Muss die Landwirtschaft reformiert werden?

Die aktuellen agrarpolitischen Themen standen beim Pressegespräch des Bezirksverbandes in Bielefeld im Fokus.

Das in dieser Woche beschlossene Agrarpaket prägte am Donnerstag das Pressegespräch des Landwirtschaftlichen Bezirksverbandes Ostwestfalen-Lippe in Bielefeld.

Wer bezahlt es?

Gleich zu Beginn machte der Vorsitzende Hubertus Beringmeier deutlich, dass die Landwirte zu Veränderungen bereit seien – sofern diese tragbar seien. „Der Gesetzentwurf zum Staatlichen Tierwohllabel beantwortet nicht die Frage, wer die höheren Anforderungen für die Landwirte bezahlt“, kritisiert Beringmeier. Er befürchtet, dass die Verbraucher es nicht sind, da sie sehr preissensibel einkaufen. „Wer allerdings in Ställe mit mehr Tierwohl investiert, braucht Planungssicherheit“, forderte der Landwirt.

Er verwies auf die Initiative Tierwohl (ITW). Die Landwirte halten inzwischen jedes vierte Schwein in Deutschland nach den Kriterien der ITW, die über den gesetzlichen Standards liegen. Dafür bekommen sie einen finanziellen Ausgleich pro Tier. Der Lebensmittelhandel führt dazu aktuell 6,25 Cent/kg Fleisch ab. „Das Staatliche Label kann eine Ergänzung zur ITW sein und sollte sich deshalb mit der ITW verzahnen“, so Beringmeier. Völlig unklar ist dem Landwirt noch, welche Kriterien im Staatlichen Tierwohllabel definiert sind. Er plädiert dafür, die Einstiegsstufe relativ niedrig zu wählen, um möglichst viele Tiere einbeziehen zu können.

900 km Blühstreifen

Auch im Insektenschutzprogramm, so wie es jetzt im Agrarpaket formuliert ist, hätte sich der Vorsitzende mehr Sachverstand gewünscht. Die Bundesregierung wolle zum Beispiel Herbizide in Schutzgebieten ab 2021 komplett verbieten, ebenso an Gewässerrandstreifen. „Doch wenn die Landwirte diese Flächen mulchen müssen, hilft das den Insekten nicht“, sagte Beringmeier.

Er verwies auf die Blühstreifen in Ostwestfalen-Lippe: Bei der Aktion „Blühendes Land durch Bauernhand“ hätten die Landwirte auf mehr als 900 km einen 3 m breiten Streifen mit blühenden Pflanzen bestellt. Hinzu kämen noch die freiwilligen Initiativen der Landwirte. „Das ist ein großer Erfolg, die Resonanz durchweg positiv“, so Beringmeier.

Bio zu Aldi-Preisen

Mit Sorge sieht Wilhelm Brüggemeier, Vizepräsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, den aktuellen Preiskampf sowie Verdrängungswettbewerb der großen Lebensmittelhändler. Er verdeutlichte das am Bespiel der Bioprodukte: Aldi habe erkannt, dass Bio bei den Verbrauchern ein gutes Image habe und wolle davon profitieren. „Also nimmt der Discounter Bioprodukte ins Sortiment – aber zu Aldi-Preisen. Deshalb kann ich nicht erkennen, dass der Markt tatsächlich die höheren Aufwendungen für Landwirte bezahlt“, sagte Brüggemeier.

Fichte verschwindet

Auf den desaströsen Zustand des Waldes ging Antonius Tillmann ein, stellvertretender Vorsitzender des Bezirksverbandes. „Demnächst gibt es keine Fichten mehr in Ostwestfalen-Lippe“, wagte er eine Prognose. Auch die Buchen hätten Probleme und bei den Eichen gebe es ebenfalls erste Schäden. „Das Landschaftsbild wird sich ändern“, sagte der Landwirt. Die Rettung des Waldes sieht er als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb müsse der Staat helfen. Tillmann wünscht sich wissenschaftliche Begleitung, um Konzepte für einen zukunftsfähigen Wald zu erarbeiten.

Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen und Herausforderungen der Zukunft gab der Vorsitzende Beringmeier am Ende noch einen optimistischen Ausblick: „Die Landwirtschaft hat Zukunft! Denn es kommen viele junge, tolle Leute nach.“

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