Am Ende ließ er doch noch einige Details zur lang erwarteten Sektorstrategie Milch durchsickern: „Zur Grünen Woche liegt das Papier druckfrisch vor. Wir haben uns auf Inhalte verständigt, die ich vor einigen Monaten noch für unmöglich gehalten hätte, zum Beispiel zu den Themen Lieferbeziehung oder Branchenkommunikation“, sagte Karsten Schmal, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes und Sprecher des Lenkungsgremiums der Sektorstrategie am vergangenen Freitagabend beim Kreisverbandstag Olpe in Drolshagen-Berlinghausen.
Der größte Mehrwert war für Schmal aber, dass die gesamte Milchbranche überhaupt zusammengesessen und miteinander geredet habe. Deshalb sei es sehr schade, dass der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) das gemeinsame Papier am Ende doch nicht unterschrieben habe. „Darauf haben einzelne, nicht alle Vertreter des BDM gedrängt“, so Schmal. Er sicherte zu, den BDM auch künftig zu den Arbeitsgruppen einzuladen. Weitere Infos zur Sektorstrategie Milch lesen hier.
Kritik an Politik und Handel
Ansonsten ging Schmal im Schnelldurchlauf durch die aktuellen Herausforderungen der Milcherzeuger – und sparte nicht mit Kritik. Zuerst bekam die Politik ihr Fett weg, allen voran die Regierungskoalition. „Die lassen Umweltministerin Svenja Schulze machen, was sie will. Und Kanzlerin Angela Merkel steigt aus der Atomkraft sowie Kohle aus und verbietet Dieselautos, ohne eine Alternative zu haben“, wetterte Schmal. Er vermisst Politiker mit Rückgrat und hat den Eindruck, dass viele nur im Bundestag sitzen würden, um sich wiederwählen zu lassen. Die fortlaufenden gesetzlichen Auflagen würden der Landwirtschaft viel Geld kosten und die Wettbewerbsfähigkeit stark schwächen.
Der Lebensmittelhandel kam nicht besser weg. Schmal bezeichnete es als „eine Sauerei“, dass bei den Trinkmilch-Verhandlungen im vergangenen November der Preis für die Landwirte stabil geblieben sei, der Handel aber seine Marge verbessert habe. Zudem kritisierte er, dass der Lebensmittelhandel die Anforderungen immer weiter verschärfe und die eigene Standardsetzung im Milchsektor vorantreibe. „Wir können nahezu alle Wünsche erfüllen – aber nicht zum Nulltarif!“, stellte Schmal klar.
Diese Aussage richtete er genauso an die Verbraucher. Denn auch sie würden bei ihren Erwartungen immer mehr oben draufsatteln. Die Grundbedürfnisse wie bezahlbare und sichere Lebensmittel seien gedeckt. Jetzt würden die Konsumenten zusätzlich auf Kriterien wie gesund, umweltfreundlich oder nachhaltig achten. „Allerdings geben die deutschen Verbraucher im Schnitt nur 11 % ihres Einkommens für Lebensmittel aus. Das passt einfach nicht zusammen“, sagte Schmal.
Klima und Hunger
Mit dieser Einschätzung ist er nach eigener Aussage nicht allein. Auf dem vergangenen Weltmilchgipfel habe ein junger Mann aus Afrika sein Unverständnis geäußert, warum Deutschland mit den immer schärferen Auflagen seine Milchproduktion deckele. Schließlich sei Mitteleuropa eine Gunstregion, könne Milch produzieren und in andere Regionen liefern, die aufgrund der natürlichen Voraussetzungen keine Milchproduktion betreiben könnten. Auch Schmal sieht Hunger als globale Herausforderung. Vor allem, wenn die Weltbevölkerung von heute rund 7 Mrd. Menschen auf etwa 9,5 Mrd. Menschen im Jahr 2050 wachse und gleichzeitig die verfügbare landwirtschaftliche Nutzfläche pro Einwohner von etwa 2000 auf 1500 m2 sinke.
Für Schmal ist bereits jetzt ersichtlich, dass der Klimawandel voranschreitet: Heiße Sommertage nehmen zu, die Vegetation beginnt früher, die Winter werden milder. „Die Landwirtschaft ist dabei Teil des Problems, aber eben auch Teil der Lösung. Denn die Land- und Forstwirtschaft sind die einzigen Branchen, die CO2 speichern können – das kann man gar nicht oft genug sagen“, verdeutlichte er. Und: Im weltweiten Vergleich sei die deutsche Milchproduktion sehr klimaeffizient.
Biomilch als Chance?
In der anschließenden Diskussion monierte ein Landwirt, dass ihm konkrete Lösungsansätze, wie klassische Familienbetriebe diese Herausforderungen meistern können, fehlen. Kreisverbandsvorsitzender Michael Richard wollte noch wissen, wie sich der Markt für Biomilch weiterentwickle. Dazu Schmal: „Aktuell ist es schwierig. Wir haben beispielsweise im Odenwald immer noch vier Biomilcherzeuger, die auch fast zwei Jahre nach der Pleite der Berliner Milcheinfuhrgesellschaft B.M.G. ihre Milch noch konventionell vermarkten müssen, weil keine Biomolkerei die zusätzliche Biomilch aufnimmt.“ Zudem bereitet ihm Sorge, dass nun auch die Discounter den Preiskampf bei Bioprodukten für sich entdeckt hätten. Da der Biomarkt aber stetig wachse, sieht Schmal langfristig gute Chancen für Biomilch.