In einem Punkt waren sich die 250 Fachbesucher auf der Jahrestagung erneuerbare Energien der EnergieAgentur.NRW einig: Das Industrieland NRW wird seine selbst gesteckten Klimaziele nur erreichen, wenn die Menschen in den Dörfern nicht länger gegen jedes neu geplante Windrad protestieren. Doch wie schafft man mehr Akzeptanz für die erneuerbaren Energien, die bis 2050 den Strom aus Öl, Gas und Kohle fast vollständig ersetzen sollen?
Kleine und kleinste Dörfer
Einen neuen Weg beschreitet die Stadt Meschede im Hochsauerlandkreis. Die Stadt (30.500 Einwohner) hat 51 zum Teil kleinste Dörfer, enge Täler, Wälder und Bürger, die sich nicht alles gefallen lassen. 1995 war die erste Windenergieanlage (WEA) im Stadtgebiet errichtet worden. Anfang der 2000 er-Jahre setzte eine große Nachfrage nach neuen Standorten ein, deshalb änderte die Stadt 2004 ihren Flächennutzungsplan (FNP), berichtete Klaus Wahle, Leiter des Fachbereichs Planung und Bauordnung bei der Stadt. Daraufhin wurden vier weitere bereits 150 m hohe Anlagen errichtet.
Was tun, um die Bürger mitzunehmen? Der Rat beschloss im Frühjahr 2018, für einen geplanten Windpark bei Bonacker eine informelle Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Rund um Bonacker möchten ein heimischer Investor und Waldbauern acht große WEA (Gesamthöhe je 240 m) in einem Waldgebiet errichten.
Aufwendiger Beteiligungsprozess
Ende April 2019 verschickte die Stadt an 1000 zufällig ausgewählte Haushalte im 5-km-Radius um die Anlagen einen Fragebogen, um ein Meinungsbild zu erhalten. Davon kamen 400 zurück. Die Ergebnisse waren laut Wahle erstaunlich: Fast alle Befragten halten den Klimaschutz für wichtig. Doch 80 % der Befragten lehnen Windräder in den Mittelgebirgslagen ab. Und etwa 70 % halten einen Abstand von 1500 m zu Wohnhäusern für noch zu gering. Als Ablehnungsgründe gaben die Haushalte an: Naturschutz, Landschaftsbild, negativ für den Tourismus. Aber noch ein Grund wurde genannt: „Uns stellt man die Windräder vor die Nase, doch wir haben nichts davon.“
Nach der Fragebogenaktion lud die Stadt die Bevölkerung zu einem runden Tisch ein. 70 Bürger meldeten sich an, doch nur 29 kamen. Am Ende des aufwendigen Beteiligungsprozesses kam dann aber doch eine Bürgerempfehlung zustande. Wahle: „70 % der Befragten lehnen die Windräder ab.“
Die Planung ist damit aber nicht vom Tisch. Jetzt muss sich laut Wahle der Rat der Stadt möglicherweise erneut mit dem Bauantrag beschäftigen, weil der aktuelle FNP der Stadt von 2004 nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtes Arnsberg ungültig ist. Hiergegen will die Stadt vorgehen. Sollte ihr Antrag abgelehnt werden, muss der Hochsauerlandkreis den Bauantrag nach § 35 (1) des BauGB beurteilen, der FNP spielt dann keine Rolle mehr. Danach kann der Investor sein Baurecht einklagen, sofern er die Voraussetzungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erfüllt (Naturschutz, Abstand usw.).
Etwas für die Bürger tun
Einen langen Rechtsstreit möchte die Stadt jedoch vermeiden, betonte Wahle. In weiteren Gesprächen wolle man versuchen, doch noch Kompromisse zu finden. Zum Beispiel könnte der Investor den Anwohnern ein finanzielles Angebot unterbreiten, die Vereine unterstützen oder – einfach gesagt– etwas für Leute vor Ort tun. Eine weitere Option wäre, statt der acht WEA nur sechs bei Bonacker zu bauen.Nach Ansicht des Fachbereichsleiters hat das Beteiligungsverfahren am Ende doch etwas gebracht. Wahle: „Die Beteiligten wollen im Gespräch bleiben. Ganz wichtig ist, dass der Investor die Bürger über alle Schritte informiert und Vertrauen aufbaut. Sonst hat die Windkraft generell einen schweren Stand im Sauerland.“
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