Wildschaden – was nun?

Insbesondere in Regionen mit hohem Schwarzwildvorkommen sind Wildschäden ein Dauerthema zwischen Landwirten und Jägern. Wichtig ist, dass Landwirte mit den Grundsätzen des Wildschadenersatzes vertraut sind.

Ansonsten besteht die Gefahr, dass ein bestehender Ersatz­anspruch an vermeidbaren Fehlern scheitert.

Wer für Wildschäden haftet

Nach § 29 Bundesjagdgesetz haftet für Wildschäden, die in einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk entstehen, die Jagdgenossenschaft; in einem Eigenjagdbezirk der Eigenjagdbesitzer. Die Ersatzpflicht gilt jedoch nur für Schäden durch Schalenwild, Wildkaninchen oder Fasanen. Verbissschäden von Hasen an Obstbäumen oder Fraßschäden durch Tauben am Raps werden nicht ersetzt. Die Haftung kann ganz oder teilweise auf den Jagdpächter übertragen werden. Es kann auch vereinbart werden, dass sich die Ersatzpflicht auf weitere Wildarten erstrecken soll.

Schäden rechtzeitig melden

Wildschäden müssen rechtzeitig beim Ordnungsamt der zuständigen Gemeinde angemeldet werden. Die Meldefrist ist in NRW mit der Novelle des Landesjagdgesetzes von eine auf zwei Wochen ab Kenntnis des Schadens verlängert worden. Doch auch diese Frist ist recht kurz und sie beginnt bereits zu laufen, wenn der Geschädigte „bei Beachtung der üblichen Sorgfalt“ schon früher vom Schaden hätte Kenntnis erlangen können.

Zur Erklärung: Die Rechtsprechung verlangt vom Landwirt, dass er seine Flächen regelmäßig auf Wildschäden kontrolliert. Innerhalb der Vegetationsperiode sollte dies spätestens alle vier Wochen erfolgen. Die Kontrollpflicht kann sich aber durchaus bis hin zu wöchentlichen Kontrollen verdichten. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn sich die Schadensereignisse auf einer Fläche häufen oder besondere Gefährdungslagen vorliegen. So ist Getreide in der Milchreife für Wild besonders attraktiv.

Im Streitfall muss der Landwirt nachweisen, dass er seiner Kontrollpflicht nachgekommen ist. Das heißt, er muss beweisen, an welchem Datum und wie er eine Fläche auf Wildschäden kontrolliert hat. Oft scheitern Wildschaden­ersatzansprüche daran. Landwirte sollten daher ihre Kontrollen protokollieren und gegebenenfalls Familienmitglieder bzw. Dritte mit einbinden. Diese können im Streitfall als Zeugen dienen.

Für die Anmeldung von Wildschaden gibt es in NRW ein

. Aufgrund der Daten, die dort abgefragt werden, lassen sich Fehler vermeiden. So muss aus der Anmeldung unmissverständlich hervorgehen, wer der Geschädigte ist und für welche Fläche Wildschaden angemeldet wird. Dazu gehört eine genaue Grundstücksbezeichnung mit Angabe von Gemarkung, Flur und Flurstück. Wer die Meldung persönlich abgibt, sollte bedenken, dass er einen Nachweis über die rechtzeitige Meldung des Schadens benötigt.

Neue Schäden nachmelden

Häufig wird eine Fläche im Anschluss an eine Schadensmeldung erneut geschädigt. Auch in diesem Fall darf der Landwirt nicht untätig bleiben, denn auch für weitere Wildschäden gilt die gesetzliche Meldefrist.
Wer dies nicht beachtet, läuft Gefahr, dass sich Alt- und Neuschäden nicht mehr voneinander abgrenzen lassen. Das hat Folgen: Lassen sich verfristete oder nicht angemeldete Schadensereignisse nicht von den rechtzeitig angemeldeten Schäden abgrenzen, führt dies zum Verlust aller Ansprüche!

Wer sich erst kurz vor der Ernte Gedanken über Wildschäden macht, kommt in der Regel zu spät. Dann ist regelmäßig die Fläche schon abgeerntet, bevor überhaupt ein Orts­termin mit den Behördenvertretern und dem Schätzer zustande gekommen ist.

Eine Wildschadensschätzung allein auf Basis von nach der Ernte zurückgebliebenen Pflanzenresten bzw. Schadbildern entspricht nicht der gesetzlichen Vorgabe und macht die Schätzung angreifbar. Aus diesem Grunde sollten betroffene Landwirte schon bei der Schadensmeldung auf einen zeitnah anstehenden Erntetermin hinweisen und ausdrücklich beantragen, dass schon zum ersten Ortstermin ein Schätzer hinzugezogen wird.

