IPCC-Sonderbericht zur Landnutzung

Weltklimarat fordert dringende Kehrtwende

In seinem neuen Sonderbericht zum Klimawandel fordert der Weltklimarat ein radikales Umsteuern bei Landnutzung und Ernährung. Auch die Land- und Forstwirtschaft müsse umdenken.

Wegen negativer Auswirkungen auf Klima und Umwelt fordert der Weltklimarat (IPCC) eine grundsätzliche Neuausrichtung der globalen Landwirtschaft und eine Reduzierung des Fleischverzehrs. In einem Sonderbericht zu Klimawandel und Landsystemen weisen die Autoren darauf hin, dass die Landwirtschaft weltweit für rund 23% der menschengemachten Treibhausgas-(THG)-Emissionen verantwortlich sei und zugleich in besonderem Maße unter den Folgen des Klimawandels leide. Die Branche sei daher ein zentrales Handlungsfeld von Klimawandelanpassung und Emissionsvermeidung.

Jeder sieht etwas anderes

In Deutschland fand der Bericht ein großes Echo. Bundesumweltministerin Svenja Schulze wertete die anstehende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) als gute Gelegenheit, in Europa Anreize für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft zu setzen. Vom Bundesforschungsministerium kam der Ruf nach Innovationen wie der Züchtung dürreresistenter Pflanzen. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner betonte ihr Engagement für Klimaschutzmaßnahmen auf nationaler Ebene sowie für die Einführung von Mindestumweltstandards in der EU.

Grüne und Linke sowie mehrere Umweltverbände forderten teils drastische Veränderungen in der deutschen Landwirtschaft. Der Deutsche Bauernverband (DBV) unterstrich das Engagement des Berufsstandes beim Klimaschutz und erinnerte daran, dass in Deutschland der Anteil der Landwirtschaft an den Gesamtemissionen im internationalen Vergleich erheblich niedriger sei.

Konsequent klimaschonend

Die an der Erstellung des IPCC-Berichts beteiligten 107 Wissenschaftler aus 53 Ländern warnen davor, dass Bauern infolge des Klimawandels immer öfter unter anderem mit Starkniederschlägen, Überschwemmungen und Dürren zu rechnen hätten. Zu befürchten seien auch eine zunehmende Landdegradation und sich ausbreitende Wüsten, ebenso Nahrungsmittelknappheit und steigende Preise. Beides dürfte die Armut insbesondere in der Dritten Welt erhöhen und die Migration vorantreiben.

Die Antwort auf diese Gefahren könne nicht in einer weiteren Intensivierung der konventionellen Landwirtschaft liegen. Die Autoren plädieren vielmehr für eine nachhaltigere und konsequent klimaschonende Wirtschaftsweise. Dazu werden von ihnen auch die ausgewogene Produktion von Biokraftstoffen, die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und die Aufforstung gezählt.

Das gesamte technische Minderungspotenzial aus Ackerbau und Tierhaltung sowie der Agroforstwirtschaft wird auf 2,3 bis 9,6 Gt CO2-Äquivalent pro Jahr bis 2050 beziffert. Zugleich fordern die Wissenschaftler eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten hin zu mehr pflanzlichen und weniger tierischen Produkten. Dadurch wäre weltweit die Einsparung von 0,7 bis 8 Gt CO2-Äquivalent möglich.

Größte Verursacher von Emissionen speziell aus der Landwirtschaft waren im Jahr 2016 China, Indien, Brasilien und die USA.

Schon aktiv geworden

Julia Klöckner sieht sich durch den Bericht in ihrem Weg bestärkt, „Landwirtschaft, Landnutzung und die Forstwirtschaft noch nachhaltiger zu gestalten“. Das Umsteuern fange nicht erst jetzt an, betonte die Ministerin und verwies auf das Engagement ihres Hauses.

Bereits Anfang Mai habe sie im Klimakabinett zehn konkrete Klimaschutzmaßnahmen für den Ackerbau, die Tierhaltung und die Waldwirtschaft vorgelegt sowie entsprechende Anmeldungen für eine finanzielle Ausstattung über den Klimafonds der Bundesregierung vorgenommen.

Auf EU-Ebene setze sie sich für Mindestumweltstandards ein, an die sich in allen Mitgliedstaaten gehalten werden müsse, berichtete Klöckner. Höhere Umweltleistungen müssten für die Landwirte aber effizient und einfach umsetzbar sein.

Die Agrarsprecherin der Linken, Dr. Kirsten Tackmann, appellierte, „nur das zu produzieren, was wirklich gebraucht wird, und die Ernte regional zu vermarkten“. Daneben würden für eine nachhaltige Landwirtschaft gut ausgebildete und gut bezahlte Fachleute gebraucht. Vom klimapolitischen Sprecher der Linken, Lorenz Gösta Beutin, kam der Ruf nach einem sozial flankierten „Ausstieg aus der Megastall-Tierhaltung“.

Nur 7 statt 23 %

Der Bauernverband wies darauf hin, dass der Anteil der Landwirtschaft an den Gesamtklimagas­emissionen Deutschlands aktuell bei 7 % liege. Und der Bereich Landnutzung und Forst binde jährlich rund 15 Mio. t Kohlendioxid. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied hob außerdem hervor, dass sich der Verband seit Jahren intensiv dem Thema Klimaschutz widme. Der Berufsstand wolle seine Klimaleistungen weiter steigern und über den Ausbau der Bioenergie, den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen und die Kohlendioxidbindung im Bodenhumus noch mehr zum Klimaschutz beitragen.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) warnte, dass die Landwirtschaft die He­rausforderungen nicht allein meistern könne. Neben dem Berufsstand müssten sich auch Ministerien, Parteien und Verbände konstruktiv einbringen. Veränderungen „immer nur abzuwehren, bringt uns ebenso wenig weiter wie die weit verbreitete Haltung, an Bäuerinnen und Bauern immer mehr Forderungen zu stellen und sich dann bei der Finanzierung der Kosten in die Büsche zu schlagen“.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte ein umgehendes Verbot des Imports von Tierfutter wie Soja in Deutschland. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hält es für nötig, den Tierbestand in Deutschland bis 2050 um die Hälfte zu verringern. Der Fokus müsse dabei auf der Schweine- und Geflügelhaltung liegen. Wiederkäuer fräßen nämlich Gras und schützten damit das kohlenstoffbindende Grünland.

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