NRWs NABU-Landeschefin Naderer: „Ich versteh’ den Aufruhr nicht“

Der NABU NRW will die Volksinitiative Artenvielfalt starten. Ziel: Rückbau der intensiven Landwirtschaft. Das ist aber keine Kritik am einzelnen Landwirt, sagt Dr. Heide Naderer im Wochenblatt-Interview.

Wochenblatt: Frau Dr. Naderer, im „Niedersächsischen Weg“ wollen Landesregierung, Bauernverband, Landwirtschaftskammer sowie Organisationen wie der NABU für mehr Natur-, Arten- und Gewässerschutz sorgen. Wie schätzen Sie das ein?

Vom Grundsatz her positiv. Allerdings: Man kann viel für mehr Umwelt- und Naturschutz unterschreiben, es kommt aber auf die Umsetzung in der Praxis an. Da sind wir gespannt, ob die anderen Organisationen wirklich mitziehen. Und: Der „Niedersächsische Weg“ ist letztlich erst entstanden, nachdem der NABU Niedersachsen das Volksbegehren „Artenvielfalt. Jetzt!“ mit vorbereitet hat.

Zum Hintergrund
Unsere Interviewpartnerin Dr. Heide Naderer ist 1964 in Moers am Niederrhein geboren. Bereits in den 1980er-Jahren war sie beim NABU Wesel aktiv, damals noch „Deutscher Bund für Vogelschutz“. In den vergangenen 15 Jahren hat sie überwiegend in der Wissenschaft und an Hochschulen gearbeitet, zuletzt als Präsidentin der Hochschule Rhein-Waal. Dr. Naderer ist seit Juli 2019 NABU-Landeschefin in NRW.

Daran hält der NABU fest. Wie passt das zusammen?

Das scheint offenbar der Verhandlungsweg zu sein. Damit soll Druck entstehen, die abgesprochenen Punkte für mehr Umwelt- und Naturschutz im „Niedersächsischen Weg“ auch tatsächlich umzusetzen. Dazu zählen zum Beispiel breitere Gewässerrandstreifen, mehr Landschaftselemente, weniger chemischer Pflanzenschutz, größere Biotopverbunde, mehr Vertragsnaturschutz, ein Aktionsprogramm Insektenvielfalt oder mehr ökologische Beratung für Landwirte. Wenn das gelingt, braucht es wahrscheinlich das niedersächsische Volksbegehren nicht. Wenn der „Niedersächsische Weg“ nicht klappt, setzen sie die Themen über das Volksbegehren auf die politische Agenda.

Sie planen eine Volksinitiative Artenvielfalt in NRW. Wa­rum?

Ganz einfach: Wir wollen Natur, Umwelt und den aktuellen Problemen eine Stimme geben. Denn viele Bürgerinnen und Bürger sagen: „Nein, so wie wir aktuell mit unserer Natur umgehen, wollen wir das nicht.“ Der NABU NRW trägt diese Probleme und entsprechende Forderungen seit Jahrzehnten an die Landesregierung NRW heran. Doch diese macht kaum etwas, unterdessen nehmen die Probleme beim Umwelt- und Naturschutz nachweisbar zu.

Aufgrund der Corona-Pandemie haben Sie den Start verschoben. Wann geht es wie weiter?

Wir haben den Antrag beim Innenministerium eingereicht. Wir hoffen, in den nächsten Wochen starten zu können, auf jeden Fall noch vor der Kommunalwahl in NRW im September. Die Besonderheit in NRW ist, dass wir uns mit den anderen beiden großen Naturschutzverbänden Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt sowie Bund für Umwelt und Naturschutz zusammengeschlossen haben.

Welche Ziele verfolgen Sie?

Das können wir aktuell noch nicht sagen. Nur so viel: Die Ziele sind ähnlich zu denen in Niedersachsen, es gibt keine inhaltlichen Überraschungen.

Was sind aus Ihrer Sicht die Knackpunkte in der Landwirtschaft?

Wichtig ist mir: Die Kritik richtet sich nicht an den einzelnen Landwirt, und keinesfalls nur an die konventionelle Wirtschaftsweise. Das ganze System mit den entstandenen Produktionsketten muss sich ändern. Die starke Intensivierung der Landwirtschaft sowie die damit zusammenhängenden gesamten Ketten in den vergangenen Jahren sind das Problem: In der Fleischwirtschaft haben die Corona-Ausbrüche in den Schlachtstätten das ganz offensichtlich gezeigt.

Warum hat sich das Ihrer Meinung nach...