In der Öffentlichkeit und gegenüber Kunden präsentiert sich Günter Helmut K. gern als genialer Erfinder und kühner Visionär. Doch in Wirklichkeit war der heute 72-Jährige aus dem sächsischen Plauen wohl nur ein Aufschneider und Betrüger, der die Gutgläubigkeit seiner Kunden ausnutzte. Seit dem 9. April müssen sich der ehemalige Gastronom, seine Ehefrau und vier Mitangeklagte vor dem Landgericht Münster wegen gewerbsmäßigen Betruges verantworten. Etwa 2 Mio. € sollen sie ihren Kunden durch falsche Versprechungen abgeluchst haben.
Anlage mit Vertikalrotor
In 19 Verhandlungstagen will die 22. Große Strafkammer des Landgerichtes versuchen, die Hintergründe aufzuklären. Laut Staatsanwalt Haimelt begann der Betrug im Frühjahr 2007. Damals betrieben maßgeblich Günter K. und sein Vertriebsmanager Bernd S. ein Unternehmen (GmbH) mit Sitz in Münster. Sie boten Windkraftanlagen eines ganz neuen Typs an. Statt eines Rotors mit drei Flügeln hatte ihre Anlage einen Vertikalrotor, der mit einer äußeren Ummantelung versehen war.
In Prospekten und Verkaufsgesprächen wurde der Anlagentyp quasi als „Wunderwaffe“ für die Energiewende gepriesen: Die fünffache Leistung im Vergleich zu herkömmlichen Anlagen (Stromerzeugung bereits ab Windgeschwindigkeiten von 1 m/Sek.), kaum Lärm, kein Schattenwurf, wartungsarm. Zudem sollten die Käufer der Anlagen, die im Leistungsbereich von 2,5 bis 10 kW angeboten wurden, keine Baugenehmigung benötigen.
Nur zwei Pilotanlagen
Der Haken an der Geschichte: Günter K. hatte zwar eine Pilotanlage in Adorf (Vogtland) und später eine zweite Anlage an anderer Stelle errichtet. Doch beide Anlagen funktionierten überhaupt nicht. Gleichwohl verkaufte seine Firma die Anlagen an Landwirte und andere kleine Gewerbebetrieb in ganz Deutschland und darüber hinaus. „Die Käufer glaubten an das, was ihnen Hauptangeklagte und seine Mitstreiter vorgaukelten,“ so der Staatsanwalt.
Von 2007 bis 2009, in 43 Fällen, leisteten die Käufer in der Regel Vorauszahlungen von 30 bis 50 % auf den Kaufpreis. Für eine 2,5-kW-Anlage berechnete die GmbH damals im Schnitt 13 000 €, für eine 5-kW-Anlage 28 000 €.
Die Anzahlungen flossen entweder direkt auf das Firmenkonto (500 000 €) oder ein Treuhandkonto (154 000 €), das ein windiger Anwalt führte. Kunden, die an der Geschäftsidee des Tüftlers zweifelten, wurden „Garantieerklärungen“ oder „Ertragserfüllungsbürgschaften“ vertraglich zugesichert. Die aber waren am Ende nichts wert, so Staatsanwalt Haimelt weiter. „Die Angeklagten haben mit den Geldern immer neue Löcher ihrer Firma gestopft und damit auch ihre private Lebensführung finanziert. Den Käufern indes wurde vorgegaukelt, das Geld würde für die weitere Entwicklung der Anlagen benötigt oder um Lieferantenrechnungen zu begleichen.“
Neue Firma gegründet
Im Juli 2009 war das Unternehmen zahlungsunfähig. Bernd S. musste eigentlich die Insolvenz beantragen, was er aber nicht tat. Erst im September 2010 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren gegen die GmbH. Das aber hinderte die Angeklagten nicht, fast zur gleichen Zeit ein Nachfolgeunternehmen wiederum in Münster zu gründen, die „Eightwind-GmbH“. Zwar war Günter K. untersagt worden, weiter als Geschäftsführer tätig zu sein, doch nach Überzeugung des Staatsanwaltes behielt er weiter alle Fäden in der Hand. Mit seinen zwei Mitangeklagten aus Lindau (Bodensee) und Inzigkofen (bei Sigmaringen) suchte er neue Käufer und fand sogar einen Investor für sein dubioses Geschäft.
Ludwig W. zum Beispiel betreibt eine Wasserkraftanlage im Allgäu. Er zahlte insgesamt 184 000 € Vorkasse für verschiedene Anlagen, die „Eightwind“ liefern sollte. Großhändler Jürgen V. stellte der GmbH 2010 sogar ein Darlehen von 600 000 € zur Verfügung. Günter K. versprach eine Verzinsung von 8 %. Wahlweise sollte der Großhändler später Anteile an der Gesellschaft des Angeklagten erhalten. Günter K. wollte mit seinen Patenten, die er im Ausland beantragt hat, ein weltweites Firmenimperium aufbauen und satte Gewinne einfahren.
Im Oktober 2013 forderte der Investor jedoch sein Darlehn zurück. Er hatte Nachweise von Günter K. gefordert, wie sein Geld verwendet worden sei, erhielt aber nur vage Auskünfte. Bereits im August 2013 hatte die Polizei die Büros der GmbH durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Angeklagten keine einzige Windkraftanlage gebaut und an ihre Käufer ausgeliefert, wie es vertraglich vereinbart war.
Privatinsolvenz beantragt
Fast alle sechs Angeklagten haben bereits vor geraumer Zeit einen Antrag auf Privatinsolvenz gestellt. Sie leben am Rande des Existenzminimums und werden den angerichteten Schaden von etwa 2 Mio € kaum wieder gutmachen können. Günter K. bezieht 265 € Rente. Daneben arbeitet der 72-jährige stundenweise in einem Callcenter und verdient 700 €/Monat.
Bis Mitte Juli will das Landgericht insbesondere durch die Vernehmung von Zeugen klären, ob die Angeklagten von Anfang an mit Betrugsabsicht gehandelt haben und wie hoch die Schuldanteile der fünf Mitangeklagten waren. Günter K. muss mit einer mehrjährigen Haftstrafe rechnen (Az. 22 KLs 2/18).