Eigene Beweissicherung

Trotzdem sind Landwirte gut beraten, die Schadensdokumentation nicht allein der Behörde bzw. dem Wildschadensschätzer zu überlassen.

Auf Fotos lassen sich Schadbilder mit Datum dokumentieren. Auch Zeugen, die sich den Schaden ansehen, sind nützlich. Mittels eigener Skizzen lassen sich Lage und Größe von Schadstellen festhalten.
Beim Ortstermin sollte der Landwirt darauf achten, dass alle Feststellungen protokolliert werden und der Schätzer ein Gutachten zur Schadenshöhe erstellt. Da den gutachterlichen Feststellungen vor Gericht in aller Regel eine entscheidende Rolle zukommt, sollte aus dem Gutachten hervorgehen, in welchem Umfang welche Fläche geschädigt wurde.

Zudem sollte der Landwirt bei der Schadensaufnahme Wert darauf legen, dass der Schaden nicht nur grob eingeschätzt, sondern beispielsweise Länge und Breite ausgemessen wird. Auch das Auszählen geschädigter Pflanzen pro Quadratmeter und die Dokumentation der Ertragsstufe machen das Gutachten weniger angreifbar als eine Schätzung „über den Daumen“.

Vorbereitend zum Ortstermin kann sich der Landwirt die aktuellen Richtsätze der Landwirtschaftskammer NRW für die Bewertung landwirtschaftlicher Kulturen besorgen, um eine eigene realistische Einschätzung zur Schadenshöhe zu bekommen. Neben dem Ertrags­ausfallschaden können die Wiederherstellungskosten erheblich zu Buche schlagen. Hier sollte sich der Landwirt vorbereitend zum Termin Gedanken machen.
Nur dem Landwirt steht das Wahlrecht zu, ob der Ersatzverpflichtete den Schaden selbst beheben soll oder ob Geldersatz verlangt wird. Erfolgt eine Einigung, muss aus dieser klar hervorgehen, was vereinbart wurde.

In NRW endet das Vorverfahren entweder mit einer gütlichen Einigung oder es wird abschließend durch die Gemeinde mitgeteilt, dass das Verfahren gescheitert ist. Sobald der Landwirt die Mitteilung über das Scheitern des Verfahrens erhält, ist für ihn erneut Eile geboten. Denn dann beginnt eine kurze Notfrist von zwei Wochen, innerhalb derer die Ansprüche bei Gericht „rechtshängig“ gemacht werden müssen. Zuständig ist das Amtsgericht.

In der Praxis wird oft behauptet, dass der Schaden insgesamt oder zum Teil durch Tierarten verursacht wurde, die nicht der Ersatzpflicht unterliegen. Dann ist es Aufgabe des Schätzers,vorhandene Schadensbeiträge von zum Beispiel Dachs, Waschbär oder ausgebrochenen Rindern gesondert festzustellen, damit diese nicht als zu ersetzender Schaden bestimmt werden.

Mitverschulden?

Oft wird Landwirten vorgehalten, dass der Ersatz aufgrund eines erheblichen Mitverschuldens aus­geschlossen sei, etwa wenn Mais in Waldrandnähe angebaut wurde. In aller Regel liegt in diesen Fällen aber kein Mitverschulden vor. Denn es gilt der Grundsatz der Anbaufreiheit, wonach ein Landwirt im Rahmen der ordnungsgemäßen Landwirtschaft frei darüber entscheiden kann, auf welcher Fläche er welche Frucht anbaut.

Ebenso wird mitunter behauptet, dass die Ernte der Vorfrucht nicht ordnungsgemäß erfolgt ist oder ältere Wildschäden – insbesondere Maisbruchkolben – untergepflügt wurden, was dann zu Schäden in der Folgefrucht geführt hat. Im Einzelfall kann dieser Vorwurf durchaus einmal berechtigt sein. Eine vollständige Beseitigung von Ernterückständen ist von Landwirten aber grundsätzlich nicht zu verlangen.

Spezialfall: Sonderkulturen

Bei Sonderkulturen gibt es nur Ersatz, wenn diese vom Landwirt vor Wildschäden geschützt wurden. Wer also zum Beispiel Erdbeeren oder Spargel nicht einzäunt, bekommt im Wildschadenfall keinen Ersatz. Die vom Gesetzgeber verlangte Eignung der Einzäunung ist je nach Wildart unterschiedlich festgelegt.

Das Landesjagdgesetz setzt zum Beispiel zum Schutz vor Wildschweinen voraus, dass die Einzäunung mindestens 1,20 m hoch ist und zusätzlich 30 cm tief in den Boden reicht. Zur Abwehr von Rehwild oder Rotwild müssen Zäune 1,50 bzw. 1,80 m hoch sein. Jürgen Reh, Verband der Jagdgenossenschaften und Eigenjagden in Westfalen-Lippe (VJE)