Rohrweihen stoppen Windpark

Das OVG Münster hebt die Genehmigungen für fünf Windkraftanlagen in Preußisch Oldendorf auf, da keine Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht wurde. Ein neuer Genehmigungsantrag könnte den Verfahrensfehler heilen.

Die Kläger freuten sich im Gerichtssaal, mit Kopfschütteln dagegen reagierten die Vertreter des Kreises Minden-Lübbecke und der Bauherr und Betreiber des Windparkes, Firmeninhaber St.

Am Donnerstag der vergangenen Woche hob das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen für fünf Windenergieanlagen (WEA) in Preußisch-Oldendorf (Gemarkungen Getmold und Schröttinghausen) auf.

Berufung erfolgreich

Gleichzeitig änderte das OVG die Urteile des Verwaltungsgerichtes Minden vom 11. März 2015. Das Verwaltungsgericht hatte die Klagen der vier Nachbarn und des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Landesverband NRW, gegen den Kreis noch im vollen Umfang abgewiesen. Das Brisante an dem Streit: Die fünf Enercon-Anlagen wurden bereits Ende 2014 errichtet. Sie erzeugen seit dieser Zeit, wenn auch zeitweise abgeschaltet, Strom und entlasten unser Klima vom CO2.

Bereits 2009/2010 wollte Investor St. zwei Anlagen in der von der Gemeinde ausgewiesenen Windzone bauen. Danach gab es Streit um den von ihm beantragten Bauvorbescheid. Dennoch bekam St. am 15. Juni 2013 für zwei Anlagen und am 14. August 2013 für weitere drei Enercon-Windräder die Genehmigung. Eine aufwendige und teure Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) hielt der Kreis nicht für erforderlich, die standortbezogene Vorprüfung im Einzelfall reichte.

Dabei ging der Kreis wohl davon aus, dass in den zwei nebeneinanderliegenden Windvorranggebieten keine Windfarm vorlag, weil der Abstand zwischen WEA 2 und 3 zu groß ist (etwa 1250 m). Grundsätzlich gehen Planer und Genehmigungsbehörden heute davon aus, dass erst dann eine Windfarm (Park) vorliegt, wenn der zehnfache Rotordurchmesser beim Abstand der Anlagen untereinander unterschritten wird.

Gleiche Abschaltzeit

Doch auch in der Vorprüfung hatte der Kreis den Artenschutz geprüft. In dem Gebiet sind Weißstörche, Rohrweihen und Fledermäuse zu Hause. Deshalb setzte der Kreis in der Nebenbestimmung zur Baugenehmigung fest, dass die Anlagen nachts bei Windgeschwindigkeiten bis 6 m/sec (Schutz der Fledermäuse) und zum Teil tags (Schutz der brütenden Weißstörche) abzuschalten sind.

Die Untere Naturschutzbehörde des Kreises hatte bei Festlegung der Schutzmaßnahmen die gleichen Abschaltzeiten für die Störche und Rohrweihen festgelegt. Begründung: Beide streng geschützten Vogelarten ziehen im Frühjahr/Frühsommer ihre Jungen groß und fliegen die gleichen Nahrungsräume an (etwa den Großen Dieckfluss).
In der mündlichen Verhandlung rügte der Vorsitzende OVG-Richter, Prof. Dr. Max-Jürgen Seibert, diese Genehmigungspraxis.

Der Kreis sei bei seiner Vorprüfung zu Unrecht zum Ergebnis gelangt, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) mit Öffentlichkeitsbeteiligung nicht erforderlich sei. Das OVG sieht die Rohrweihen nicht ausreichend geschützt. Sie brüten an den Leverner Teichen. Der Kreis hatte festgestellt, dass für sie kein erhöhtes Risiko für eine Kollision mit den Windanlagen besteht, weil Abschaltzeiten bereits zum Schutz der Weißstörche angeordnet waren.

Ein Verfahrensfehler

Dies aber reiche nicht, stellte der Richter fest. Die fünf Anlagen würden ja nur dann abgeschaltet, wenn die in der Nähe gelegenen Storchenhorste im Frühjahr jeweils tatsächlich besetzt würden. Sei dies nicht der Fall, entfalle auch der mit der Abschaltung verbundene (mittelbare) Schutz für die Rohrweihen.

Alle fünf Kläger seien befugt, so das OVG weiter, diesen Verfahrensfehler zu rügen. Die Belange des Artenschutzes gehörten grundsätzlich zum Prüfprogramm einer – hier nur erforderlichen – standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalles, unabhängig davon, ob das Gebiet um die Windenergieanlagen als Vogel- oder Naturschutzgebiet ausgewiesen sei.

Investor St. und Banken haben wahrscheinlich einen zweistelligen Millionenbetrag in den Windpark investiert. Ob der Betreiber die fünf Anlagen abbauen oder nur vorübergehend abschalten muss, diese Frage ließ das Gericht zwar offen. Doch Richter Seibert wies darauf hin, dass der WEA-Betreiber den gerügten Verfahrensfehler in einem zweiten Genehmigungsverfahren heilen könne. Dann jedoch müsse der Kreis gezielte Abschaltungen der Windanlagen zum Schutz der Rohrweihe in den Nebenbestimmungen festlegen.

Wie geht es weiter?

Der Kreis Minden-Lübbecke will zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und dann entscheiden, wie es weitergeht. Die fünf Kläger und deren Anwälte, darunter Thomas Mock aus Königswinter, wollen dagegen den Druck auf den Kreis erhöhen. Sie fordern, dass die fünf Enercon schnell abgebaut werden. Dies war jedenfalls am Ende der Verhandlung von den klagenden Nachbarn zu hören.

Revision gegen das Urteil hat das OVG Münster nicht zugelassen. Dagegen ist eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht möglich (Az. 8 A 870/15 und folgende, VG Minden Az. 11 K 3060/13 und folgende). Armin Asbrand