Das Bild der Veredlungswirtschaft und der Fleischbranche in den Medien aller Art, führt in beiden Branchen zu tiefer Verunsicherung. Davon ist auch der gesamte vor- und nachgelagerte Bereich betroffen. Hubertus Beringmeier, Präsident des WLV und zugleich Vorsitzender des Landesmarktverbandes für Vieh und Fleisch in NRW, beurteilte anlässlich einer Vorstandskonferenz die derzeitige Situation noch schwieriger als in der BSE-Krise vor 20 Jahren. Die Vielzahl unterschiedlicher Themen, mit der die gesamte Veredlungswirtschaft in medialem Dauerfeuer konfrontiert wird, erschwert die sachliche Diskussion.
Schwache Vermarktungsmenge
In Anbetracht der zunehmenden kostenträchtigen Auflagen für die Fleischwirtschaft sieht Beringmeier die Gefahr, dass sich diese Kosten auf die Erzeugerpreise in Deutschland niederschlagen. Denn im europäischen Wettbewerb sind höhere Preise an der Ladentheke nur bei einem europaweit koordinierten Vorgehen durchzusetzen. Danach sieht es derzeit aber nicht aus. Im Gegenteil: Trotz Monatsbeginn – der meist für besseren Fleischabsatz sorgt – bleiben die Vermarktungsmengen schwach. Ein Grund, weshalb die VEZG am letzten Mittwoch den Leitpreis senken musste. Auch an den Preisaufschlägen wird derzeit gekürzt. Denn die jetzt erfolgten Auflagen wie laufende Corona-Tests der Mitarbeiter, Abstandsregeln, regelmäßiger Maskenwechsel kosten selbst in mittelständischen Betrieben Millionen. Die der Verbraucher natürlich nicht bezahlt – sondern sich an den aktuellen Rabattaktionen erfreut.
Eingeschränkte Schlachtung
Als akut größtes Problem sieht Beringmeier die durch die Corona-Maßnahmen eingeschränkten Schlachtkapazitäten. Durch die Schließung des Schlachtbetriebes in Rheda kann etwa die Hälfte der dortigen Wochenschlachtung – rund 70.000 Schweine nicht vermarktet werden.
Die Ausweichmöglichkeiten sind begrenzt. Selbst in von Corona nicht betroffenen Schlachtbetrieben werden die Schlachtzahlen für Schwein und Rind gesenkt. Denn auch die ausländischen Arbeitnehmer wollen für den Sommerurlaub in ihre Heimatländer; viele suchen sich jetzt auch andere Jobs.
Umrüstungen konstruktiv begleiten
Die aktuelle Feststellung, wonach die Lüftungs- und Kühlsysteme in den Zerlegeräumen die Ausbreitung des Coronavirus begünstigten, sollte dazu beitragen, die Diskussion um schlechte Arbeitsbedingungen und Werkverträge zu versachlichen. Denn derartige Umluftsysteme – mit sehr unterschiedlicher Technik je nach Betrieb und Alter - sind in vielen Bereichen eingebaut. Beringmeier forderte die Politik wie die Genehmigungsbehörden auf, die bereits angelaufenen Umrüstungen in den Zerlegebetrieben konstruktiv zu begleiten. Denn hier wird man jetzt die Erfahrungen sammeln müssen, die für die zukünftigen Anpassungen in anderen Wirtschaftsbereichen – vom Vereinssaal bis zur Fabrikhalle – benötigt werden. Jegliche technische Änderungen können aber nur in ein umfassendes Hygienekonzept mit weiteren Maßnahmen des jeweiligen Schlachtbetriebes eingebettet werden. Die Hoffnung auf Lösungen durch Einzelmaßnahmen kann auch sehr schnell trügen.
Hochfahren der Produktion dauert
Wenn zum Beispiel das Unternehmen Tönnies in Rheda-Wiedenbrück den Schlachtbetrieb wieder aufnimmt, dürfte es etliche Wochen dauern, bis die dortigen Schlachtzahlen wieder annähernd das frühere Niveau erreichen. Als Vorsitzender des Landesmarktverbandes NRW für Vieh und Fleisch dankte Beringmeier sowohl den Schlachtunternehmen als auch den Genossenschaften, Erzeugergemeinschaften und Viehkaufleuten, die weite Entfernungen auf sich nehmen, um jede Vermarktungsmöglichkeit zu nutzen.
Beringmeier betonte, dass Ehren- wie Hauptamt des Deutschen Bauernverbandes sowie seiner Landesverbände praktisch rund um die Uhr in den jetzt aktuellen Fragen seitens der Politik und den Medien gefordert werden. Der Präsident appellierte an die Geschlossenheit des Berufsstandes und bat darum, dass jeder Landwirt im Rahmen seiner Möglichkeiten in den Medien Position bezieht.
Schweine schlapper füttern
Nach derzeitigen Informationen könnte der Schlachtbetrieb in Rheda noch bis Mitte Juli gesperrt bleiben. Der zunehmende Überhang an Schlachtschweinen ist nicht mehr zeitgerecht zu vermarkten. Darauf sollten sich betroffene Schweinemäster einstellen. Denn selbst bei Wiedereröffnung wird mit geringen Schlachtzahlen begonnen. Verschiedene Futtermittelhersteller bieten „Diätmischungen“ an, die man einsetzen kann. Denn einfach die Rationen kürzen – das geht nur begrenzt und birgt die Gefahr des Kannibalismus. Eine Situation wie in Italien, wo nach fast 8 Wochen Stillstand der Schlachtbänder jetzt Schweine mit 200 kg Lebendgewicht an die Haken gehen, ist unbedingt zu vermeiden. Die Beratung der Landwirtschaftskammer, der Erzeugerringe und der Mischfutterhersteller stehen für eventuelle Fragen zur Verfügung.
Mehr zum Thema: