Den Boden beleben

Regenerative Landwirtschaft

Egal, ob Landwirte konventionell, konservierend oder alternativ wirtschaften, sie benötigen für einen erfolgreichen Ackerbau ein möglichst aktives Bodenleben. Hier setzen die Anhänger der regenerativen Landwirtschaft an.

Der Kreis der Landwirte, die sich intensiv mit der Regenerativen Landwirtschaft beschäftigen, wächst aktuell sehr stark. Die entsprechenden Bodenkurse sind lange ausgebucht, da die ackerbaulichen Probleme mit unbefriedigender Bodenfruchtbarkeit und mangelhafter Ertragsstabilität förmlich nach einer Lösung schreien. Doch wie lässt sich das Bodenleben ohne massive Eingriffe nachhaltig regenerieren?

Ertrag unbefriedigend

Prinzipiell ist es das Ziel aller landwirtschaftlichen Betriebsleiter, nachhaltig zu wirtschaften. Allerdings haben viele Flächen die Selbstregulationskraft hinsichtlich der Wasser- und Nährstoffnachlieferung und Pflanzengesundheit verloren. Das massive Auftreten von „Unkräutern“, Bodenerosion und eine schlechte N-Effizienz sind weitere Symptome. Viele Praktiker wünschen sich mehr Ertragsstabilität, eine Reduktion des Betriebsmitteleinsatzes bzw. der Kosten und möchten gleichzeitig die Fruchtbarkeit ihrer Böden und den Humusgehalt verbessern. Das gelingt mit den bisherigen Anbaupraktiken nicht.

Viele Flächen haben die Selbstregulationskraft hinsichtlich der Wasser- und Nährstoffnachlieferung und Pflanzengesundheit verloren." (Textauszug)

Detaillierte Analyse

Im Bereich der Bodenchemie wird beim regenerativen Anbau im Vergleich zum klassischen Ackerbau eine erweiterte Bodenanalytik genutzt. Neben dem pH-Wert und der Verfügbarkeit von Nährstoffen werden auch die Nährstoff-Verhältnisse und deren Wechselwirkungen zueinander berücksichtigt. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass dem Element Calcium in der erweiterten Bodenanalytik eine hohe Bedeutung zukommt. Calcium ist überaus wichtig für die Bodenfunktionalität und für die Pflanzengesundheit.

Beim regenerativen Anbau wird darauf geachtet, dass die Kulturpflanzenbestände wurzeldominant wachsen. Im herkömmlichen Anbau ist vorwiegend ein sprossdominantes Wachstum festzustellen, das im Hinblick auf Wasser- und Nährstoffeffizienz sowie Pflanzengesundheit deutlich schlechtere Voraussetzungen schafft. Insbesondere in Bezug auf die Pflanzengesundheit ist es vorteilhaft, wenn die Pflanzenbestände nicht zu viel mit mineralischem Nitrat ernährt sind, sondern die Ernährung der Pflanzen Ammonium-betont und vor allem aus organischen N-Verbindungen erfolgt, die mit Kohlenstoff-Gerüsten und Mineralien im Boden von der Biologie verbaut wurden (Nähr­humus).

Lebender Organismus

Die sogenannte „Regenerative Landwirtschaft“ bietet hierfür Lösungsansätze, indem sie den Boden als lebenden Organismus versteht und mit gezielten Maßnahmen die gewünschten Lebensprozesse im Boden in Richtung Bodenfruchtbarkeit und Humusaufbau fördert. Die Regenerative Landwirtschaft zielt darauf ab, den Boden im laufenden Produktionsprozess zu regenerieren. Aus diesem Grund befassen sich zunehmend sowohl konventionell als auch ökologisch wirtschaftende Betriebe mit den in erster Linie aus der Praxis entwickelten regenerativen Maßnahmen.

In Bodenkursen zur Regenerativen Landwirtschaft kommen alle Bodenbewirtschafter zusammen. Acker- und Futterbauern mit Obst- und Gemüsebauern lernen gemeinsam, da die grundsätzlichen Zusammenhänge im Boden und die anzuwendenden Maßnahmen betriebstypübergreifend verwendbar sind und der Erfahrungsaustausch im Thema der Regenerativen Landwirtschaft den eigenen Prozess stark befördert. International hat sich bereits eine große Bewegung in der landwirtschaftlichen Praxis etabliert, insbesondere in den USA, Australien und Neuseeland.

Bodenleben verstehen

Der größte Unterschied zwischen dem klassischen Ackerbau und der Wirtschaftsweise mit regenerativen Methoden liegt darin, dass Betriebsleiter sich die Lebensprozesse im Boden bewusst machen und daraufhin ihre Bewirtschaftung anpassen. Der regenerative Anbau fördert gezielt die Bodenbiologie. Dafür müssen die Einblicke in den Boden vertieft werden, mehr als es bisher bekannt und üblich war. Denn nur so lässt sich feststellen, ob beispielsweise Huminstoff-bildende Prozesse im Boden stattfinden.

Einer der wichtigsten Ansätze zur Regeneration des Bodens ist, dass die lebende Pflanze über Wurzel-Ausscheidungen die Bodenbiologie ernährt und hiermit gleichzeitig Kohlenstoff-(Zucker)- Verbindungen in den Boden gibt, die zu Humus aufgebaut werden können. Wissenschaftliche Studien aus Australien und den USA konnten zeigen, dass dieser sogenannte flüssige Kohlenstoffweg ein Vielfaches an Kohlenstoff in den Boden gibt als Ernterückstände dem Boden zuführen können. Dieser Zusammenhang fördert der regenerative Anbau gezielt, indem winterfeste Zwischenfrüchte sowie Untersaaten und Beisaaten in den Hauptkulturen angebaut werden.

Wurzeln mit starkem Erdbehang fördern die Bodenbiologie und bilden frucht­baren Boden. (Bildquelle: Dr. Dreymann)

Wichtig ist, dass die Pflanzenbestände eine gute Fotosyntheseleistung erbringen und gleichzeitig in der Lage sind, einen Teil der Fotosyntheseprodukte (Zucker) in den Boden abzuleiten.

Um diesen Prozess zu optimieren, prüfen Landwirte im regenerativen Anbau die Pflanzenbestände selbst mithilfe eines Refraktometers (Messung des Brix-Wertes) und ermitteln, ob die Fotosynthese optimal ist und ggf. eine Blattspritzung mit z. B. Komposttee, Calcium und/oder Mikronährstoffen bereits ausreicht oder ob noch eine Laborpflanzenanalyse erfolgen muss.

Das tägliche Tun verändern

Die Regenerative Landwirtschaft liefert kein Rezept, sondern für das Gelingen der Maßnahmen spielt die Historie der Flächen und die Betriebsstruktur eine große Rolle. Die Maßnahmen sollten anfangs nur schrittweise umgesetzt werden, damit Beobachtungen mit alle Sinnen (sehen, riechen, fühlen, schmecken) für den eigenen Werte­rahmen durchgeführt werden können.

Die große Herausforderung für den/die Betriebsleiter/in ist es nicht, die oben beschriebenen Zusammenhänge zu verstehen. Die große Herausforderung ist, sich umzufokussieren bei dem täglichen Tun und die Pflanzenbestände wie bisher nicht nur oberirdisch, sondern auch unterirdisch zu kontrollieren. Neben den entsprechenden Weiterbildungen (Praktikerkurse, Onlinekurse) ist es wichtig, im Austausch mit Berufskollegen die Abläufe für den eigenen Betrieb weiterzuentwickeln.

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