Serie: Ökolandbau in NRW

Wie viel Öko steckt in NRW?

Der Ökologische Landbau in Nordrhein-Westfalen hat deutlich zugelegt. In ­einigen Segmenten stößt er bereits an Grenzen, in anderen gibt es noch Luft nach oben. Das Wochenblatt sprach mit Dr. Karl Kempkens und Jan Leifert.

Die Zahlen sprechen für sich: Seit 2009 ist die Zahl der ökologisch wirtschaftenden Betriebe in Nordrhein-Westfalen um 50% auf rund 2300 gestiegen. Die ökologisch bewirtschaftete Fläche hat um 30% auf etwa 95.000 ha zugelegt. Die Ökobetriebe haben jetzt einen Anteil von knapp 7,5% aller landwirtschaftlichen Betriebe in NRW und bewirtschaften etwa 6,5% der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche. Im Vergleich liegen die Bioanteile der landwirtschaftlichen Erzeugnisse in NRW unter dem Bundesschnitt.

Bio-Anteile in Deutschland und NRW. (Bildquelle: AMI)

In den Jahren 2014 bis 2016 hat die größte Zahl an Betrieben von konventioneller auf ökologische Wirtschaftsweise umgestellt. In der Spitze waren es knapp 200 Betriebe mit 8000 ha pro Jahr. Das waren vor allem Grünlandbetriebe in den Mittelgebirgsregionen. Die Milcherzeuger waren enttäuscht vom Milchpreis und den unsicheren Aussichten nach dem Ende der Milchquote. Zudem unterscheidet sich die konventionelle von der ökologischen Wirtschaftsweise auf dem Grünland nur wenig. Bei Mutterkuhhaltern ist es ähnlich. Die Betriebsleiter konnten deshalb oft ohne größere Veränderungen im Betrieb und Management von deutlich höheren Prämien profitieren.

Zusätzliche Prämien für Ökobetriebe in NRW. (Bildquelle: umwelt.nrw.de)

Erst Grünland, dann Acker

Die Rinderbetriebe in den Grünlandregionen dürften nach wie vor den Ökoschwerpunkt in NRW bilden. Beispielsweise liegt der Ökoanteil im Kreis Olpe, im Bergischen Land oder im Hochsauerlandkreis bei mehr als 20%. Eine genaue Aufschlüsselung über die Verteilung und Ausrichtung der Ökobetriebe in NRW gibt es aber nicht.

Eine Besonderheit von Ökobetrieben im Vergleich zu konventionellen Betrieben ist ­allerdings, dass sie oft weniger stark auf einen Betriebszweig spezialisiert sind und in der Regel mehrere Betriebszweige haben. Sie setzen stark auf Stoffkreisläufe, sowohl innerhalb des Betriebes als auch in Form von Betriebskooperation.

Die Experten hinter den Fakten: Dr. Karl Kempkens, Landwirtschaftskammer NRW und Jan Leifert, Landesvereinigung Ökolandbau NRW. (Bildquelle: Liste)

Klar ist, dass seit etwa zwei Jahren verstärkt auch flächenstärkere Betriebe aus Ackerbauregionen auf den Ökolandbau umstellen. Das gilt für alle Regionen in NRW. Die Gründe dafür dürften bei den mäßigen Getreidepreisen, den strengeren Auflagen für Pflanzenschutz und Düngung sowie der anhaltenden Kritik an der konventionellen Landwirtschaft liegen.

Ökoackerbau-Hochburg ist die Warburger Börde, wo der Ökoanteil vermutlich bei rund 20% liegt. Die Gründe dafür: Eine höhere Dichte an Biobetrieben in ­einer Region verbessert die ­Vermarktungsmöglichkeiten und verstärkt das Umstellungsinteresse weiterer Betriebe.

50 % mehr Verarbeiter

Die Zahl der ökozertifzierten Verarbeitungsunternehmen hat seit 2009 um 50% bzw. 800 auf 2400 zugenommen. Vornehmlich sind das landwirtschaftliche Betriebe mit Hofverarbeitung und Hofvermarktung. Aber auch Bäckereien, Obst- sowie Gemüseverarbeiter und Fleischereien sind hinzugekommen.Bei der Fleischverarbeitung spielen die wichtigste Rolle Biofleisch NRW in Bergkamen, der Naturverbund in Wachtendonk, die Naturland-Markt, die Land-Bio EZG Nordwest sowie die Fleischerei Jansen aus Köln. Zudem erfasst Tönnies noch Biofleisch in NRW.

Sechs Molkereien sammeln Biomilch: Arla, Söbbecke, Upländer Bauernmolkerei, die MEG Mittelgebirgsbauern zur Bayerischen Milchindustrie, Gläserne Molkerei sowie Aurora Kaas. Die Getreidevermarktung läuft über Bündler oder Futtermühlen.Im gesamten Bundesgebiet beträgt der Umsatz mit Ökoprodukten rund 11 Mrd. €. Etwa 2 Mrd. € dürften auf NRW entfallen.

Optimistisch stimmt die Branche, dass sich der Absatz weiter positiv entwickelt. Zum Beispiel legte der Frischebereich im ersten Halbjahr 2019 um 14% zu. Insbesondere die 30- bis 39-Jährigen kaufen verstärkt Ökoprodukte. Und positiv stimmt auch, dass konventionelle Landwirte zunehmend Interesse an der ökologischen Wertschöpfungskette haben.

Vier Öko-Label in NRW

Von den 2300 Ökolandwirten in NRW sind rund 60% in den Anbauverbänden Biokreis, Bioland, Demeter und Naturland organisiert. Die restlichen Ökobetriebe sind nach der EU-Öko-Verordnung zertifiziert. Einhellig empfehlen Berater den Landwirten, sich einem Anbauverband anzuschließen. Das biete Sicherheit bei der Vermarktung, da Verbraucher Verbandsware bevorzugen.

Zudem können Landwirte in den Verbänden mitdiskutieren, in welchen Kriterien sie sich von der EU-Ökoverordnung abheben wollen. Sie haben Einfluss darauf, wie sie sich weiterentwickeln möchten. Das ist bei der EU-Öko-­Verordnung nicht der Fall. Der Staat diktiert immer mehr, die Gestaltungsmöglichkeiten der Landwirte schwinden. Mit dem Ergebnis, dass die Verordnungen teilweise nicht mehr praxisgerecht sind.

Die zunehmende Weiterentwicklung der konventionellen Landwirte Richtung Tierwohl und Nachhaltigkeit sieht die Branche gelassen. Schließlich seien die Biostandards sehr hoch und würden stetig auf ­allen Stufen kontrolliert. Klar sei aber, dass sie jetzt noch deutlicher kommunizieren müsse, welchen Mehrwert Bio biete.

Ansprache des Verbrauchers

Die direkte Beratung und Kommunikation zum Kunden ist beim Verkauf in Fachgeschäften am einfachsten. Über die Kooperation ­einiger Verbände mit dem Lebensmitteleinzelhandel und auch Discountern ergibt sich jedoch die Chance, Käufer zu erreichen, die nicht in Fachgeschäften einkaufen. Die Herausforderung dabei ist allerdings, die Verbraucher über die Inhalte der Biosiegel aufzuklären, um die Wertigkeit der Produkte zu erhalten.

Bei der nächsten Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wünscht sich die Branche eine weiterentwickelte Ökoförderung. Zudem eine stärkere Unterstützung mittelständischer Verarbeiter und Vermarkter. Außerdem sollten mehr Mittel in die Beratung sowie Verbraucheraufklärung und -bildung fließen.

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