnehmen, auch wenn der Trägerverein ein vom Land genehmigtes Auswilderungsprojekt betreibt und alle Schäden aus einem Fonds begleichen will.

Zudem verwies der Richter auf das Naturschutzrecht. Die geschädigten Buchen lägen im FFH-Gebiet, sie seien besonders geschützt. Maus: „Die Eigentumsrechte der Waldbauern und die Belange des Naturschutzes sind in diesem Fall höher zu bewerten als die Ziele eines Artenschutzprojektes, auch wenn es von großen Teilen der Bevölkerung begrüßt wird.“

Wie geht es weiter?

Enttäuscht zeigten sich der erste und zweite Vorsitzende des Trägervereins, Bürgermeister Bernd Fuhrmann (Bad Berleburg) und Johannes Röhl, Leiter der Forstabteilung bei Richard Prinz zu Sayn Wittgenstein. Man wolle die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und dann entscheiden, ob man Berufung vor dem Oberlandesgericht Hamm einlege.

Momentan muss der Verein die Wisente noch nicht zurück in ihr altes Gatter holen. Das Urteil ist nur vorläufig gegen Sicherheitsleistungen vollstreckbar. Laut Verein müssen die beiden Kläger jeweils 35.000 € an Sicherheitsleistungen hinterlegen, um die Vollstreckung „geeigneter Maßnahmen“ zu erwirken. Wird diese neue Hürde die Kläger vor weiteren Schritten abhalten? Davon geht der Trägerverein aus.

Dessen Sprecher hatten vor Gericht und gegenüber den Medienvertretern mehrfach betont: „Für uns ist das Auswilderungsprojekt beendet, wenn wir die Wisente zurück in ein Gatter treiben müssen.“
Dabei beruft sich der Trägerverein ebenfalls auf das geltende Naturschutzrecht. Fuhrmann: „Der Wisent ist eine streng geschützte Tierart. Wir können und werden beim Ergreifen geeigneter Maßnahmen deshalb nicht gegen geltendes Recht verstoßen.“

Richter Maus ermahnte beide Parteien eindringlich, weiter im Gespräch zu bleiben und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Doch wie kann sie aussehen? Dazu sagte Richter Maus leider nichts.
Feldmann-Schütte und Dohle wiederum betonten: „Wir sind nicht gegen die Wisente und gegen die Auswilderung. Wir müssen jedoch unsere Buchen schützen. Das tun wir auch für unsere Kinder und Enkel.“ Armin Asbrand