Tönnies dreht an den kleinen Schrauben

Ungewohnt zahm eröffnete Clemens Tönnies die Jahrespressekonferenz in Rheda. „Die Zeiten des überdimensionalen Wachstums sind vorbei“, kündigte der Inhaber des größten Schlachtkonzerns in Deutschland an.

Ungewöhnliche Worte für einen Konzernlenker, der die Schweineschlachtungen innerhalb der letzten sechs Jahre von 11 Mio. auf 20,4 Mio. Stück jährlich fast verdoppelt und die Rinderschlachtungen auf 424.000 Stück neu aufgebaut hat. Doch im Jahr 2016 hat sich das Wachstum auf ein Plus von 400.000 Schweineschlachtungen „abgeflacht“. Der letzte große Wachstumsschritt war die Übernahme der dänischen Tican im Jahr 2015 - ein kluger Schachzug.

Denn Tican bietet als etablierte Marke einen hervorragenden Marktzugang nach Asien, zudem auch zu den Märkten in Australien und Großbritannien. Durch den Zusammenschluss mit dem Schlachthof in dänischen Brorup, wo Tönnies schon seit über zehn Jahren schlachtet und zerlegt, konnte er auf einen Schlag die Kapazitäten auf knapp 4 Mio. Schweineschlachtungen verdoppeln.

Schwerpunkt Export

Das passt zum Unternehmenskonzept der Internationalisierung. Rund die Hälfte der Ware wird mengenmäßig exportiert. Durch Kauf oder Beteiligung an Firmen in Frankreich, Spanien, England, Polen versucht Tönnies, einen besseren Marktzugang zu bekommen. In Rußland wird gerade die vierzehnte Schweineanlage gebaut. „Damit hat unsere Eigenproduktion eine Größe erreicht, die ein eigenes Fleischwerk rechtfertigt“, erklärte Tönnies.

Nur in China läuft es seit der Exportsperre vor gut einem Monat nicht. Rund 1500 Fleischcontainer mussten auf andere Märkte umgelenkt werden. „Wir sind in intensiven Gesprächen mit den Behörden und guter Hoffnung, dass die Sperre in zwei Wochen wieder aufgehoben wird“, bekräftigte Clemens Tönnies.

Tönnies setzt auf grüne Energiequellen

Anstelle des Mengenwachstums setzt das Unternehmen die Schwerpunkte auf Qualitätsförderung von Schweinefleisch, Vorantreiben der Automatisierung, Verbesserung des Energie- und Wassermanagements. Wobei das Drehen an den „kleinen“ Schrauben bei einem Konzern mit einem Jahresumsatz von 6,35 Mrd. € ganz andere Dimensionen annimmt.

So wird in Rheda mit Hilfe von drei gasgetriebenen Blockheizkraftwerken à 2,7 Megawatt ein Drittel des Strom selbst erzeugt – das waren 50 Mio. kWh im Jahr 2016. Die Wärme wird durch eine spezielle Absorbertechnik genutzt, um Kälte zu produzieren. „Wir analysieren jede einzelne Verbrauchsquelle“, skizzierte Josef Tillmann das Vorgehen. So konnte durch Modernisierung des Antriebs der Verdunstungskondensatoren der Energieverbrauch auf ein Drittel reduziert werden. In Sögel sind die BHKWs seit Anfang 2017 in Betrieb. Die übrigen Schlachtstandorte sollen folgen.

Um die anfallende Wärme kontinuierlich zur Kühlung nutzen zu können, hat Tönnies in ein neuartiges 4-Phasen-Kühlsystem investiert, das die Temperaturen langsam herunterfährt. Mit dem positiven Nebeneffekt, dass das Schweinefleisch langsam reifen kann. Davon versprechen sich die Verantwortlichen große Vorteile bei Schmackhaftigkeit und Safthaltevermögen.
Für die Landwirte hatte Clemens Tönnies eine positive Botschaft: „Der Fleischbedarf steigt weltweit. 2017 wird ein gutes Jahr für Schweinehalter.“ sb