Peter Kossen: Anwalt der Arbeitsmigranten

Pfarrer Peter Kossen engagiert sich gegen die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. Vor Corona-Infektionen in den Schlachtbetrieben warnte er bereits vor Wochen – und befürchtet weitere Fälle.

Wochenblatt: Kanzlerin Merkel sprach vergangene Woche angesichts der Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen von „erschreckenden Nachrichten“, Arbeitsminister Hubertus Heil kündigte gesetzliche Maßnahmen an. Sie weisen seit fast zehn Jahren auf die Situation der zumeist osteuropäischen Arbeitnehmer hin. Wurde in der Vergangenheit zu wenig hingeschaut?

Kossen: Seit Jahren wird die Verantwortung von einer zur nächsten Ebene weitergeschoben. Das beginnt auf der Ortsebene bei den Gesundheits- und kommunalen Ordnungsämtern und geht hoch bis zur bundespolitischen Ebene. Gerade für die Kontrolle der Unterkünfte muss eine Rechtsgrundlage geschaffen werden. Wenn Regelungen für alle gelten, können befürchtete Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden.

Die Corona-Fälle scheinen sich auf den Coesfelder Westfleisch-Standort zu beschränken. An den vier Westfleisch-Betrieben in Hamm, Gelsenkirchen, Lübbecke und Bakum fielen alle Tests negativ aus, ebenso bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück. Wie erklären Sie sich die Unterschiede?

Ich bin sicher, dass es in absehbarer Zeit auch an anderen Standorten zu Ausbrüchen kommen wird. Es wäre zu wünschen, dass nicht. Aber die Strukturen, die eine Ausbreitung begünstigen, sind überall gleich. Die Gott sei Dank vielen negativen Testergebnisse rechtfertigen die derzeitigen Wohn- und Arbeitsverhältnisse jedoch nicht.

Welche Rolle spielen die Landwirte?

Ich bin in den letzten Jahren viel mit Landwirten im Gespräch gewesen – vor allem, weil sie sich über mich geärgert haben. Die Landwirte fühlen sich immer mit angeklagt, wenn die Situation der Arbeiter von mir oder von anderer Stelle kritisiert wird. Ich höre oft Sätze wie: ‚Und jetzt...