Interview

Stahl: Verpflichtende Programme zur Milchmengenreduktion funktionieren nicht

Der MIV-Vorstandsvorsitzende Peter Stahl über Programmen zur Milchmengenreduktion im Krisenfall und den Stand beim Aufbau einer Branchenkommunikation Milch.

Wie sieht aktuell die Lage in den Molkereibetrieben aus? Gibt es Produktionseinschränkungen durch einen verschärften Infektionsschutz am Arbeitsplatz oder fehlende Mitarbeiter? Wo liegen die größten Probleme?

Stahl: Die Molkereien mit ihren Mitarbeitern und Milcherzeugern sind systemrelevant. Wir haben es gemeinsam mit großen Anstrengungen geschafft, die Bevölkerung auch in Zeiten von „Hamsterkäufen“ mit Milch und Milcherzeugnissen zu versorgen - ein wichtiger Beitrag zur Beruhigung der angespannten Situation. Das Thema „verschärfter Infektionsschutz“ trifft grundsätzlich die gesamte Wirtschaft. Strenge Hygienemaßnahmen waren auch vor Corona in unserer Branche selbstverständlich. Auch wir hatten teilweise Engpässe bei Hygieneartikeln, konnten in den Werken aber immer wieder Lösungen zur Sicherstellung der „Supply Chain“ finden. Am Anfang der Krise hatten wir tatsächlich Ausfälle beim Personal. Zeitweise hatten wir dann das „Pendlerproblem“, vor allem an den Grenzen zu Polen und Tschechien. Mit sinkenden Infektionszahlen und der Rücknahme von Beschränkungen entspannt sich die Lage zunehmend, mit Ausnahme einiger regionaler Hot Spots.

Welche Auswirkungen sind bei den Ausfuhren auf den Binnenmarkt und die Drittlandsmärkte zu verzeichnen? Gibt es Erholungstendenzen?

Zunächst stockten die Märkte in Südeuropa und China. China hat sich wieder beruhigt, wenn auch die Containerkosten enorm gestiegen sind. Der Absatz Richtung Hotels, Gaststätten und Catering (HoReCa) bleibt grundsätzlich schwierig; davon ist zum Beispiel Italien stark betroffen. Auch der Tourismus in Spanien fällt aus. Exporte in den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) im Binnenmarkt sind dagegen grundsätzlich gut.

Reichen die EU-Beihilfen zur Privaten Lagerhaltung (PLH) aus, um eine Marktkrise abzuwenden? Welche weiteren Maßnahmen würden Sie sich wünschen?

Ob die Beihilfe reicht, hängt vom weiteren Verlauf der Pandemie und der Einschränkungen ab. Zumindest ist die Maßnahme schnell wirksam - alle anderen Programme dauern länger, da kann der Markt schon wieder drehen.

Die Preise für Magermilchpulver haben in den vergangenen Wochen stark nachgegeben. Im April lagen sie allerdings immer noch auf dem höchsten Niveau seit fünf Jahren für diesen Monat. Auch die Schnittkäsepreise lagen auf einem gut durchschnittlichen Niveau. Sind vor diesem Hintergrund Beihilfen für die PLH aus Steuermitteln zu rechtfertigen?

Ich denke schon! Brüssel gibt an Beihilfen für die Private Lagerhaltung gerade mal 30 Mio Euro aus; bei jährlich 150 Mrd kg Milch in Europa ist das ein sehr überschaubarer Einsatz mit 0,02 Cent/kg Anlieferung. Und die Verantwortung für die Bestände bleibt bei der Milchwirtschaft, im Gegensatz zu Interventionskäufen der Europäischen Union.

Warum ist die Molkereibranche so skeptisch gegenüber einer freiwilligen oder obligatorischen Milchmengenreduzierung auf EU-Ebene im Krisenfall?

Wir sind nicht gegen eine freiwillige Mengenbegrenzung. Viele meiner Molkereikollegen haben dazu aufgerufen. Und wenn Brüssel ein solches Programm auf freiwilliger Basis anbieten würde, läge das in der Entscheidung der Landwirte. Wir sind aber gegen verpflichtende Programme. Das funktioniert nicht! Eine Quote-light wird es nicht geben. Das gehört in die Verantwortung der Molkereien mit ihren Landwirten. An den Lieferbeziehungen ist schon viel geändert worden, wie gerade erst Prof. Holger Thiele vom Institut für Ernährungswirtschaft (ife) in Kiel bestätigt hat. Eines muss uns allen klar sein: Es gibt kein Politikelement, das die Folgen dieser Pandemie...