Weist eine Gemeinde oder Stadt Windzonen im Flächennutzungsplan aus, sollen auf den restlichen Flächen in den Außenbereichen keine Anlagen gebaut werden dürfen. Doch gilt diese „Ausschlusswirkung“ auch dann, wenn die Kommune fehlerhaft geplant hat?
Nein, lautet der Tenor einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Münster vom 17. Januar 2019. Der 2. OVG-Senat hat die 125. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt Paderborn teilweise für unwirksam erklärt. Damit hat die Knipsberg Windpark Verwaltungs GbR als Klägerin eine wichtige Hürde genommen, ihr Projekt doch noch realisieren zu können.
Der Hintergrund
Vor Änderung des Flächennutzungsplans Ende 2016 hatte Paderborn (150.000 Einwohner) das Stadtgebiet auf Windvorranggebiete untersuchen lassen. Dabei wurden 18 Potenzialflächen anhand der harten und weichen Kriterien ermittelt. Harte Kriterien sind insbesondere die BSN-Flächen (etwa Natur- und Vogelschutzgebiete, geschützte Biotope); sie müssen frei von der Windkraft bleiben. Zudem wollte die Stadt auch keine Anlagen im Wald, weil dies der Gebietsentwicklungsplan der Bezirksregierung für Ostwestfalen vorgab.
Dagegen hat die Stadt bei den weichen Kriterien einen Planungs- und Ermessensspielraum; dazu gehören die Mindestabstände zu Wohngebieten und Siedlungen (etwa 1000 m) und die Größe der Windzonen. In Paderborn muss jede Windzone mindestens 25 ha groß sein.
Am Ende wies die Stadt fünf Zonen mit 520 ha aus. Außen vor blieben unter anderem die Potenzialflächen Nr. 6 und 7, die im Südosten an Lichtenau grenzen. Hier wollten die Flächeneigentümer (GbR-Mitglieder) zuerst vier Anlagen, später nur noch eine höhere Anlage südlich von Dahl in Nähe der B 68 errichten.
Sie reichten eine Normenkontrollklage vor dem OVG ein. Begründung: Die Stadt Paderborn habe ein fehlerhaftes gesamträumliches Plankonzept aufgestellt und zudem die zwei Potenzialflächen ohne vernünftigen Grund ausgespart. Somit habe sie der Windkraft nicht genügend Raum gegeben, wie es die Rechtsprechung erfordere. Angrenzend, auf Lichtenauer Gebiet, würden im Windpark Hassel ebenfalls zahlreiche Anlagen stehen und Strom erzeugen.
700 Windanlagen im Kreis
Michel Ahn verteidigte die Planung der Stadt. In Paderborn würden 70 Windanlagen, im Kreis Paderborn 700 Anlagen betrieben. Rund 11 bzw. 15 % (Wald hartes Kriterium) der Stadtfläche stünden der Windkraft zur Verfügung. Bei der Planung habe man auch Rücksicht auf die Bevölkerung in Dahl genommen. Sie fühle sich bereits heute von den bestehenden Anlagen umzingelt.
Bei der mündlichen Verhandlung ging es im Kern um die Frage, ob die Stadtplaner die harten und weichen Kriterien richtig gewichtet haben. Durfte zum Beispiel der komplette Wald in Paderborn außen vor bleiben? Die Vorsitzende Richterin Brauer verwies auf Urteile des OVG Münster von Mitte 2015 und vom 6. März 2018. In beiden Fällen hat das OVG die Flächennutzungspläne der Städte Haltern am See und Bad Wünnenberg gekippt. Die Richter stellten hierbei unter anderem fest, dass starre Vorgaben im Gebietsentwicklungsplan unwirksam seien. Auch in einer waldarmen Region wie Ostwestfalen dürfe man die Forstflächen im GEP nicht generell zur Tabuzone erklären.
Vierstufiges Verfahren
Rechtsanwalt Daniel Birkhölzer von der Kanzlei Engemann und Partner aus Lippstadt hat die Klägerin vertreten. Er sagt: „Bei der Ausweisung von Windzonen müssen die Kommunen ein vierstufiges Verfahren anwenden. Es müssen zunächst harte und weiche Kriterien ermittelt und anschließend die verbleibenden Flächen einzelfallbezogen bewertet werden. Am Ende muss die Planung dann noch substanziellen Raum für die Windkraft lassen.“
Bei dieser Vorgehensweise hat die Stadt Paderborn offenbar Fehler gemacht. Jedenfalls ist der Flächennutzungsplan in diesem Punkt unwirksam. Folge: Die Ausschlusswirkung ist außer Kraft gesetzt. Deshalb dürfen jetzt (theoretisch) im gesamten Außenbereich der Stadt Paderborn wieder Windkraftanlagen auf der Grundlage des § 35 BauGB, Abs 1 Nr. 5 gebaut werden.
Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Die Kläger haben für ihre Anlage bereits eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung beim Kreis beantragt. Doch in Nähe des Standortes brütet der Schwarzstorch. Deshalb muss nun geprüft werden, ob die Anlage artenschutzrechtlich zulässig ist (Az. 2 D 63/17.NE).