Russland-Geschäfte

Westfleisch: Untreue-Vorwurf gegen Ex-Vorstand

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt wegen des Verdachts der Untreue gegen den ehemaligen Westfleisch-Chef Dr. Giesen und einen weiteren Mitarbeiter. Einen Bericht des WDR bezeichnet das Genossenschaftsunternehmen als "schlichtweg falsch“.

Die Schwerpunktabteilung „Wirtschaftskriminalität“ der Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt gegen den ehemaligen Vorstandssprecher der Westfleisch, Dr. Helfried Giesen, sowie einen weiteren leitenden Mitarbeiter des Konzerns. Beide sollen dafür verantwortlich sein, dass Westfleisch 2014/15 ein Schaden von rund 16 Mio. € durch Russland-Geschäfte entstanden ist.

Anonyme Anzeige erstattet

„Die Beschuldigten sollen sich selbst nicht bereichert haben. Sie sollen jedoch ihre Pflichten nicht hinreichend wahrgenommen haben, das Vermögen ihres Arbeitgebers zu schützen“, sagt Pressesprecher Gerald Rübsam von der Bielefelder Staatsanwaltschaft.

Am Donnerstag dieser Woche wies Rübsam in der WDR-Sendung "Lokalzeit Münster" auf die laufenden Ermittlungen hin. Auslöser sei eine anonyme Anzeige gewesen, die 2017 eingegangen sei.

Export über rumänischen Umweg

Nach Eskalation des Ukraine-Konfliktes und der Wirtschaftssanktionen gegen Russland 2014 soll Westfleisch um seine Fleisch­exporte nach Russland gefürchtet haben. Um Kunden nicht zu verlieren, kaufte Westfleisch laut Rübsam Fleisch in Nord- und Südamerika und ließ es über Rumänien nach Russland liefern. Später jedoch, so der Staatsanwalt, wollten die russischen Geschäftspartnern nicht mehr zahlen. Dadurch sei Westfleisch ein Schaden von rund 16 Mio. € entstanden.

Die Geschäftsführung der Westfleisch habe den horrenden Verlust in ihrer Bilanz geschickt verschleiert, berichtet der WDR. In der Bilanz 2016 musste der Konzern – trotz steigender Schlachtzahlen – erstmals in seiner Geschichte überhaupt einen Verlust von 6 Mio. € ausweisen. In der Folge mussten die Eigentümer der Genossenschaft, die Landwirte, auf die Ausschüttung einer Dividende verzichten.

Musste der "Aufklärer" gehen?

Ende 2015 ging Dr. Helfried Giesen dann mit 65 Jahren in Rente. Laut WDR wollte sein Nachfolger, Christian Leding, die Russland-Geschäfte aufklären. Das aber stieß bei der Konzernspitze angeblich auf wenig Verständnis. Deshalb musste Leding schon nach wenigen Monaten seinen Chefsessel wieder räumen, wird laut WDR hinter vorgehaltener Hand spekuliert.

Im Gespräch mit dem Wochenblatt erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, dass viele Details der damaligen Russland-Geschäfte noch nicht bekannt seien. Das Kriminalkommissariat in Münster sichte derzeit die von Westfleisch zur Verfügung gestellten Unterlagen. Unter anderem wolle man das bereits abgeschlossene Strafverfahren gegen ehemalige Westfleisch-Mitarbeiter in Rumänien auswerten. Dort hat Westfleisch nach den bekannt gewordenen Vorwürfen drei seiner Angestellten fristlos entlassen.

Neue Bombe geplatzt?

Ob es am Ende zu einer Anklage mit Gerichtsverhandlung kommt oder das Ermittlungsverfahren eingestellt wird, ist nach Worten von Rübsam offen. Westfleisch wolle mit den Behörden „voll umfänglich“ kooperieren. Rübsam: „Im Kern müssen wir prüfen: Hätte der damalige Vorstandsvorsitzende den Konzern nicht besser vor den Verlusten schützen müssen?“

Erstaunt und verärgert zeigt sich die Führung der Westfleisch über die derzeitige Berichterstattung (siehe Kasten). Laut Pressesprecher Meinhard Born seien die vom WDR erhobenen Vorwürfe nicht neu, alle Fakten seien seit über einem Jahr bekannt. „Eine neue Bombe ist da gewiß nicht geplatzt.“

Westfleisch: "Unzutreffende Zusammenhänge konstruiert“
Die Westfleisch SCE weist in einer Stellungnahme die im WDR-Bericht erhobenen Vorwürfe zurück. Der Redakteur habe erneut unzutreffende Zusammenhänge konstruiert. So sei die in dem Beitrag mitschwingende Behauptung, dass vermeintliche Zahlungsausfälle aus einem Russlandgeschäft Verluste des Unternehmens in 2015 begründen, "schlichtweg falsch". 2015 seien keine Forderungsverluste aus Russlandgeschäften angefallen. Sie seien bereits 2014 entstanden und wurden in diesem Jahr bilanziert.
Anders als im Beitrag suggeriert, habe Westfleisch den Vorgang bereits umfassend aufgearbeitet. „In den vergangenen Jahren konnten wir mit unterschiedlichen Maßnahmen und juristischen Schritten den durch die Zahlungsausfälle entstandenen Vermögensschaden bereits reduzieren“, erklärt Carsten Schruck, Vorstand der Westfleisch SCE. „Und auch aktuell arbeiten wir daran, ihn weiter zu schmälern.“
Westfleisch weist auch den Vorwurf zurück, die Zahlungsausfälle vertuschen zu wollen. „Über die Zahlungsausfälle hat der Vorstand unverzüglich und ordnungsgemäß insbesondere gegenüber dem Aufsichtsrat Bericht erstattet“, erklärt Aufsichtsratsvorsitzender Josef Lehmenkühler. „Die Mitglieder unserer Genossenschaft wurden auf der Generalversammlung informiert, zudem beinhaltet der Geschäftsbericht 2014 entsprechende Informationen.“
Falsch sei auch die Behauptung, dass ein ehemaliger Vorstand das Unternehmen verlassen musste, da er die Aufklärung zu offensiv vorangetrieben habe. Lehmenkühler: „Der Vorstand ist im September 2016 aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über die künftige operativ-strategische Ausrichtung des Westfleisch-Konzerns aus dem Unternehmen ausgeschieden.“