Milch: Preissturz und "Gipfel"-Beratung

Die jüngste Preissenkungsrunde für Milcherzeugnisse im Lebensmitteleinzelhandel ist über die Partei- und Verbandsgrenzen hinweg auf scharfe Kritik und Unverständnis gestoßen. Die Bauernverbände warnen vor Höfesterben, Grüne und BDM pochen auf Milchmengenbegrenzung.

Vor einer Woche haben die Discounter Aldi und Norma ihren Preis für einen Liter Vollmilch im Einstiegssegment von 0,59 auf 0,46 € und damit um 22 % gesenkt. Zudem verbilligte sich das 250-g-Päckchen Butter von 0,75 auf 0,70 €, und auch Schlagsahne, Kondensmilch, Kräuterquark und Joghurt wurden günstiger.

Aldi: „Wir sind nicht verantwortlich“

Aldi Süd und Nord begründeten die Preisreduzierung in einer Presseerklärung mit dem Überangebot auf dem globalen Milchmarkt. Die Molkereien hätten deshalb die Milch billiger angeboten, und es gehöre zu den Grundsätzen des Unternehmens, günstigere Einkaufspreise an die Verbraucher weiterzugeben. Der Handelskonzern bedauerte, dass „die Preisbildung des Marktes aus Sicht der Erzeuger die Qualität ihrer Produkte nicht angemessen wiedergibt“, doch sei der Lebensmitteleinzelhandel nicht für das aktuelle Überangebot an Rohmilch verantwortlich.

"Milchgipfel" am 25. Mai
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt plant einen „Milchgipfel“ mit Spitzenvertretern aus Politik und Verbänden am 25. Mai 2016. Teilnehmen sollen Verbände aus Landwirtschaft, Molkereiwesen und Lebensmitteleinzelhandel. Dem Vernehmen nach will Schmidt auch seine Amtskollegen aus den Ländern einladen.
Friedrich Ostendorff, Agrarsprecher der Grünen, kritisierte das Vorhaben als „eine weitere Ankündigung auf der langen Liste des Ankündigungsministers“. Schmidt habe wertvolle Zeit verstreichen lassen und es versäumt, Initiativen zur Mengensteuerung anzuregen. „Das war nicht nur Unfähigkeit, sondern auch eine gewollte Bereinigungsmaßnahme", so Ostendorff. AgE

Indes monierte die Agrarsprecherin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Marlene Mortler, dass die vier großen Lebensmittelhandelskonzerne durch ihren Preiskampf zu wenig Verantwortung für eine hochwertige lokale Milchproduktion übernähmen. „Eine Handvoll Händler bestimmt über das Wohl und Wehe der vielen Milchbauern, die ihre Betriebe mit solchen Preisen auf Dauer nicht halten können.“ Aber auch von den Molkereien zeigte sich Mortler enttäuscht, da sie nicht alle Möglichkeiten genutzt hätten, um sich bei den Verhandlungen mit dem Handel besser zu positionieren.

Schizophrenes Verhalten von Handel und Molkereien

Für den Präsidenten des Landesbauernverbandes Brandenburg (LBV), Henrik Wendorff, verhalten sich der Handel und die Molkereien schizophren, da sie auf der einen Seite die Anforderungen an die Produktion und das Tierwohl immer weiter heraufsetzten, andererseits aber die Erzeugerpreise gnadenlos drückten, was die Bauern in den Ruin treibe. Wendorff stellte klar:

„Wer den Liter Frischmilch für 46 Cent und das 250-g-Päckchen Butter für 70 Cent verschleudert, muss sich im Klaren darüber sein, dass die Landwirte davon nicht leben können.“ Nachhaltiges Handeln sehe anders aus; man müsse den Erzeugern solche Erlöse lassen, die mindestens die Kosten deckten. Der LBV-Präsident warnte, dass sich bei fortgesetzter Preisdrückerei das Sterben der Milcherzeugung und die fortschreitende Konzentration zu größeren Beständen beschleunigen würden. Das habe negative Folgen für die Dörfer und die dortigen Arbeitsplätze.

Der Vizepräsident des Landvolks Niedersachsen, Albert Schulte to Brinke, bezeichnete die jüngste Rotstiftaktion im Handel und den Verfall der Milcherzeugerpreise im Norddeutschen Rundfunk (NDR) als „dramatisch“. Ein Grund sei, dass der Markt im Moment nicht so aufnahmefähig sei, was auch international gelte.

Schaber: "Wir haben genug diskutiert“

Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer bezeichnete die jüngste Preissenkungsrunde für Milchprodukte im Einzelhandel im NDR als höchst besorgniserregend. Das sei inmitten dieser schweren Marktkrise das absolut falsche Signal und zeige, "wie prekär die Lage mittlerweile ist“. Ein derartiges Verramschen von Lebensmitteln sei auch ethisch nicht mehr vertretbar, betonte Meyer. Er warnte davor, dass der Absturz des Erzeugerpreises auf voraussichtlich bald weniger als 20 Cent/kg auch dramatische volkswirtschaftliche Folgen habe.

Für den Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) ist die Debatte um die Verantwortung für die jüngste Milchpreissenkung nicht zielführend, da sie den Erzeugern in der akuten Krise nicht helfe. „Wir haben genug diskutiert! Es kann im Moment nur noch darum gehen, die Milchbetriebe zu retten“, betonte BDM-Vorsitzender Romuald Schaber. In der Pflicht sieht er nach dem Beschluss der Agrarministerkonferenz (AMK) zur Milchpolitik im Frühjahr vor allem Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt. Er müsse die rechtlichen und die organisatorischen Parameter für die Umsetzung einer freiwilligen Milchmengendrosselung erarbeiten.

Finanzielle Hilfen an eine Mengenreduzierung zu knüpfen sei schon deshalb sinnvoll, weil damit die eingesetzten Mittel eine Hebelwirkung entfalten könnten, die letztlich allen Milchviehhaltern zugutekomme, erklärte Schaber. Dabei müssten die großen Milchnationen Frankreich und Deutschland vorangehen. Dazu sei Frankreich bereit, Deutschland bisher leider nicht. AgE