Landwirtschaft und Umwelt

Corona: Sinken zur Zeit die Methan-Emissionen?

"Die Corona-Krise sorgt für sinkende Methan-Emissionen. Also kann die Landwirtschaft nicht Hauptursache für den Eintrag des Klimagases sein." Diese These geht derzeit auf dem Land durch WhatsApp-Gruppen und soziale Medien. Aber stimmt das überhaupt?

In verschiedenen WhatsApp-Gruppen tauchen derzeit Texte wie diese auf: Aufgrund der Corona-Krise verbessert sich in weiten Teilen der Welt die Luft- und Wasser­qualität. Die Methanwerte sinken. Und das, obwohl die Tierzahlen in der Landwirtschaft gleich geblieben sind. Daraus zieht der Autor den Schluss, dass die Landwirtschaft gar nicht so sehr wie immer behauptet an den klimaschädlichen Methan-Emissionen beteiligt ist. Stimmt das?

Keinen Hinweis auf sinkende Methan-Emissionen

Weltweit, erklärt Ute Dauert, ­Meteorologin und Leiterin des Fachgebietes „Beurteilung der Luftqualität“ beim Umweltbundesamt, sind die Hauptquellen für Methan-Emissionen Feuchtgebiete und Sümpfe, aber auch der ­Reisanbau und die Viehhaltung. Darüberhinaus wird Methan (CH4) bei der Förderung und Beförderung von Kohle, Erdgas und Erdöl freigesetzt – auf diese Bereiche ­hatte die Corona-Krise bisher aber keinen Einfluss. „In Deutschland stammen rund 60 % der CH4-Emissionen aus der Landwirtschaft“, sagt Dauert. Große Quellen sind zudem Deponien und Klärwerke. Industrieprozesse und der Verkehr haben in Deutschland dagegen nur einen Anteil von weniger als 5 % an den CH4-Emissionen.

„Es gibt also keinen erkennbaren Grund, warum die Methan-­Emissionen in Deutschland in den vergangenen drei Wochen spürbar gesunken sein sollten“, sagt sie und fährt fort: „Uns sind keine belegbaren Literaturquellen oder Studien bekannt, die die Behaup­tung stützen, dass die CH4-Emissionen aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-­Krise gesunken sind.“

Wetterdienst: Methan ist sehr langlebig

Diesen Aussagen schließt sich Dr. Christian Plaß-Dülmer vom Deutschen Wetterdienst an. Der Leiter des deutschen Atmosphärenprogramms (ICOS-D) arbeitet am Observatorium Hohenpeißenberg in Bayern und ist seit Jahren daran beteiligt, die Konzentrationen von Klimagasen wie Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) in der Atmosphäre zu messen und die Ergebnisse auszuwerten. „Es überrascht mich sehr, dass die Methan-Konzentration in der Atmosphäre aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Krise ­gesunken sein soll“, sagt er und nennt zwei weitere Gründe:

  • Methan ist ein langlebiges Gas, das in der Atmosphäre im Schnitt erst nach zehn Jahren abgebaut wird. Änderungen der Emissionsmengen über wenige Wochen haben deshalb kaum oder eher keine sichtbaren Auswirkungen.
  • Kurzfristige Veränderungen der CH4-Konzentration in der Atmosphäre sind ganz normal. Sie sind aber in erster Linie Luftmassen- und damit wetterabhängig. Zum Beispiel erhöht Wind aus Osten die Werte.

Verbesserte Wasserqualität?

Berichte über eine verbesserte Wasserqualität finden sich mehrfach in den Medien. Diese beziehen sich meist auf Venedig. Hier ist das Wasser tatsächlich klarer geworden. Der Grund: Bedingt durch die Corona-Krise kommen keine Touristen mehr in die Stadt. Es herrscht wesentlich weniger Verkehr auf den Kanälen. Die Sedimente, die sonst von den Booten aufgewirbelt werden, bleiben am Boden. Das Wasser wird klar. Über die tatsächliche Wasserqualität sagt das jedoch nichts aus. Mit der Landwirtschaft hat es absolut gar nichts zu tun.

Bessere Luft in Wuhan?

Ein zweiter Blick nach oben: Dass sich die Luft über der Millionenstadt Wuhan (China) zeitgleich zur Corona-Krise verbessert hat, zeigen Satellitenbilder, die die Europäische Weltraumorganisation (ESA) veröffentlicht hat. Die Bilder vergleichen die Stickstoffdioxid (NO2)-Belastung in der Atmosphäre an einzelnen Tagen in 2019 und 2020. Daraus, so Meldungen im Internet, zieht die US-Raumfahrtbehörde NASA den Schluss, dass es Hinweise darauf gebe, "dass die Änderung zumindest teilweise mit der wirtschaftlichen Abkühlung durch den Ausbruch des Coronavirus zusammenhängt“.

Momentaufnahme sagt wenig aus

NO2-Emissionen entstehen in erster Linie bei der Verbrennung von Kraftstoffen und bei der Energieerzeugung. Eine Verminderung aufgrund des Corona-Stillstands ist also denkbar. Dennoch rät Ute Dauert auch an dieser Stelle zur Vorsicht:

„Die Satellitendaten zeigen nur eine Momentauf­nahme mit wenig Aussagekraft“, sagt sie. So gibt es zum Beispiel auch ­Satellitenbilder, die im gleichen Zeitraum eine sehr geringe NO2-­Belastung über Hongkong zeigen. Und das, obwohl es in Hongkong keine Einschränkungen bezüglich Verkehr oder Produktion gegeben hat.

Kommentar: Erst gut prüfen, dann teilen
Im Zuge der Corona-Krise sinken die Methan-Emissionen, obwohl die Tierbestände gleich bleiben. Also wurde die Land­wirtschaft (mal wieder) zu Unrecht als Umwelt­verschmutzer verteufelt, um von den Fehlern der Konsum- und Wegwerfgesellschaft abzulenken. Das ist der Kern verschiedener WhatsApp-Nachrichten, die zurzeit weite Verbreitung finden.
Es lässt sich nachvollziehen, wa­rum viele diese Nachricht teilen. Der gesellschaftliche Druck auf die Landwirtschaft ist groß. Geht es um Umwelt- oder Klimaprobleme, stehen Landwirte immer wieder im Mittelpunkt der Kritik. Oft zu ­Unrecht. Es ist nachvollziehbar, wa­rum manche zu jedem Strohhalm greifen, der bestätigt: So ist es nicht. Wir machen es richtig. Es sind die ­anderen.
Dennoch: Das Verbreiten solcher Nachrichten ist falsch. Der Hauptinhalt ist schlichtweg gelogen. Es gibt keine sinkenden Methanemissionen, die durch corona­bedingte Produktions- und Verkehrseinschränkungen begründet sind. Also gibt es auch keine ­Beweise dafür, dass der Landwirtschaft etwas in die Schuhe geschoben werden soll.
WhatsApp-Nachrichten wie diese sprechen das Gefühl an, sind schnell gelesen und noch schneller weitergeleitet. Trotzdem sollte immer gelten: Erst gut prüfen, dann teilen. Katja Stückemann