Die Ausbreitung des Coronavirus stellt die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt vor nie gekannte Probleme. Bundesrat und Bundestag haben im Eilverfahren Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld beschlossen.
Die neuen Regeln gelten rückwirkend ab 1. März. Mit dem Kurzarbeitergeld will der Bund Unternehmen helfen, die unter massiven Lieferengpässen leiden oder behördlich geschlossen werden müssen (etwa Gaststätten, Geschäfte). Die Bundesregierung will damit auch Entlassungen von Mitarbeitern vermeiden.
Was ist Kurzarbeit?
Kurzarbeit bedeutet eine vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen normalen Arbeitszeit. Falls die Kurzarbeit eine vorübergehende Einstellung der Arbeit zur Folge hat, spricht man von Kurzarbeit Null. Die Kurzarbeit kann sich auch auf bestimmte abgrenzbare Teile eines Betriebes erstrecken.
Welche Erleichterungen bringt das neue Gesetz?
Es müssen rückwirkend seit 1. März 2020 nur 10 % (bisher ein Drittel) der Beschäftigten im Unternehmen vom Arbeitsausfall betroffen sein. Auch Leiharbeitnehmer können Kurzarbeitergeld beziehen. Die Bundesagentur für Arbeit wird die vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge in vollem Umfang erstatten! In Betrieben, in denen Arbeitszeitkonten genutzt werden, verzichtet die Arbeitsagentur auf den Aufbau von Minusstunden.
Zeitkonten ausgeschöpft?
Werden im Betrieb flexible Arbeitszeiten etwa in Form von Jahresarbeitszeitkonten gelebt, so haben die Agenturen für Arbeit im Rahmen der Unvermeidbarkeit zu prüfen, ob der Arbeitsausfall durch eine im Betrieb zulässige Arbeitszeitregelung vermieden werden kann. Der Betrieb muss dann darlegen, dass alle Möglichkeiten der Flexibilisierung vor Einführung der Kurzarbeit tatsächlich ausgeschöpft wurden. Hierzu gehört grundsätzlich auch der Abbau von Arbeitszeitguthaben.
Während dieser Zeit erhält der Arbeitnehmer jedoch seine volle Vergütung. Dies können einige Betriebe derzeit nicht leisten. In solchen Fällen wird der Abbau von Überstunden vor Inanspruchnahme des Kurzarbeitergeldes nicht verlangt. Der Arbeitnehmer kann also Kurzarbeitergeld beziehen, ohne dass er ein Arbeitszeitguthaben zunächst aufbrauchen muss. Der Arbeitgeber muss dann bei Antragstellung auf Gewährung von Kurzarbeitergeld gegenüber der Agentur für Arbeit angeben, dass das Zeitguthaben „nicht verwertbar“ ist.
Für den Bezug von Kurzarbeitergeld muss ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 170 SGB III vorliegen, das den Arbeitsausfall unvermeidbar macht. Zudem muss mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit für die weitaus überwiegende Zahl der Arbeitnehmer wieder mit dem Übergang zur Vollarbeit zu rechnen sein. Dies ist bei der Corona-Pandemie der Fall.
Zur Vermeidung des Arbeitsausfalles kann auch die Gewährung von Urlaub in Betracht kommen. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber aber nicht fordern, dass der Arbeitnehmer Urlaub macht, um Kurzarbeit zu vermeiden. Sofern jedoch der Urlaub, etwa durch Eintragung in die Urlaubsliste, durch Urlaubsplan oder Betriebsferien auf einen Zeitraum festgelegt ist, der von der Kurzarbeit erfasst wird, muss der Arbeitnehmer zunächst den Urlaub antreten.
Der Arbeitsausfall im Unternehmen muss einen bestimmten Umfang erreichen. Er liegt vor, wenn im Kalendermonat mindestens 10 % der in dem Betrieb tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen sind.
Vorgaben zum Arbeitsrecht
Grundsätzlich muss der Arbeitgeber das Recht haben, Kurzarbeit anzuordnen. Dies kann sich aus dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergeben. Der Manteltarifvertrag für Landarbeiter in Westfalen-Lippe sieht keine Regelung zur Kurzarbeit vor. In den vom Arbeitgeberverband der Westfälisch-Lippischen Land- und Forstwirtschaft (WLAV) erstellten Arbeitsverträgen ist geregelt, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, einseitig über sein Direktionsrecht Kurzarbeit anzuordnen. Existiert keine arbeits- oder tarifvertragliche Regelung, muss der Arbeitgeber mit jedem Mitarbeiter eine Vereinbarung zur Kurzarbeit treffen (der Arbeitnehmer muss dann zustimmen).
