Neun Windanlagen stilllegen?

Vier Hausbesitzer in Riesenbeck klagen gegen Kreis Steinfurt: Hat das Bauamt die Baugenehmigung zur Errichtung und den Betrieb von neun Windenergieanlagen (WEA) im Lagerfeld widerrechtlich erteilt?

Von den neun Enercon 115 im Lagerfeld sind acht bereits gebaut und ans Netz angeschlossen. Die neunte soll in diesen Tagen ebenfalls in Betrieb gehen. Die Gesamthöhe der Anlagen beträgt je 230 m, der Rotordurchmesser 141 m. Der Kreis Steinfurt hat der Bürgerwind Hörstel GmbH & Co. KG die Baugenehmigung am 28. Dezember 2016 erteilt. Elf Gesellschafter haben 60 Mio. € investiert. Ein Bankenkonsortium hat die Kredite bereitgestellt.

Vier Anwohner klagen

Doch jetzt zittern die Gesellschafter und vielleicht sogar die Banken. Denn vier Anwohner am Eschweg in Riesenbeck-Lage haben, unterstützt von Nachbarn, Klage gegen den Kreis erhoben. Doch ihr Antrag auf einen Baustopp wurde bereits im Eilverfahren abgewiesen.

Am 23. August trafen sich die Parteien zur münd­lichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht in Münster. Die Wohnhäuser der Kläger stehen etwa 1500 bis 1700 m zur nächstgelegenen WEA. Im weiteren Umkreis erzeugen über 50 Windanlagen Strom.

Die Anwälte der Kläger, Hendrik Kaldewei und Dr. Mock, warfen dem Kreis Folgendes vor:

  • Die Lärmwerte der Anlagen seien falsch berechnet worden. Der Schall hätte nach dem Interimsverfahren bemessen werden müssen. Das herkömmliche Verfahren würde die Bodendämpfung und den Schall der umliegenden Anlagen nicht genügend berücksichtigen.
  • Die gesundheitlichen Gefahren des Infraschalles auf die Anwohner seien nicht geprüft worden.
  • Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung (UV-Prüfung) habe der Antragsteller das Vorkommen der Fledermäuse, Greifvögel (Rotmilan, Wespenbussard, Rohrweihe) sowie der Wiesenvögel im Lagerfeld nicht hinreichend prüfen lassen. „Die Mitarbeiter der Bio­station des Kreises haben die Hinweise der Anwohner auf die Greifvögel ignoriert oder nicht ernst genommen“, so Dr. Mock.
  • Durch den Bau der WEA sei der Wert der Immobilien im Nahbereich der Anlagen gesunken.

Im Garten von Linus Overmeyer (rechts sein Nachbar Hubertus Runde) kann man die Windanlagen bei Westwind deutlich hören. „Die örtlichen Bauherren waren zwar stets gesprächs-, aber nie kompromissbereit“, behaupten die zwei Kläger. (Bildquelle: Asbrand)

Alle Vorwürfe haltlos?

Die zwei Mitarbeiter des Kreises sowie Daniel Birkhölzer, Anwalt der Bürgerwind Hörstel GmbH & Co. KG, wiesen alle Vorwürfe zurück. Bei Abständen von 1500 bis 1700 m zu den Wohnhäusern lägen die Schallwerte der Anlagen weit unter dem Grenzwert von nachts von 45 dB(A). Würde man das von den Klägern geforderte Interimsverfahren anwenden, läge man immer noch 5 dB(A) unter dem Grenz­wert. Auch von einer „bedrängenden Wirkung“ auf die Anwohner könne keine Rede sein, die Abstände würden das Siebenfache der Gesamthöhe der Anlagen betragen. „Nach der Rechtsprechung liegt eine bedrängende Wirkung erst vor, wenn der Abstand die 2,5- bis 3-fache Gesamthöhe der Anlage unterschreitet“, so Birkhölzer.

Greifvogelhorste zerstört?

Dann wurde es laut und hitzig im voll besetzten Gerichtssaal: Haben Antragsteller, Kreisbauamt und Bio­station „gemauschelt“, damit das 60-Mio.-€-Projekt die hohe Hürde „Artenschutz“ überwindet? Dr. Mock äußerte den Verdacht, dass Horste des Rotmilans oder Wespenbussardes im Lagerfeld zerstört worden sein könnten. Eine unrühmliche Rolle in diesem Zusammenhang spiele laut Dr. Mock auch der BUND. Der Naturschutzbund würde, um Windprojekte und damit die ganze Energiewende nicht zu gefährden, vielerorts sogar geplante Klagen gegen die Windanlagen zurückziehen.

Die Mitarbeiter des Kreises sowie die Gesellschafter (Geschäftsführer) des Bürgerwindparkes reagierten mit Unmut auf die Angriffe des Anwaltes („absurd“, „Unverschämtheit“). Der Kreis als Genehmigungsbehörde müsse sich beim Artenschutz auf die gutachterliche Stellungnahme der Biostation verlassen. „Ja, es gibt den Roten Milan und Wespenbussard im Kreis Steinfurt. Doch er brütet nicht im Lagerfeld“, so die Aussage der Bio­station zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bauantragstellung.

Beweisanträge abgelehnt

In zwei der vier Verfahren hatte Anwalt Kaldewei neue Beweisanträge gestellt. Das Gericht solle ein Gutachten zur Infraschallbelastung und ein psychologisches Gutachten zur Gesundheitsbelastung der Kläger erstellen lassen. „Die Hausbesitzer sind unkonzentriert, sie leiden unter Schwindel, Druck auf den Ohren und erhöhtem Blutdruck“, so der Anwalt.

Richter Dr. Lenfers wies beide Anträge zurück. Die Gutachten hätten das Gerichtsverfahren wahrscheinlich viele Monate in die Länge gezogen. Erst nach Abschluss des Rechtsstreites will die GmbH den Beteiligungsprospekt erstellen lassen und das benötigte Eigenkapital für den Bürgerwindpark einsammeln.

Der Richter will das Urteil Anfang September verkünden (Az. 10 K 660/17 und weitere).