Wochenblatt: Herr Biedemann, Sternfahrt NRW, Großdemo Berlin, Agrargipfel bei Kanzlerin Merkel: Welches Fazit ziehen Sie?
Georg Biedemann: In Summe haben wir viel erreicht. Besonders durch die Demo in Berlin: Während vorher fast kein Politiker mit uns reden wollte, rennen wir nun offene Türen ein. Viele kommen sogar raus auf unsere Höfe und informieren sich vor Ort. Und ohne uns hätte es den Agrargipfel bei der Kanzlerin nicht gegeben. Immerhin sind daraus weitere Gesprächs- und Arbeitsgruppen entstanden.
Sie wollten Dialog statt Konfrontation. Sind Sie am Ziel?
Den Dialog haben wir erreicht. Das liegt vor allem daran, dass alles friedlich und gewaltfrei abgelaufen ist und wir angenehm aufgefallen sind, weil wir zum Beispiel Obst und Gemüse an Verbraucher verteilt haben. Jetzt geht es darum, unsere Forderungen zu formulieren und diese auch umgesetzt zu bekommen.
Klappt das? Hat LsV genug Kraft für die trockene Sacharbeit? WhatsApp-Gruppenleiter berichten, dass sie sofort Leute für einen Treckerkonvoi finden, aber niemanden, der ein Protokoll schreibt.
Das ist tatsächlich so. Einige sagen uns ganz offen „Ich kann besser Trecker fahren“, wenn es darum geht, Positionen aufs Papier zu bringen. Und ich selbst merke auch, dass es im Moment mehr Arbeit ist, als ich leisten kann. Trotzdem müssen wir von LsV es jetzt schaffen, dass jedes Bundesland ein Positionspapier erstellt.
Gelingt Ihnen das?
In NRW arbeiten wir gut mit den beiden Landesbauernverbänden RLV und WLV zusammen. Das hilft uns. Bei den Positionen haben wir viele Gemeinsamkeiten, aber auch einige Unterschiede.
Konkret: Was fordern Sie bei der Düngeverordnung?
Die positiven Beispiele der Wasserkooperationen sollten Schule machen. Wir fordern, dass wir auch in roten Gebieten die Pflanzen ausreichend versorgen dürfen, dass wir Zwischenfrüchte weiter andüngen dürfen, dass Landwirte in Ackerbauregionen Güllebehälter bauen dürfen und dass die Regierung Gülleimporte aus den Niederlanden stärker kontrolliert.
Und Ihre Forderungen zum Agrarpaket und zu Mercosur?
Die Bauernverbände und Berufskollegen aus Ostdeutschland sehen das anders, aber ich bin offen für eine höhere Umschichtung von der Ersten in die Zweite Säule, meinetwegen bis zu 15%. Ich sehe die Chance, dass wir Landwirte dadurch Umweltleistungen bezahlt bekommen, die uns der Staat sonst nicht zahlen würde. Rinderhalter wünschen sich natürlich, das Mercosurabkommen komplett zu stoppen. Ob das gelingt, ist aber fraglich. Auf jeden Fall fordern wir, Rindfleisch, das nicht aus Deutschland oder der EU kommt, eindeutig zu kennzeichnen.
Um Ihre Forderungen umzusetzen, müssen Sie auf der großen Politikbühne mitmischen und die Spielregeln beherrschen. Können Sie das?
Wir sprechen bundesweit gerade Landtags- und Bundestagsabgeordnete an. Zum Beispiel bekommen sie einen Frühstückskorb mit regionalen Produkten und Informationen von uns. Die Reaktionen sind positiv, wenngleich völlig offen ist, was dabei herumkommt. Das Gute ist aber, dass LsV in den Diskussionen zusätzlich zum Bauernverband vertreten ist, nicht stattdessen. So bekommen die Landwirte oftmals zwei Sitze mehr als sonst.
Personell hatte es bei LsV zuletzt ordentlich geknirscht. Wie ist der aktuelle Stand?
Nicht viel besser. Maike Schulz- Broers, die LsV Anfang Oktober ins Leben gerufen hat, ist auf Bundesebene nicht mehr dabei und lässt ihren Ehrensitz im Beirat ruhen. Sie ist aber trotzdem noch aktiv, auch im Namen von LsV. Glücklich ist das nicht.
Und die Nachricht, dass LsV eine Partei gründen wolle, hat in den sozialen Medien hohe Wellen geschlagen.
Wo auch immer diese Meldung herkommt: Da ist nichts dran! Der Bundesvorstand will keine LsV-Partei gründen – auch wenn viele Landwirte das gut finden würden. Ich sage allerdings, damit würden wir die gesamte Arbeit der letzten Wochen zunichtemachen. Denn jetzt sind wir endlich mit den etablierten Parteien im Gespräch. Würden wir eine eigene Partei gründen, wären alle Türen wieder zu.
Initiatorin im Hintergrund
Maike Schulz-Broers hat am 1. Oktober 2019 die Facebookgruppe „Land schafft Verbindung“ gegründet und die Bewegung ins Rollen gebracht. Nach einem Richtungsstreit und der Versöhnung bleibt die Landwirtsfrau nun im Hintergrund aktiv. Gegenüber dem Wochenblatt bezeichnet sie das Gerücht um eine Parteigründung als „völlig daneben“.
LsV ist durch die sozialen Medien stark gewachsen. Sind das jetzt die Schattenseiten?
Absolut. Deshalb müssen wir enorm aufpassen. Wir haben vermutlich mehr als 130.000 Menschen über WhatsApp vernetzt. Jeder konnte bislang beitreten. Und wir sind uns sicher, dass auch Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, kritische Journalisten und Polizisten dabei sind und mitlesen.
Was wollen Sie tun?
Wir versuchen, E-Mail-Adressen einzurichten und wichtige Dinge wie Positionspapiere darüber zu kommunizieren. Das ist aber schwer. Die Bereitschaft ist gering.
Wie finanzieren Sie sich?
In NRW haben wir das Obst und Gemüse, das wir an Verbraucher verteilt haben, gestiftet bekommen. Die LsV-Werbematerialien haben wir besorgt und an Landwirte verkauft. Damit haben wir einen kleinen Überschuss erzielt, mit dem wir dann Infomaterial bezahlt haben, das wir wiederum an Verbraucher verteilt haben. Dann gibt es noch Unterstützer, zum Beispiel hat die Messe „Green Live“ in Kalkar uns einen Stand kostenlos zur Verfügung gestellt.
Und auf Bundesebene? Auf der Homepage sind etliche Unterstützer aufgeführt.
Es sind wohl Gelder geflossen. Wohin, kann ich nicht genau sagen.
Hört sich an, als wären Sie unzufrieden.
Klar ist, dass wir das alles ehrenamtlich machen und aktuell alle überlastet sind. Aber dann müssen wir uns Unterstützung holen. Denn solche Fragen dürfen erst gar nicht entstehen. Zudem müssen wir dringend unsere Homepage überarbeiten und die Pressearbeit verbessern.
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