Existiert ein Betriebsrat, muss er der Kurzarbeit zustimmen. Muster für Betriebsvereinbarungen zur Einführung von Kurzarbeit stellt der WLAV seinen Mitgliedern bei Bedarf zur Verfügung.
Wer hat Anspruch?
Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben grundsätzlich alle versicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer. Minijobber sind damit außen vor. Ausgeschlossen vom Kurzarbeitergeld sind weiterhin:
- Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis gekündigt oder durch Auflösungsvertrag aufgelöst ist;
- Arbeitnehmer, die an beruflichen Weiterbildungen teilnehmen;
- Bezieher von Krankengeld;Personen, die nicht berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig sind (dazu zählen auch Landwirte, die hauptsächlich im eigenen Betrieb arbeiten);
- Studenten, die nur in den Semesterferien arbeiten;
- Rentner, die das Regelrenteneintrittsalter erreicht haben, sowie Arbeitnehmer, die Anspruch auf eine Rente wegen vollständiger Erwerbsminderung haben.
Der Gesetzgeber hat die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes seit dem ersten Kurzarbeitertag im jeweiligen Betrieb auf zwölf Monate begrenzt. Die Höhe bemisst sich nach der Nettoentgeltdifferenz im Anspruchszeitraum sowie dem Leistungssatz und der Leistungsgruppe. Die Nettoentgeltdifferenzen entsprechen dem Unterschiedsbetrag zwischen dem pauschalierten Netto-Entgelt aus dem Soll-Entgelt und dem pauschalierten Netto-Entgelt aus dem Ist-Entgelt. Als Soll-Entgelt ist das Brutto-Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, das der Arbeitnehmer ohne Mehrarbeit und Sonderzahlungen ansonsten in dem Zeitraum verdient hätte.
So wird das das Kurzarbeitergeld berechnet
Franz Meier, verheiratet, zwei Kinder, arbeitet als Arbeitnehmer auf dem Hof von Max Bauer. Seine tarifliche Arbeitszeit pro Monat beträgt 160 Stunden (h). Tatsächlich wird Meier im März 2020 aufgrund der angemeldeten Kurzarbeit aber nur 122 h arbeiten. Sein Arbeitsentgelt je Stunde beträgt 11 € brutto.
So muss der Arbeitgeber rechnen:
Bruttolohn für Meier regulär: 11 € x 160 h = 1760 €.Pauschalierter Nettolohn (Soll-Entgelt) = 1328 €
Bruttolohn Kurzarbeit: 11 € x 122 h = 1342 €Pauschalierter Nettolohn Kurzarbeit (Ist-Entgelt) = 1072 €.
Unterschiedsbetrag (= Nettoentgeltdifferenz) = 256 €.
Fazit: Da Meier Kinder hat, erstattet die Agentur für Arbeit 67 % von 256 € (= 171,52 €) dem Arbeitgeber. Statt der üblichen 1328 € netto erhält Franz Meier netto 1243,52 € als Lohn ausgezahlt.
Wie sähe die Rechnung aus, wenn Max Bauer seinen Arbeitnehmer Meier im März 2020 coronabedingt ganz nach Hause schicken würde – also Kurzarbeit Null anordnet?
Der Arbeitgeber müsste dann so rechnen:
Bruttolohn regulär: 11 € x 160 h = 1760 €.
Pauschalierter Nettolohn (Soll-Entgelt): 1328 €.
Ist-Entgelt (Kurzarbeit 0): 0 h x 11 € = 0 €
Unterschiedsbetrag (= Nettoentgeltdifferenz) = 1328 €.
Fazit: Da Meier Kinder hat, erstattete die Agentur für Arbeit 67 % von 1328 € (= 889,76 €) dem Arbeitgeber. Statt der üblichen 1328 € netto erhält Franz Meier 889,76 € netto als Kurzarbeitergeld.
