Der erste Schnitt auf dem Grünland und beim Feldfutterbau steht an. Wie jedes Jahr fällt er mit der Setzzeit von Rehkitzen zusammen. Niemand möchte, dass Kitze bei der Mahd zu Schaden kommen. Deshalb gilt: Rechtzeitig Gedanken machen zu den passenden Rettungsmaßnahmen.
Kein Patentrezept
Meistens ist der Fokus auf die Rehkitze gerichtet, daneben gibt es aber weitere Tiere, die bei der Mahd verletzt oder getötet werden können. Dazu gehören Igel, Feldhase, Fuchs, Insekten, Amphibien und die Gelege bodenbrütender Vögel. Durch aufmerksame Bestandskontrollen sowie die laufende Kontaktpflege zwischen Bewirtschaftern, Jägern, Imkern und Anliegern kann die Gefährdung der Tiere auf der jeweiligen Fläche eingeschätzt werden.
Wurden bereits Wildtiere auf der Fläche gesehen oder im vergangenen Jahr ausgemäht, ist von einer hohen Gefährdung auszugehen. Die Wahl der Rettungsmethode ist von der Tierart abhängig.
Bei der Wildtierrettung gibt es kein Patentrezept. Es ist daher immer im Einzelfall anhand örtlicher Gegebenheiten vom Landwirt zu entscheiden, welche Rettungsmaßnahme die größte Aussicht auf Erfolg hat. Dabei lohnt es sich, neue Techniken wie die Wildtierrettung mittels Drohne und Wärmebildkamera auszuprobieren.
Maßnahmen zur Rettung
Um Rehkitze und weitere Wildtiere vor dem Mähtod zu schützen, können diese abgelenkt, vergrämt, vertrieben oder vermieden werden:
- Die Ablenkung der Wildtiere durch gezielt angelegte Wildäcker und -wiesen ist wenig erforscht. Auch ist nicht bekannt, welche Bestände in der Flur für das Setzen der Kitze und ihren Ablageort bevorzugt werden. Trotzdem kann es ein Weg sein, Kitze von der zu mähenden Fläche fernzuhalten.
- Ziel des Vergrämens ist, das Wild zu stören, damit die Ricken ihre Kitze von der Fläche holen. Ricken gewöhnen sich schnell an Veränderungen, deshalb darf eine Vergrämungsmaßnahme nur ein bis höchstens zwei Tage vor der Mahd erfolgen. Der Landwirt kann zum Beispiel mit einem Hund durch den Bestand gehen. Die Geruchsspuren des Hundes führen zum Vergrämungseffekt.
- Scheuchen vergrämen Wild mit Geruch, Tönen oder Blinklicht. Nicht minder wirksam ist die selbst gebaute Scheuche aus einem Pfosten mit raschelndem Müllsack.
- Das Anmähen der Ränder des Grünlands zeigt ebenfalls vergrämende Wirkung.
- Eine weitere, aber direkt während der Mahd einzusetzende Vergrämungsmaßnahme ist der akustische Wildretter am Mähwerk. Wildtiere werden vom lauten Ton vertrieben. Das ist umso wirksamer, je langsamer der Fahrer beim Mähen unterwegs (<8 bis 9 km/h) und je geringer die Arbeitsbreite des Mähwerks ist.
- Durch Anpassen des Schnittzeitpunktes können Wildtiere ebenfalls gerettet werden. In kurzen Beständen, wie bei der Mahd in Bierflaschenhöhe zum optimalen Schnittzeitpunkt für hochwertige Silagen, sind selten Kitze. Bei einem sehr frühen ersten Schnitt und einem sehr späten zweiten Schnitt kann die Setzzeit komplett ausgespart werden. Liegen zwischen den Schnitten sieben bis acht Wochen, können die Küken der Bodenbrüter schlüpfen und flüchten. Der sparsame Einsatz des Aufbereiters sowie das Mähen vor oder nach dem täglichen Bienenflug schont Insekten. Amphibien, die vom dritten Schnitt an betroffen sind, überleben besser bei einem höheren Schnitt (>10 cm Schnitthöhe).
- Mahdtechniken wie das langsame oder portionsweise Mähen setzen auf Vergrämen und Vermeiden. Die stehen gelassenen Bereiche dienen den Tieren als Rückzugsort. Von außen nach innen darf nicht mehr gemäht werden. Lösungen wie von einer Seite zur anderen oder von der Mitte zu den Seiten zu mähen sind für Landwirte praktikabel und gleichzeitig tierschonend.
- Der Landwirt kann Wildtiere aber auch durch Absuchen aufspüren und bergen. Beim Bergen sollte er möglichst Handschuhe anziehen und das Kitz nicht mit bloßen Händen anfassen.
