Eins ist klar: Es ist ein schöner Anblick, wenn Schweine draußen in frischem Stroh herumtollen. Nicht nur für Nachbarn oder Spaziergänger, sondern auch für den Landwirt selbst. Aber wie viel Arbeit, Investitionskosten sowie laufende Kosten damit verbunden sind, ist vielen Verbrauchern nicht bewusst. Dementsprechend ist es schwierig, einen Abnehmer zu finden, der bereit ist, für das Mehr an Tierwohl tiefer in die Tasche zu greifen. Wir haben Schweinehalter im Wendland besucht, die sich etwas getraut haben.
Jochen Kulow: Mehr als nur Bio
Jochen Kulow ist überzeugter Biolandwirt. Seit über 35 Jahren hält er Schweine unter Bioland-Richtlinien. Vor zwei Jahren ist er in die Fleischverarbeitung eingestiegen. Das Leben eines Schweines auf dem Eichenhof in Luckau sieht anders aus als das vieler Artgenossen – mehr Platz und Auslauf mit Stroh. Jochen Kulow bewirtschaftet den Betrieb mit 700 ha in dritter Generation. Bereits 1983 hat er auf Biohaltung umgestellt.
Rund 260 Sauen im geschlossenen System machen so viel Arbeit, dass Kulow zehn Mitarbeiter allein für die Schweinehaltung eingestellt hat. Außergewöhnlich sind die vielen Ställe auf der Hofanlage. Die Sauen bekommen vier unterschiedliche Ställe zu Gesicht. Bei den Ferkeln sind es fünf Ställe, bis sie schlachtreif sind.
Einbahnstraße für Sauen
„Die ersten sieben Tage nach der Abferkelung verbringt die Sau mit den Ferkeln in unserem Kreissaal“, erklärt der Betriebsleiter. Dort werden die Sauen im Notfall fixiert, um die Erdrückungsverluste zu minimieren und die Arbeitssicherheit zu gewährleisten. Nach den sieben Tagen stallt Kulow die Würfe in den Säugestall mit 36 Welcon-Buchten von Schauer um. Die Buchten mit 7,5 m2 sind wie eine Einbahnstraße aufgebaut. Damit die Sau an ihr Futter kommt, muss sie erst nach draußen in den Strohauslauf. Dort kotet sie dann häufig ab und der Stall bleibt im Inneren relativ sauber. Aber ganz ohne Ausmisten geht es nicht. Der Mist aus dem Innenbereich wird täglich per Hand in den Auslauf geschoben. Diesen entmistet der Landwirt wiederum einmal wöchentlich mit einem Teleskoplader.
In der 40-tägigen Säugezeit sind allerdings 15 bis 16 % Ferkelverluste die Regel. Im Jahr ziehen so die Sauen auf dem Eichenhof 23 Ferkel auf. Die Ferkelaufzucht findet zunächst in „Hütten“ mit großem Auslauf auf Stroh statt. Anschließend wachsen die Schweine bis 30 kg in einem Pig Port-Außenklimastall weiter.
Für die Mast hat Jochen Kulow letztes Jahr einen neuen Stall mit Auslauf gebaut. Dort bietet er den 800 Schweinen sehr viel Platz – 2,7 m2 pro Tier. Tageszunahmen von 750 g sind erreichbar.
Wurst vom eigenen Schwein
Bis vor zwei Jahren vermarktete Kulow alle Schweine an die Ludwigsluster Fleisch- und Wurstwarenspezialitäten. Geschlachtet werden sie keine 100 km entfernt bei Vion in Perleberg. Der Betriebsleiter hat einen Kontrakt über fünf Jahre ausgehandelt, der durchschnittlich 350 € pro Schlachtschwein absichert.
Nicht nur der Schlachterlös, sondern auch die Produktionskosten sind mit rund 310 € pro Schwein sehr hoch. Heute gehen nur noch 95 % der Schlachtschweine an die Ludwigsluster – denn: Kulow hat zusammen mit zwei anderen Partnern eine Direktvermarktungsfirma gekauft. Seitdem vermarktet er die 5 % über die „Eichenhof Fleischwaren Manufaktur“. Mit diesem Weg ist der Landwirt ein Risiko eingegangen. Die Weiterverarbeitung der eigenen Schweine ist aber finanziell durchaus interessant.
Bevor das Dreigestirn mit der Verarbeitung starten konnte, waren allerdings einige Behördengänge nötig. „Wir brauchen sehr viele Zertifikate und Genehmigungen, damit wir unsere eigene Biowurst herstellen und verkaufen dürfen“, beklagt der Landwirt.
Große Produktpalette
Die Schweine werden im Nachbarort von einem Bioland-zertifizierten Metzger geschlachtet und verarbeitet. Das Sortiment umfasst mittlerweile mehr als 100 Produkte – aber nicht alles nur vom Schwein. Auch Rind und Lamm von Partner-Höfen sind im Angebot. Kunden können Räucherwaren, Frischfleisch, Bratwürste sowie Produkte im Glas erwerben – entweder im Direktverkauf oder über Groß- und Einzelhändler in der Region. Teilweise beliefert die „Eichenhof Fleischwaren Manufaktur“ auch Händler in Berlin und Hamburg.
