Gespenstische Szenen spielen sich seit Wochen am Ortsrand von Almert ab. Etwa 20 Wisente überqueren fast täglich die Kreisstraße von Oberkirchen nach Grafschaft. Etwa 200 m entfernt befinden sich zwei Fahrsilos von Hermann-Josef Volmers. Die Wisente fressen sich dort satt. Die Grassilage ist das Winterfutter für seine Mutterkuhherde. Dabei lassen sich die braun-schwarzen Kollosse nicht stören. Spaziergänger können sich bis auf wenige Meter nähern. Die Wisente sind alles andere als wild.
„Was sich auf unseren Feldern und den Straßen abspielt, wird von Tag zu Tag schlimmer“, schimpft Josef Schreiber. Der Vorsitzende des WLV-Kreisverbandes Hochsauerland hatte die Presse eingeladen. Nach Beobachtungen der Bauern halten sich die Wisente bereits seit Ende Oktober in Nähe der Silos auf. Am Montagabend, 18. Dezember, kollidierte ein Autofahrer mit einem Wisent. Zum Glück nur ein Blechschaden. Inzwischen zieht die Herde immer mehr Schaulustige an. Sie betreten ungefragt die Flächen der Landwirte und begeben sich in Gefahr.
Unhaltbare Zustände
Auf dem Pressetermin waren die Bauern wütend. Die unhaltbaren Zustände hätten der Trägerverein und die Wittgensteiner Politiker zu verantworten:
- Die Wisente sind angeblich wild, doch sie verhalten sich nicht so. Warum fressen die Tiere seit Wochen das Futter aus den Silomieten? Hat eventuell die Wittgensteiner Forstverwaltung die sonst übliche Winterfütterung des Rotwildes eingestellt? „Weder vom Kreis Siegen-Wittgenstein noch vom Trägerverein erhalten wir Antworten, nur Beruhigungspillen“, so Schreiber.
- Allein die zwei Silos – etwa 340 m3 Grassilage, 280 m3 Ganzpflanzensilage in Bioqualität- haben einen Wert von etwa 30 000 €. Dazu könnten weitere Kosten für die Entsorgung kommen. Bislang hat der Trägerverein keine Entschädigung in Aussicht gestellt. Die Bauern verweisen auf die Schäden an weiteren Silos und auch in ihren Buchen. „Der Gesamtschaden der Wisente dürfte sich inzwischen auf weit über 100 000 € belaufen,“ so Schreiber.
- Seit Jahren bemühen sich die Rinderhalter, ihre Bestände BVD-frei zu bekommen und zu halten. Weder Trägerverein noch der Kreis überwachen die Tierseuchenhygiene jedoch bei den Wisenten. „Wir befürchten, dass infizierte Wisente unsere Weidetiere anstecken. Die wirtschaftlichen Verluste in Millionenhöhe müssten alle Rinderhalter in NRW tragen“, sagen die Landwirte.
- Die Wisente sind streng geschützt. Sogar auf den eigenen Flächen darf sie der Gundeigentümer nicht vertreiben. Einzelne Landwirte hatten versucht, ihre Feldmiete mit einem Elektrodraht (zwei Litzen) zu schützen. Das ging gründlich schief. Die Tiere gehen durch jeden Zaun, wenn sie Hunger haben und zum Silo wollen.
Wisentherde ins Gatter
„So kann es nicht weitergehen“, so Schreiber. Der Vorsitzende richtete seinen Appell auch an Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking. Das Land NRW habe den Vertrag für das Auswilderungsprojekt mit unterzeichnet. „Frau Schulze Föcking muss endlich die Fakten wahrnehmen und die Reißleine ziehen.“
Nach Ansicht der Bauern gibt es nur eine Lösung. Die Wisente müssen in ein Gatter. Auf einer Fläche von vielleicht 300 bis 400 ha. Ex-Kammervizepräsident Josef Peitz: „Die Idee von Prinz Richard ist längst gestorben. Die Wisente lassen sich nicht im Projektgebiet halten. Wir geben erst Ruhe, wenn die Tiere im Gatter sind.“