Entscheidend ist bei allen Maßnahmen mit Suche und Bergung, dass die Mahd unmittelbar im Anschluss folgt, da Wildtiere bei längerem zeitlichen Abstand wieder in den Bestand wechseln. Kleinere Flächen oder Restflächen können im Abstand von 2 bis 4 m (je nach Bestandshöhe und -dichte) von mehreren Personen abgegangen werden, um Rehkitze zu finden.
Verschiedene Wildretter
Seit Längerem ist der tragbare Wildretter mit Infrarotsensoren (Arbeitsbreite 6 m) verfügbar. Er eignet sich ebenfalls für kleinere Flächen und insbesondere für Erosionsschutz- oder Gewässerrandstreifen. Aktuell werden Drohnen mit Wärmebildkamera oft zur Suche verwendet. Wenn die Technik einen Wärmeunterschied zwischen Wildtier und Umgebung detektieren soll, funktioniert das nur früh am Morgen. Je nach Temperatur bei Sonnenaufgang und Bewölkungsgrad können diese Techniken bis 9 Uhr eingesetzt werden.
Die Flächenleistung ist begrenzt: Der tragbare Wildretter kann höchstens 5 ha an einem Morgen schaffen. Bei den Drohnen hängt die Flächenleistung zusätzlich von der Flughöhe, den Flächengrößen, der Anzahl der gefundenen Wildtiere und der Anzahl an Feldwechseln ab. Pro Drohne können täglich zwischen 10 und 20 ha abgesucht werden.
Wildretter im Test
Die Erfolgskennzahlen aus 2019 zu diesen Techniken sind ernüchternd. Bei der Betrachtung der einzelnen gefundenen oder übersehenen Wildtiere schnitt der tragbare Wildretter im Tragebetrieb mit einer Sensitivität von 67 % besser ab als die Yuneec-Drohne mit Wärmebildkamera (57 %), der tragbare Wildtierretter im Einsatz auf einem Quad (40 %) sowie die DJI-Drohne mit Wärmebildkamera (30 %). Wenn der realisierte Wert niedriger ist, wurden nicht alle Tiere in der Fläche gefunden (Zielwert 100 %).
Eine weitere Kennzahl für die Erfolgsrate ist der Vorhersagewert. Er gibt an, wie viele gefundene potenzielle Wildtiere auch tatsächlich Wildtiere waren (Zielwert 100 %). Teilweise wurden Maulwurfshügel oder auch kahle Stellen bzw. verlassene Liegeplätze von Rehkitzen als potenzielles Wildtier erkannt. Der Vorhersagewert lag für den Einsatz des tragbaren Wildretters im Tragebetrieb bei 67 % und beim Einsatz mit Quad und bei der Yuneec-Drohne bei 31 %. Die DJI-Drohne erreichte nur einen Wert von 18 %.
Bei der Betrachtung der bisher dargestellten Erfolgskennzahlen wurden Flächen, auf denen keine Wildtiere waren, nicht einbezogen. Daher wurde mit der Fehlerrate, deren Zielwert bei 0 % liegt, bestimmt, auf wie vielen Flächen die falsche Zahl oder die richtige Zahl an Wildtieren erkannt wurde. Somit können auch Flächen, auf denen kein Tier war, als richtig oder falsch mit einbezogen werden. Dabei erzielte die Yuneec-Drohne die niedrigste Fehlerrate von 14 %, gefolgt von der DJI-Drohne (21 %) und dem tragbaren Wildretter (25 %).
Die Effektivität der verschiedenen Scheuchen und weiteren Vergrämungsmaßnahmen wurde in der Saison 2019 nicht detailliert bewertet. Die Art der Vergrämung (akustisch, optisch oder olfaktorisch [Geruch] bzw. eine Kombination) sollte so gewählt werden, dass sie einen neuen Reiz darstellt. So ist eine akustische Scheuche auf einer Fläche, an der ein hohes Verkehrsaufkommen mit Lärm und Licht während der Tag- und Nachtstunden vorhanden ist, nicht wirksam.
Generell ist zu sagen, dass der Einsatz der verschiedenen Techniken einiges an Erfahrung erfordert. Weiterhin gibt es aktuell kein Verfahren, bei dem alle sich auf einem Feldstück befindlichen Wildtiere vor dem Mähtod gerettet werden können. Die getesteten Techniken zum Suchen eignen sich somit nicht als Standardmaßnahme, die für alle zu mähenden Flächen routinemäßig eingesetzt werden könnte. Dafür ist der Arbeitszeitaufwand pro Hektar, zwischen sechs und 55 Minuten je nach Technik und den bereits genannten Einflussgrößen, kombiniert mit der auf die Morgenstunden beschränkten Einsatzzeit, beim Einsatz moderner Mähtechnik, mit der mehr als 100 ha pro Tag gemäht werden können, zu hoch. Weiterhin sind auch die Kosten für die Durchführung dieser Maßnahmen nicht unerheblich und bewegen sich wiederum je nach Technik und den bereits genannten Einflussgrößen zwischen 10 und 141 €/ha.
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