„Wir haben das Ganze im Blick“

Der Westfälisch-Lippische und Rheinische Landwirtschaftsverband sowie die Landfrauen treten mit einer gemeinsamen Liste zur Sozialwahl an. WLV-Vizepräsident Henner Braach erläutert den Hintergrund in unserem Interview.

Der Westfälisch-Lippische und Rheinische Landwirtschaftsverband sowie die Landfrauen treten mit einer gemeinsamen Liste zur Sozialwahl an. WLV-Vizepräsident Henner Braach erläutert den Hintergrund.

Wochenblatt: Anfang Mai haben die Landwirte, Waldbauern und Gärtner in NRW die Briefwahlunterlagen zur Sozialwahl erhalten. In der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte („SofAs“) hat der Wahlausschuss elf Listen zugelassen. Warum treten WLV, RLV und die Landfrauen in NRW mit einer gemeinsamen Liste an?

Braach: Auf unserer Liste stehen 20 Männer und Frauen, die spiegelbildlich alle landwirtschaftlichen Betriebe und die Gartenbaubetriebe in NRW repräsentieren. Aus allen Landesteilen sind Schweine- und Milchviehhalter, Acker- und Waldbauern, Nebenerwerbslandwirte sowie Biobauern vertreten. Im Vorfeld hatten wir Gespräche geführt, wer auf der Liste stehen sollte. Wir haben die Liste mit Personen besetzt, die über die nötige Sachkunde verfügen. Im Grundsatz geht es darum: Mit der Liste wollen wir die Interessen aller Berufsgruppen aus NRW in der Vertreterversammlung abdecken. Wir verfolgen keine Einzelinteressen, wie es etwa die Jäger oder Waldbauern mit ihrer Liste tun.

Wochenblatt: Welche Ziele sollte die nächste Vertreterversammlung der Sozialversicherung, die aus 60 Mitgliedern besteht, verfolgen?

Braach: Wir wollen eine leistungsfähige Verwaltung in Kassel erhalten, die mit den Beiträgen der Versicherten und den Zahlungen des Bundes effektiv umgeht. Davon profitieren unsere Bauernfamilien unter anderem in der Form von niedrigen Grundbeiträgen in der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (BG). Seit der Fusion 2013 hat der Bundesträger über 1000 von einst 6000 Stellen abgebaut. Das war ein Kraftakt. Ein weiterer Stellenabbau darf nicht dazu führen, dass unsere Bäuerinnen, Landwirte und die vielen Altenteiler etwa in der Landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse schlechter betreut werden.

Wochenblatt: In welchen Bereichen darf es nach Ihrer Ansicht keine Abstriche bei den Leistungen geben?

Braach: Zunächst sollte man wissen, dass der Gesetzgeber im Schnitt über 90 % der Leistungen der LKK mit Pflegekasse, Alterskasse (LAK) und der BG vorschreibt. Das betrifft zum Beispiel die Unfallrenten und LAK-Renten. Einen gewissen Handlungsspielraum hat die SVLFG unter anderem bei der Betriebs- und Haushaltshilfe. Sie ist für unsere Familienbetriebe ganz wichtig, wenn der Landwirt oder seine Ehefrau etwa durch Krankheit oder Kur
als Arbeitskraft ausfallen. Zum Beispiel sollten wir an unserem
bewährten Sicherungssystem in Westfalen-Lippe mit den Betriebshilfsdiensten nicht rütteln.

Wochenblatt: Die Kandidaten auf den anderen Listen fordern Beitragssenkungen in der BG für ihre Gruppe, andere möchten Kleinbetriebe entlasten.

Braach: Beim Thema Beitragsgestaltung und Beitragsgerechtigkeit muss man genau hingucken. Die BG hat die Kleinbetriebe bereits entlastet. Früher mussten alle Betriebe den Grundbeitrag von 100 €/Jahr zahlen. Heute zahlen die großen Unternehmen den vierfachen Grundbeitrag der Kleinbetriebe. Mit dem Grundbeitrag deckt die BG ihre Verwaltungs- und Präventionskosten ab. Zusätzlich müssen alle Betriebe dann einen Beitrag zahlen, der sich nach den tatsächlichen Kosten in ihrer Risikogruppe berechnet. Jede Gruppe, etwa Jäger oder Waldbauern, muss mit ihrem Beitragsaufkommen die jeweiligen Aufwendungen abdecken. Es stimmt nicht, wenn behauptet wird, die Jäger subventionieren mit ihren Beiträgen die Rinder- oder Pferdehalter.

Wochenblatt: Und die LKK-Beiträge? Zahlen hier die „Kleinen“ zu viel?

Braach: Eindeutig nein. Die Beiträge liegen je nach Größe der Betriebe zwischen 87 € und 599 €/Monat. Dabei kann die LKK nicht auf die Buchführungsabschlüsse der versicherten Unternehmen zurückgreifen, weil zeitnahe Abschlüsse nicht vorliegen. Deshalb wird der Beitrag über einen Hilfsmaßstab mit den Flächenwerten und den Beziehungswerten ermittelt. Der höchste LKK-Beitrag in Klasse 20 hängt am AOK-Vergleichsbeitrag. Das schreibt der Gesetzgeber vor. Es ist einfach so, dass wir kein besseres Beitragssystem in der LKK haben. Im Übrigen steht das Thema Beitragsgestaltung immer wieder auf der Tagesordnung der Fachausschüsse der Sozialversicherung. Dabei lassen wir uns von Gutachtern beraten.

Wochenblatt: Die eigenständige Landwirtschaftliche Sozialversicherung abschaffen – dies ist für den Berufsstand keine Option?

Braach: Nein. In diesem Fall müssten wir uns doch immer nach der Alternative fragen. Die Vorteile der SVLFG für unsere Familien werden oft vergessen: Das Beitrags- Leistungs-Verhältnis in der LKK ist günstig. Die BG leistet gute Arbeit im Bereich der Prävention. Die Renten der Alterskasse sind um 10 % günstiger als in der gesetz­lichen Rentenversicherung. Eheleute mit Jahreseinkünften unter 31 000 € haben in der LAK Anspruch auf Beitragszuschuss, den es so in anderen Sozialversicherungen nicht gibt. Und nicht zuletzt: Bäuerinnen und Landwirte sind in den Gremien vertreten und nehmen dort Einfluss.

Wochenblatt: Die Briefwahlunterlagen müssen bis 31. Mai ausgefüllt und nach Kassel geschickt werden. Ihr persönlicher Wahlwunsch?

Braach: Die Sozialwahl ist frei und geheim. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Bäuerinnen, Landwirte und Gärtner von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Dass unsere gemeinsame Liste von WLV und RLV, übrigens die einzige regionale Liste aus NRW, die Inte­ressen aller bäuerlichen Familien vertritt, habe ich hoffentlich deutlich gemacht. Armin Asbrand