Ministerium muss Gutachten zu NS-Zeit teilweise freigeben

Im Mittelpunkt des Verfahrens vor dem 8. Senat des Oberverwaltungsgerichtes in Münster stand ein Gutachten, das im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BEMLV) entstanden ist. Ein Historiker hatte darin die NS-Vergangenheit von 62 ehemali­gen Bediensteten des Ministeriums, 40 Männer und 22 Frauen untersucht, die zum Zeitpunkt der Vergabe des Gutachtenauftrags 2005 noch lebten. Er sollte, teilweise mit Rückgriff auf amtliche Personalakten, klären, inwieweit die 62 Personen als „ehrwürdig“ gelten können und im Todesfall mit einer Kranzspende und einer Anzeige geehrt werden.

"Deutlich kritikwürdig" oder "nicht ehrwürdig"

Ein Journalist, „Chefreporter“ der Bild-Zeitung, hatte mit Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) das 2009 fertiggestellte Gutachten einsehen wollen. Das Ministerium hatte dem nur in Teilen entsprochen und mit Verweis auf den Datenschutz einen erheblichen Teil der personenbezogene Angaben geschwärzt. Dagegen hatte der Journalist geklagt. Vor dem Verwaltungsgericht Köln war er im September 2013 gescheitert. Nun erhielt er in zweiter Instanz zumindest in Teilen Recht.

Der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichtes Münster bestätigte die Entscheidung des Kölner Gerichts lediglich in Bezug auf noch lebende Personen. Er verpflichtete indes das Bundeslandwirtschaftsministerium, die Einsichtnahme in Bezug auf diejenigen Personen zu gewähren, die vor mehr als drei Jahren verstorben sind oder die im Schlussbericht als "deutlich kritikwürdig" oder als "nicht ehrwürdig" bezeichnet werden. Laut Gericht sei die Schutzwürdigkeit von Personalaktenda­ten Verstorbener „mit dem Tod bereits erheblich vermindert“ und drei Jahre nach dem Versterben vollständig erloschen. Soweit sich die Klage auf lebende Personen bezieht, habe der Schutz personenbezogener Daten ein höheres Gewicht als das Informationsinteresse der Presse.

Rasse, Raum und Autarkie

Das strittige Gutachten trägt den amtlichen Titel "Entwicklung und Kriterien zur Bewertung der Ehrwürdigkeit von ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mit­arbeitern des BML/BMVEL und der Dienststellen seines Geschäftsbereichs im Hin­blick auf die Zeit des Nationalsozialismus“. Es schließt an ein Gutachten zur NS-Agrarpolitik an, dass der Historiker Andreas Dornheim 2006 im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums erarbeitet hat. Dieses erste Gutachten ist 2011 unter dem Titel "Rasse, Raum und Autarkie" veröffentlicht worden und kann als PDF-Datei kostenfrei von der Internetseite des Bundeslandwirtschaftsministeriums geladen werden.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles hat das Oberverwaltungsgericht Münster die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. (Aktenzeichen: 8 A 2410/13 – I. Instanz: VG Köln 13 K 1541/11). Str.