Strohwohl-Schwein: Von der Aufzucht bis zum Vertrieb

Ohne Bio, aber mit Auslauf und Stroh – das Strohwohl-Schwein der Rewe-­Märkte ist eine kleine, aber feine Marke, die sich auch für die beteiligten Landwirte lohnt. Wir stellen die Akteure und ihr Erfolgsrezept vor.

Ringelschwanz, Spielzeug, mehr Platz – all das reicht nicht, damit Laien auf den ersten Blick mehr Tierwohl in der Schweinehaltung auffällt. Erst Stroh öffnet die Augen – und als Folge auch das Portemonnaie des Kunden.

Doch müssen alle Glieder der Kette zusammenarbeiten, um die Marke glaubwürdig rüberzubringen. Beim Strohwohl-Programm der Handelskette Rewe arbeiten alle Beteiligten Hand in Hand: Die Ferkel stammen vom Sauenbetrieb Spellerberg aus Bad Sassendorf. Gemästet werden sie bei Familie Albersmeier im benachbarten Lippetal. Transport, Schlachtung und Zerlegung übernimmt die Westfleisch am Standort Hamm. Und verkauft wird das Fleisch in rund 60 Filialen der Supermarktkette Rewe, vorwiegend im Rheinland. Wir stellen die einzelnen Akteure vor.

Mast: Frischer Wind im Altbau

Lass die Sau raus! Dieses Motto nahmen Klaus und Marianne Albersmeier wörtlich, als sie Mitte 2018 ihre konventionelle Schweinemast umkrempelten. Sie brachen Löcher in die Wände, betonierten Spaltenboden zu festen Liegeflächen, warfen Zwischenwände und Buchtentore raus und verwandelten die Hoffläche in einen Auslauf für Schweine. Damit reduzierten sie auf dem Hof die bislang 4200 Mastplätze auf 3500. Zudem gaben sie drei Außenställe mit rund 1000 konventionellen Mastplätzen auf.

Auslöser für ihr radikales Umdenken war vor allem das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats zur Tierhaltung. „Dass die jetzige Schweinehaltung als nicht zukunftsfähig eingestuft wurde, hat uns geschockt“, erinnert sich Klaus Albersmeier. Doch welche Alternative gab es? Bioschweine? „Aber wer hätte uns 5000 Bioferkel liefern können?“, erkannten sie direkt die Schwachstelle.

Vertrag über fünf Jahre

Als Glücksfall erwies sich, dass sie während der Teilnahme am NRW-Ringelschwanzprojekt erste Kontakte zur Handelsgruppe Rewe geknüpft hatten. Rewe suchte ein Leuchtturm-Projekt, das über den Ringelschwanz hinausging. Dafür war der Handelsriese bereit, finanziell mit ins Risiko zu gehen. Die beiden Partner schlossen einen fünfjährigen Vertrag, der Familie Albersmeier Abnahme- und Preissicherheit garantiert.

Die Details sind Betriebsgeheimnis. Doch verrät das Ehepaar Eckdaten. Ein Bonus auf die VEZG-Notierung deckt die Mehrkosten ab. Zusätzlich wird das Marktrisiko durch einen Mindestpreis abgepuffert. Es gilt ein Festpreis ohne Klassifizierung, aber mit Über- und Untergewichtsabzügen.

Jeden Montag und Donnerstag werden 65 bis 75 Schweine abgeholt. Außergewöhnlich ist das hohe Endgewicht von 150 kg. Das macht etwa 7500 Schlachtschweine jährlich – genau passend zur Sauenzahl des Ferkelerzeugers.

Der Landwirt kalkuliert mit Kosten von 1,5 Mio. € für Umbau und Produktionsausfall. Allein die Befestigung der Hoffläche schlug mit 180.000 € zu Buche, die Baugenehmigung mit 80.000 €. Ein Mistlager von 600 m² musste betoniert werden. Für die doppelte Einfriedung waren 1 km Zaun notwendig. Ein Blitzableiter kostete 40.000 € extra. Zwei Teleskoplader und zwei Hoftracs wurden angeschafft, um in den engen Altgebäuden die Entmistung zu mechanisieren.Trotzdem bleibt eine Menge Mehrarbeit, für die der Betrieb personell aufstocken musste. Für 100 ha Acker plus 25 ha Grünland und Vertragsnaturschutz sowie die 3500 Strohschweine ist das Ehepaar Albersmeier selbst voll im Einsatz. Zudem haben sie vier Mitarbeiter und einen Auszubildenden eingestellt. „Allein an Lohnkosten summiert sich das auf 25 € pro Schwein“, hat Klaus Albersmeier ausgerechnet.

Dass Albersmeiers ihren Umbauantrag schon vor den Verhandlungen mit Rewe gestellt hatten, sparte viel Anlaufzeit. Schon Ende 2018 konnten sie starten. Im Frühjahr 2019 wurden die ersten Strohwohl-Schweine verkauft.

Umbau in Eigenregie

Parallel musste der Umbau gewuppt werden. Da sich in der Boomphase kein Bauunternehmer fand, stellte das Ehepaar Flüchtlinge ein. Unter der Regie von Klaus Albersmeier nahmen sie Stall für Stall in Angriff.

Auch neben dem Umbau war genug zu tun. Einstreuen und Ausmisten bilden einen Arbeitsschwerpunkt. Die Schweine brauchen jährlich 3000 Großballen guter Qualität. Bei den trockenen Sommern der beiden letzten Jahre kein Problem. Damit feuchtes Wetter die Leistung nicht verdirbt, haben Albersmeiers von Beginn...