„Wir erstellen wöchentlich Pläne über den Bedarf an Waren und stimmen die Verarbeitung darauf ab“, betont Kulow. So vermeiden sie Überschuss. Bei diesem geringen Anteil von 5 % soll es nicht bleiben. In Zukunft möchte der Landwirt immer mehr Schweine selbst vermarkten. Und der Aufwand lohnt sich alle Male, bestätigt er. Außerdem geht es ihm nicht nur um den Erlös, sondern auch um den ideellen Wert, die eigenen Schweine zu veredeln.
Diana Marklewitz: Ein richtig guter Mittelweg
Diana Marklewitz aus Lüchow bietet den Schweinen Stroh und Auslauf an. Als konventioneller Betrieb bekommt sie nicht mehr Geld für das Fleisch. Aber Verhandlungen laufen.
Für Diana Marklewitz und ihren Mann Olaf steht fest: Wir sind ein konventionell wirtschaftender Familienbetrieb und wollen es auch bleiben! Die Bedenken der Bevölkerung gegenüber der konventionellen Tierhaltung nehmen sie ernst. Im Jahr 2013 beschloss die Familie, die Sauenhaltung aufzugeben – gedrängt von der geänderten Tierschutznutztierhaltungsverordnung und einer engen Dorflage. Stattdessen entstand die Idee von einem „Tierwohl-Maststall“. Aber bis zum endgültigen Konzept verging einiges an Zeit. Als die Genehmigung auf dem Tisch lag, wurde der Stall gebaut – auch wenn das Vermarktungskonzept noch nicht ganz stand.
Massig Platz zum Toben
Der Maststall bietet Platz für knapp 1400 Schweine. Mit 1,5 m2 pro Tier ist das Platzangebot doppelt so groß wie gesetzlich vorgeschrieben. Den teilweise überdachten Außenbereich auf Stroh nutzen die Schweine auch bei hohen Minusgraden gern.
Ein klassischer Außenklimastall ist der „Tierwohl-Stall“ jedoch nicht. Das Gebäude ist komplett isoliert und die Unterdrucklüftung sorgt für genügend frische Luft. Im Innenbereich ist der Boden zu etwa einem Drittel planbefestigt. Damit dieser nicht so schnell verschmutzt, ist ein Gefälle der Fest flächen von 4 % wichtig. Aber ebenso wichtig sind viele Trennwände, um Liegekessel zu erhalten. Dank eines Spaltenschiebers sind auch größere Mengen Raufutter im 40 cm flachen Kanal kein Problem.
Auch mit den Leistungen des ersten halben Jahres ist Diana Marklewitz zufrieden: Durchschnittlich 980 g tägliche Zunahme und 1 % Verluste können sich sehen lassen. Der Stall ist so konzipiert, dass die Schweine mit der Zeit immer näher zur Verladerampe „wandern“. Die Buchten werden mit steigendem Alter der Schweine größer. Dadurch ist zwar häufiges Umstallen nötig, aber so konnte die Stallhülle um 30 m verkürzt werden. Die Baukosten sanken um 25 %. Im Endeffekt sind Nettokosten von rund 700 € pro Mastplatz angefallen.
Das Problem: Vermarktung
Das Stroh für den Auslauf gewinnt Familie Marklewitz von den eigenen 200 ha Ackerland. „Wenn ich den Mistanfall auf ein Jahr hochrechne, sind das circa 800 t“, grübelt die Betriebsleiterin. Da wird klar, dass das Stroh viel Arbeit bereitet – um genau zu sein, doppelt so viel. Das heißt, bei diesem Stallkonzept fallen hohe Kosten an, die gedeckt werden müssen.
In puncto Vermarktung greifen ihr die Fachzeitschrift „top agrar“ und eine Marketingagentur unter die Arme. Ziel ist ein Markterlös, der zwischen den Preisen für konventionell produzierte Tiere und Bioschweine liegt. Nicht nur der Aufpreis stellt eine Herausforderung dar, sondern auch die Liefermenge. „Die Fleischmenge, die wir herstellen, ist vielen Schlachtern zu gering. Für sie ist es schwierig, die Ware gesondert zu behandeln“, kritisiert Diana Marklewitz. Gespräche mit örtlichen Metzgern haben gezeigt, dass für diese wiederum rund 360 t Schweinefleisch pro Jahr zu viel sind. Trotz Unterstützung durch eine professionelle Agentur erweist sich die Vermarktung als sehr langwierig und mühselig. Die 41-Jährige ist aber guter Dinge, dass sie ihr Tierwohlfleisch in Kürze mit einem Aufschlag verkaufen kann. Die Gespräche mit mehreren firmeneigenen Gastronomien befinden sich zurzeit auf der Zielgeraden.