Interview

Wie trocken sind die Böden?

Bereits das zweite Jahr in Folge hat die Natur mit ungewöhnlicher Trockenheit zu kämpfen. Vergleichbar sind die Jahre 2018 und 2019 dennoch nicht. Das sagt Klimaforscher Dr. Andreas Marx vom ­Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) im Interview.

Wochenblatt: Dr. Marx, das UFZ führt einen sogenannten Dürremonitor. Was kann man darunter verstehen?

Dr. Andreas Marx ist Klimaforscher beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). (Bildquelle: A. Künzelmann (UFZ))

Dr. Marx: Der Dürremonitor zeigt den Zustand des Bodens: sowohl bis etwa 1,8 m Tiefe als auch den des Oberbodens bis in 25 cm Tiefe. Wir unterteilen dabei fünf Trockenklassen – von „ungewöhnlich trocken“ bis zu einer „außergewöhnlichen Dürre“.

Ab wann spricht man von einer Dürre?

Für die Auswertung vergleichen wir die aktuellen Bodenfeuchtewerte mit denen aus den Jahren 1951 bis 2015. Die erste Stufe der Dürre, die „moderate Dürre“, ist erreicht, wenn die Werte so niedrig wie in 20 % der Fälle ist. Bis eine Dürre eintritt, bedarf es normalerweise einer relativ langen Phase der Trockenheit. 2018 war dies der Fall – von Februar bis November blieb der Niederschlag unterdurchschnittlich.

Wie hat sich die Dürre im Verlauf der Vegetationsperiode 2019 entwickelt und wie ist sie im Vergleich zum Jahr 2018 zu be­trachten?

Die Ernteerträge waren 2019 wesentlich besser als 2018. Natürlich gab es regionale Unterschiede. 2018 war das denkbar unglücklichste Jahr. Deutschland hatte 2017/2018 einen nassen Winter und noch nasse Böden im Frühjahr. Die Pflanzen brauchten somit keine Energie in das tiefgehende Wurzelwachstum zu investieren. Fehlende Niederschläge führten dann allerdings zu trockenen Böden. So trocken, dass die Pflanzen auch wegen ihres schwachen Wurzelwerks nicht mit der anhaltenden Trockenheit zurechtkamen.

2019 sah das anders aus. Das Jahr begann schon mit Trockenheit. Für die Pflanzen war der trockene Zustand des Bodens weitestgehend „normal“. Sie haben von Beginn an tief gewurzelt, um an mögliche Wasserreserven in tieferen Bodenschichten zu gelangen.

Trotzdem sind sandige Böden und fehlende Niederschläge zu bestimmten Zeiten wie zur Blüte, zum Ährenschieben oder bei der Kornfüllung keine gute Voraussetzung für eine optimale Pflanzenentwicklung und Ernte. Aber generell war der mittlere Niederschlag 2019 bei Böden mit gutem Wasserhaltevermögen ausreichend. Insgesamt gab es 2019 ­bisher mehr Niederschlag als 2018.

Gibt es große regionale Unterschiede?

Ja, die gibt es. Sowohl bei der Niederschlagsverteilung als auch bei der Bodenqualität – diese Kombination hat den Ertrag 2019 maßgeblich bestimmt. Pflanzen auf sandigen Böden mit geringer Wasserhaltekapazität leiden dann mehr.

Wie ist die Situation in Westfalen-Lippe? Ist hier schon „Holland in Not“?

In Westfalen-Lippe, nein. Andere Regionen, wie der Norden und ­Osten Deutschlands, waren deutlich stärker betroffen.

Wann war es das letzte Mal so trocken in Westfalen-Lippe?

1976, 1996 und 2003 waren trockene Jahre. 1976 war es zusätzlich zur Trockenheit sehr heiß. Und das vergangene Jahr hat jeder noch im Kopf. 90 % der ­Fläche lag unter Dürre, Hitzeperioden kamen ebenso dazu.

Bei heißen Temperaturen ist die Verduns­tung höher. Unter 10 °C findet wenig Verdunstung statt. Warme Luft hingegen kann viel Wasser aufnehmen. An heißen ­Tagen können pro m2 bis zu 7 l verdunsten – dies ist die potenzielle Verdunstung. Die tatsächliche Verdunstung im vergangenen Jahr war jedoch geringer, da kein Wasser mehr zur Verdunstung vorhanden war.

Kann der Boden in so einem Zustand überhaupt größere Niederschlagsmengen aufnehmen?

Wenn die Luft sehr trocken ist, und große Wassermengen innerhalb kürzester Zeit in Form von Platzregen fallen, dann sind oft nur 1 bis 2 cm des Bodens nass. Ein großer Teil des Regens verdunstet direkt oder läuft oberflächlich ab. Die Böden können das Wasser so nicht aufnehmen.

Wie viel Niederschlag ist notwendig, damit die Reserven aufgefüllt werden?

Während der Norden und der Osten Deutschlands stark von der Dürre getroffen wurden, hat der südliche Teil verhältnismäßig mehr Glück gehabt. Dort hat sich die Dürre im Unterboden zum Teil schon wieder aufgelöst.

Ein halbes Jahr müsste überdurchschnittlich hoher Niederschlag fallen, damit der ­Boden die Wasser­reserven auffüllen kann. Wie viel Niederschlag genau, ist schwierig zu sagen. Das hängt unter anderem auch von den Bodeneigenschaften ab.

Wie ist der Zustand des Oberbodens und wie hoch ist die nutzbare Feldkapazität?

Der mittlere Niederschlag war für die Vegetation größtenteils ausreichend. In manchen Regionen kam der Niederschlag gerade noch rechtzeitig und der Mais konnte das Wasser für seine Entwicklung nutzen. In anderen Regionen hingegen sind die Erträge wirklich enttäuschend. Da hatte der Mais einfach keine Chance gegen die Trockenheit. Sehr große Sorgen bereiten uns allerdings die Wälder. Viele Flachwurzler haben die anhaltende Dürre nicht überlebt – das hat mich wirklich überrascht.

Die nutzbare Feldkapazität beträgt Ende September trotzdem großflächig weniger als 30 %. Das bedeutet für die Pflanzen Stress.

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