Unternehmertag in Oldenburg: Ein Werte-bewusster Bauer

Welche Ernährungstrends sind von Dauer und bieten den Landwirten Chancen? Und wie gelingt es, die Wünsche der Bevölkerung zu erfüllen? Darüber tauschten sich 700 Besucher auf dem Unternehmertag in Oldenburg aus.

Konsumveränderung kann für die Landwirtschaft auch immer eine Chance bieten. Wer fit für die Zukunft werden möchte, der muss seine Erzeugung nach Aussagen von DLG-Präsident ­Hubertus Paetow an den globalen Nachhaltigkeitszielen messen lassen. Deren Bedeutung nehme für die Produktion immer mehr zu.

Wie sich die Landwirtschaft ausrichte, hänge aber nicht zuletzt von den Ernährungsgewohnheiten der Menschen ab. Bisweilen sind vermeintliche Trends jedoch weit weniger stark verbreitet, als uns von den Medien glaubhaft gemacht wird, meint Paetow. Als Beispiel führte er den Verzehr von Bioprodukten an. Der Anteil sei in den vergangenen zwei Jahren nur geringfügig angestiegen. „Die Entwicklung ist alles andere als ­stürmisch“, sagte er. Bio wachse wesentlich langsamer, als es wünschenswert sei im Hinblick auf ­eine zunehmende Zahl umstellungswilliger Landwirte.

Protein-Trend birgt Chancen

Als soliden Trend hingegen sieht er die proteinreiche Ernährung an. Hier könnten Landwirte beispielsweise durch den Anbau von Ackerbohnen profitieren. Deren Weiterverarbeitung müsse dann mit einer Geschichte verbunden werden. Deutlich machte Paetow auch, dass die Ernährung der Tiere Fläche kostet. Verzichten die Menschen auf einen Teil tierischer ­Produkte zugunsten von Getreide, so könne die für die Ernährung benötigte Fläche Studien zufolge um ein Drittel reduziert werden. So veränderte Ernährungsgewohnheiten könnten zur Ernährungs­sicherung einer wachsenden Weltbevölkerung beitragen.

Der Trend zur Herstellung von synthetischen Fleischersatzprodukten sei kein Grund zur Sorge, so Paetow. Auch dafür müssten primäre pflanzliche Rohstoffe angebaut werden. Damit bleiben Landwirte ein Teil der Erzeugungskette.

Vorsicht bei Bildern vom Tier

Wie es um die Tierwohl-Debatte und das Verständnis für Landwirtschaft bestellt ist, analysierte Dr. Christian Dürnberger aus Wien. Der Mitarbeiter des Messerli-Forschungsinstitutes an der Veterinärmedizinischen Fakultät beschäftigt sich mit der Ethik der Mensch- Tier-Beziehung.

Die Tierwohl-Debatte ist seiner Ansicht nach keine dekadente Luxusdebatte. „Man muss sie führen und neu über den moralischen Status der Tiere nachdenken“, sagte er. An diesem Thema zeige sich, wie fremd die Landwirtschaft den Menschen geworden ist. Als Beispiel führte Dürnberger ein Foto von liegenden Tieren an. Während der Landwirt dies als positives Bild eines ruhenden Tieres ansieht, meint ein Großteil der Verbraucher hier ein krankes Tier zu erkennen. Fazit: „Man kann die Menschen mit Bildern aus der Landwirtschaft nicht mehr allein lassen“, so Dürnberger.

Umfragen zum Thema Tierwohl erachtet Dürnberger als sinnlos. „Inzwischen weiß der dümmste Bürger, was die sozial erwünschte Antwort auf entsprechende Fragen ist“, urteilte er. Stattdessen sei eine Dokumentation des Einkaufsverhaltens über 30 Tage sinnvoller.

Dem zunehmenden Hightech auf den Bauernhöfen steht die Romantisierung der Landwirtschaft gegenüber. Jede Veränderung werde vom Verbraucher daher als eine Verschlechterung wahrgenommen, sagte Dürnberger. Weil der Verbraucher wenig Kenntnis von der Erzeugung hat, kann er nur miss- oder vertrauen.

Tierhaltung rechtfertigen?

Um das Vertrauen der Verbraucher zu gewinnen, hält es Dürnberger für wichtig, Mut zur Selbstkritik aufzubringen. So gewinne man mehr Gehör, Sympathie und Verständnis. Ein fortschrittlicher Landwirte zeichnet sich für ihn dadurch aus, dass er nicht nur etwas produziert, sondern auch Werte-bewusst handelt. Die bisweilen daraus resultierenden Zielkonflikte gelte es zu reflektieren und zu kommunizieren. „Wer Tiere hält, sollte eine Antwort darauf geben können, warum das moralisch vertretbar ist“, gab Dürnberger den Besuchern mit auf den Weg.

Der Lebensmittelchemiker und Wissenschaftsjournalist Udo Pollmer brach in seinem Vortrag eine Lanze für den Fleischverzehr. „Sie können tierisches Eiweiß nicht durch pflanzliches ersetzen“, sagte er. Auch die von Veganern angeführten Nachhaltigkeitsbilanzen seien „reiner Voodoo“. Laborfleisch ist für Pollmer aufgrund des erforderlichen Einsatzes von fetalem Kälberserum ethisch bedenklich. Für das Wachstum der Zellen sind weitere tierische Produkte nötig. Pollmer fand deut­liche Worte: „Sie geben Steaks hinein, um damit Hamburgerpattys herauszubekommen.“

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