Raiffeisen Westfalen Mitte: Fusion nach hitzigen Debatten vertagt

Der Paukenschlag kam kurz nach Mitternacht: Nachdem ein Antrag, die Generalversammlung aufgrund der fortgeschrittenen Zeit zu vertagen, erst für Gelächter im Raum gesorgt hatte, wurden die Verantwortlichen doch noch sichtlich nervös.

Nach kurzen, aber intensiven Beratungen stand fest: Die Generalversammlung der Raiffeisen Westfalen Mitte und damit die Entscheidung über die geplante Verschmelzung mit den beiden Agravis Kornhäusern Ostwestfalen und Westfalen Süd musste verschoben werden.

Beschlüsse anfechtbar?

„Die Ergebnisse wären sonst möglicherweise anfechtbar gewesen“, erklärte der Versammlungsleiter und Aufsichtsratsvorsitzende der Raiffeisen Mitte, Heinrich Schneider, den irritierten Mitgliedern. Schließlich war die Versammlung in Anröchte für Dienstag, 3. Juni, einbestellt worden – und nicht Mittwoch, 4. Juni.

Scheitert die Gründung der „RaiKo Westfalen GmbH & Co. KG“ tatsächlich an einer solchen Lappalie? Mit der RaiKo Westfalen (knapp 400 Mio. € Jahresumsatz und mehr als 400 Mitarbeitern an 36 Standorten) wäre ein schlagkräftiger Agrarhändler in der Region entstanden.

Vorgesehen war, dass die Raiffeisen Mitte (242 Mio. € Umsatz, 209 Mitarbeiter) 68,5 % der Anteile an dem Unternehmen halten sollte. Die verbleibenden 31,5 % wären an die Agravis Raiffeisen AG in Münster gegangen als Ausgleich für ihre beiden Firmentöchter Westfalen Süd und Ostwestfalen.

Neun von elf Aufsichtsräten hätten den Vertretern der Raiffeisen Mitte zugestanden. Langfristig waren drei Geschäftsführer vorgesehen, von denen einer aus Münster (Agravis) und zwei aus Büren (Raiffeisen Mitte) entsandt worden wären.

Hitzige Debatte

Doch diese Pläne sind vorerst auf Eis gelegt, nachdem eine knappes Dutzend Mitglieder die Fusionspläne in zum Teil spitzfindigen Debatten kritisiert hatte. Einigen Landwirten aus der Region missfiel die Verschmelzung mit der Agravis schon grundsätzlich: „Warum sollen wir die gute Kuh teilen?“.

Andere Redner beklagten, dass Agravis in dem geplanten Unternehmen zwar anteilsmäßig klar in der Minderheit sei, aber bei wichtigen Fragen (beispielsweise die Abberufung eines Geschäftsführers) eine Sperrminorität habe.

2 Mio. € Synergieeffekte


Die Verantwortlichen aus Büren, allen voran der Vorstandsvorsitzende Walter Schenking hielten dagegen: „Das Pachtland beim Nachbarn wird nur einmal frei“, appellierte er an die Mitglieder. Er stellte knapp 2 Mio. € an mittelfristigen Synergieeffekten durch die Verschmelzung mit den Agravis-Töchtern in Aussicht.

Insbesondere durch Einsparungen in der Verwaltung, gemeinsame Investitionen ins Saatgutgeschäft und die Erweiterung des Kraftfutterwerks in Büren lassen sich nach seiner Ansicht Reserven durch eine Fusion heben.
Auch die beiden Agravis-Vorstände Dr. Clemens Große-Frie und Johannes Schulte-Althoff waren angereist und machten sich für den Zusammenschluss stark.

War der Abbruch Strategie?


Die Frage, welche Seite die Mitglieder mit ihren Argumenten überzeugt hätte, bleibt Spekulation. Auffällig ist aber die Art und Weise, wie es erst gar nicht zu einer Abstimmung über die Verschmelzungspläne kam. So sorgten die Fusionsgegner für zahlreiche Verzögerungen im Ablauf. Erst mussten die 464 Mitglieder im Saal über den Tausch zweier Tagesordnungspunkte entscheiden (sie bejahten den Antrag). Dann sollten (erfolglos) „neutrale Stimmzähler“ eingesetzt werden.

Im weiteren Verlauf folgten Detailfragen zu Vertragsformalitäten und ein Streit um das Prüfgutachten zur Fusion. Das alles kostete Zeit und wirft die Frage auf: War es das Ziel der Fusionsgegner, die Versammlung gezielt zu verzögern und es erst gar nicht zur Abstimmung über die Fusion kommen zu lassen?

Pikanterweise kam der Antrag zum Abbruch der Versammlung wenige Minuten nach Mitternacht – und das von einem Mitglied, das selbst als Mitarbeiter bei der konkurrierenden Raiffeisen Sauerland Hellweg Lippe beschäftigt ist.

Bald neue Versammlung?

Einige Verantwortliche der Raiffeisen Mitte reagierten jedenfalls sichtlich empört auf die Vorgänge. Sie müssen sich allerdings auch Kritik am eigenen Auftritt gefallen lassen: Bereits zu Beginn des Abends war wertvolle Zeit verschenkt worden, weil die Organisatoren nicht auf den Mitgliederzustrom vorbereitet waren.
Nach langen Warteschlangen im Eingangsbereich startete die Versammlung erst gegen 20.45 Uhr. Auch mit der Moderation der zu erwartenden Diskussionen wirkten Aufsichtsrat und Vorstand stellenweise überfordert.

Immerhin: Alle Beteiligten könnten schon bald Gelegenheit haben, den Ablauf der Versammlung neu zu überdenken. Bleibt es bei den Fusionsplänen, ist – nach fristgerechter Einladung – eine weitere abendfüllende Veranstaltung erforderlich. mss

Den ausführlichen Bericht und weitere Hintergründe zur turbulenten Versammlung lesen Sie in Wochenblatt Folge 24.