67 % oder 60 %
Nach Festlegung der Nettoentgeltdifferenz im Anspruchszeitraum müssen Sie prüfen, wie hoch der Leistungssatz für den einzelnen Arbeitnehmer liegt. Das Kurzarbeitergeld beträgt 67 % der Nettoentgeltdifferenz im Anspruchszeitraum bei Arbeitnehmern,
- auf deren Lohnsteuerkarte ein Kinderfreibetrag mit einem Zähler von mindestens 0,5 eingetragen ist oder
- bei denen ein zu berücksichtigendes Kind durch eine Bescheinigung des Arbeitsamtes nachgewiesen ist,
- bei allen andere Arbeitnehmern 60 %.
Und das Fazit?
- Falls Sie einen oder mehrere Arbeitnehmer beschäftigen: Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Kurzarbeitergeld in Höhe des ihm ansonsten zustehenden Arbeitslosengeldes I auf die Nettolohndifferenz.
- Wurde die Nebentätigkeit schon vor Beginn der Kurzarbeit ausgeübt, wird dieses Einkommen nicht angerechnet.
- Einkommen, das der Arbeitnehmer aus einer unselbstständigen Beschäftigung oder aus einer selbstständigen Tätigkeit für Zeiten des Arbeitsausfalles erzielt und die er während des Bezugs von Kurzarbeitergeld aufgenommen hat, wird voll angerechnet.
- Einschränkung: Am Montag letzter Woche hat das Bundeskabinett beschlossen, dass Einkommen aus einer Nebenbeschäftigung übergangsweise bis Ende Oktober 2020 bis zur Höhe des Nettolohns aus dem Beschäftigungsverhältnis nicht aufs Kurzarbeitergeld angerechnet wird. Damit will Berlin erreichen, dass Kurzarbeiter als Saison-AK etwa Spargel stechen.
Anzeige der Kurzarbeit
Kurzarbeitergeld wird nur dann gezahlt, wenn Sie den Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit schriftlich oder durch Nutzung des Online-Verfahrens anzeigen. Mit der Anzeige müssen Sie alle Voraussetzungen für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld glaubhaft machen.
Vordrucke für die Anzeige des Arbeitsausfalls stellt die örtliche Agentur zur Verfügung, Sie finden sie hier.
Sie müssen das Kurzarbeitergeld zeitnah beantragen bzw. anzeigen. Das ist entscheidend für den Zahlungsbeginn. Das Kurzarbeitergeld wird grundsätzlich frühestens von dem Kalendermonat an gewährt, in dem die Anzeige bei der Arbeitsagentur eingegangen ist. Betroffene können zum Beispiel im Falle von Betriebsschließungen oder bei verringertem Arbeitsanfall wegen des Coronavirus das Kurzarbeitergeld rückwirkend ab 1. März 2020 beantragen.
Als Arbeitgeber sind Sie verpflichtet, das Kurzarbeitergeld zu errechnen und auszuzahlen sowie der Agentur für Arbeit die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld nachzuweisen. Die verauslagten Beträge werden Ihnen dann auf Antrag von der Agentur erstattet. Den Antrag müssen Sie an die für die Lohnstelle des Betriebes zuständige Arbeitsagentur richten. Den Antrag müssen Sie für jeden Anspruchszeitraum (Kalendermonat) erneut stellen. Entsprechende Vordrucke (Abrechnungslisten) und eine ausführliche Ausfüllanleitung gibt es bei der Agentur für Arbeit.
Dem ersten Antrag müssen Sie zwingend die Arbeitsverträge, die jetzt abzuschließenden Vereinbarungen zur Kurzarbeit oder entsprechende Betriebsvereinbarungen beifügen.
Sozialbeiträge erstattet
Während des Bezuges von Kurzarbeitergeld bleibt das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis bestehen. Wie bereits dargestellt: Die gesetzlichen Neuregelungen stellen sicher, dass die Agentur für Arbeit dem Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge für das Kurzarbeitergeld in voller Höhe erstattet. Unsere Ausführungen stehen unter dem Vorbehalt neuer Erkenntnisse und Entwicklungen der Gesetz- und Verordnungsgebung, der Rechtsprechung und Wissenschaft. Wir haben die Informationen mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt, können aber keine Gewähr für deren Richtigkeit und Vollständigkeit übernehmen. Vorsorglich weisen wir auch darauf hin, dass unsere Informationen keine anwaltliche Rechtsberatung darstellen und keine einzelfallbezogene rechtliche Beratung ersetzen können.
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