Bodenmarkt

Warum ist Ackerland so teuer geworden?

Während Baulandpreise im ländlichen Gegenden eher stagnieren oder sich „seitwärts bewegen“, wie das Bankkaufleute nennen, schießen Preise für Ackerland durch die Decke. Nirgendwo sonst in Deutschland ist Ackerland so teuer wie in NRW. Aber warum?

Wer in Gronau, Büren oder Lübbecke wohnt, hat allen Grund sich zu wundern: Während die Baulandpreise stagnieren oder sich „seitwärts bewegen“, wie das Bankkaufleute nennen, schießen Preise für Ackerland durch die Decke. Die Kreise Minden-Lübbecke, Paderborn, Steinfurt, Coesfeld und Borken haben die höchsten Steigerungsraten – und das schon seit gut einem Jahrzehnt. Und: Nirgendwo sonst in Deutschland ist Ackerland so teuer wie in Nordrhein-Westfalen. Warum ist das so?

„Westfalen regional“

Viele (Fach-)Journalisten befassen sich mit dem Phänomen, aber auch Wissenschaftler und Lehrer. Doch welcher Landwirt mag ihnen zuhören im Durcheinander von „Wir-haben-es-satt“-Parolen und Landlust-Nostalgie, von erschütterndem Unwissen und langatmigen Forschungsanalysen?

Dass es anders geht, zeigt das Internetportal „www.westfalen-regional.de“ der Geographischen Kommission für Westfalen, eines Verbundes von Forschern unter dem Dach des Landschaftsverbandes Westfalen- Lippe (LWL). Das Internetportal versammelt Kurzgutachten aus und für Westfalen-Lippe, etwa zu den Themen Politik, Bildung, Kultur und Wirtschaft – und eben auch zur Landwirtschaft. Grundprinzip: Der Text darf zwei DIN-A-4-Seiten nicht überschreiten, und es muss Platz für Schaubilder oder Fotos bleiben.

Preis für westfälische Landeskunde

Dieses Portal hat kürzlich ein faktenreiches Kurzgutachten über die Agrarlandpreise in Westfalen veröffentlicht. Der Geograph und ehemalige Gymnasiallehrer Peter Wittkampf – vor wenigen Tagen erst mit dem LWL-Preis für Westfälische Landeskunde ausgezeichnet – fasst seine Erklärungen so zusammen (hier leicht gekürzt):

  • „Weltweit, aber auch innerhalb Europas und Deutschlands, nehmen die Bemühungen kapitalkräftiger, größtenteils auch außerlandwirtschaftlicher Investoren zu, Agrarland als Kapitalanlage oder Spekulationsobjekt zu erwerben. Dies ist gerade in Zeiten niedriger Bankzinsen und weltweit größerer Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten verständlich, führt jedoch angesichts des nicht vermehrbaren Gutes ,Boden‘ zu steigenden Preisen.

  • Viele mittelgroße Betriebe sehen langfristige Überlebenschancen nur in der Vergrößerung und Aufstockung, brauchen dazu aber mehr Fläche – wegen der Futtermittelproduktion, aber auch, um die größeren Güllemengen ausbringen zu können.

  • Vor allem im westlichen Münsterland stieg – zumindest bis zu den Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2012 bzw. 2014 – die Anzahl der Biogasanlagen enorm an. In diesen Anlagen wird schwerpunktmäßig nicht nur Gülle, sondern auch Mais eingesetzt. Beides erhöht die Nachfrage nach Fläche.

  • Kaufinteressenten aus den Niederlanden, wo 2012 die Kaufpreise für Agrarland um knapp 53% höher lagen als in NRW, suchen vor allem im grenznahen Raum weitere Flächen.

  • Der Gesamtbestand an Landwirtschaftsfläche wird knapper, weil der Flächenbedarf für andere Nutzungsarten steigt.“

Was kommt auf die Bauern zu?

Der Autor geht auch auf die möglichen Folgen ein. Er erklärt den Lesern des Portals – meist sind es wohl junge Leute an Schulen und Hochschulen:

„Wenn tatsächlich nur die ,großen‘ Betriebe überleben, wird das ,Sterben‘ der kleineren und mittleren Betriebe weitergehen. In Westfalen hat sich die Anzahl der Betriebe unter 50 ha Landwirtschaftsfläche von 1991 bis 2013 ungefähr halbiert, die der Betriebe mit mehr als 100 ha dagegen etwa verdreifacht. Die entsprechenden Tendenzen halten unvermindert an. Wenn Betriebe aufgeben, verkaufen oder verpachten sie ihr Land. Die Kauf- oder Pachtpreise können dann nur noch die kapitalkräftigen Interessenten bezahlen. Allgemeine Erhöhungen – auch der Pachtpreise – sind in Westfalen inzwischen Realität, und zwar auch deshalb, weil angesichts der enorm steigenden Bodenpreise die Bauern ihr eigenes Land kaum noch verkaufen, sondern es als Wertanlage lieber behalten und nur verpachten. Die Summe der veräußerten Gesamtflächen ist von 2010 bis 2013 in einigen westfälischen Kreisen um über 70% zurückgegangen. Dass sich dieser landwirtschaftliche Strukturwandel – wie bei einem Teufelskreis – zukünftig noch beschleunigen wird, muss als wahrscheinlich gelten.“

Unser Eindruck: Hier wird mal nicht sinnfrei auf „die Bauern“ eingedroschen, sondern: Der Autor kümmert sich um die Fakten und Zusammenhänge und klärt Außenstehende nüchtern und erfrischend unideologisch über die Lage in der Landwirtschaft auf. So etwas liest man nicht oft in diesen Tagen. Str.

Der Beitrag zu den Agrarlandpreisen ist hier im Detail nachzulesen:

www.westfalen-regional.de