Bei Rinderschlachtbetrieben gibt es Komplikationen bei der Vermarktung der Häute. Die Häuteverwertung funktioniert folgendermaßen: In Deutschland werden pro Woche etwa 58 000 bis 65 000 Bullen, Kühe, Färsen und Kälber geschlachtet. Nach Abholung und Aufbereitung der Felle – schadhafte Teile und Fette werden entfernt sowie die Haut „gespalten“ – wird die Hautunterseite für die Kollagen- und Gelatineproduktion verwendet. Der andere Teil gehen in drei wesentliche Verwertungsrichtungen:
- Die guten Fleckviehhfelle mit ihrem spezielle Hautgeflecht – der Fachmann spricht von „stockig“ - nimmt die deutsche und österreichische Lederwarenindustrie für die Autoproduktion.
- Die Felle der Holstein Friesian-Kühe und die leichten süddeutschen Felle wandern in die Schuh- und Möbelindustrie.
- Ein ganz wesentlicher Teil der weniger guten Qualitäten geht als gesalzene Häute nach China.
Problem: Markt in China und Italien steht still
Aber es läuft nicht mehr rund. China nimmt seit Dezember 2019 gar keine Felle mehr, und das dürfte noch länger so bleiben: Die Lager liegen voll.
Die europäische Autoindustrie steht ebenfalls still, die vorgelagerten Lederaufbereitung auch weitgehend.
Zu der normalen Lederindustrie ist zu sagen: Hauptabnehmer ist Italien. In dem Ort Arzignano ist die Lederindustrie so konzentriert, dass in der Spezialkläranlage allein 40 Personen arbeiten - jetzt nicht mehr. Die deutschen LKW mit den nicht gesalzenen, aber gekühlten Häuten, kommen wieder zurück. Und wohin damit?
Das Ergebnis: Die Erlöse der Rinderschlachtunternehmen für die Häute befinden sich im freien Fall.
Bis zu 15 Cent/kg Rindfleisch
Für eine Kuhhaut gibt es nur noch ein paar Euro, der Preis für die gute Fleckviehhaut - bislang ohnehin bei niedrigen knapp 50 bis 60 € - halbiert sich, wenn die Felle überhaupt abgeholt werden. Für den normalen Fleckviehbullen um 430 kg Schlachtgewicht bedeutet dies einen Erlösverlust von etwa 7 Cent/kg, bei Totalverlust des Hauterlöses sogar 11 bis 15 Cent/kg.
Die Entsorgungsunternehmen wehren sich gegen die Kuhfelle, weil der hohe Kollagenanteil in der Haut die Anlagen, Pumpen und Rohre verleimt. Die Rinderschlachter in NRW sind alarmiert.
Bei 60 000 Schlachtungen pro Woche und einem Häutegewicht von 40 kg fallen da 2400 t pro Woche an. Die Häuteindustrie versucht mit Hochdruck, die Felle doch abzunehmen und mittels „Einsalzen“ lagerfähig zu machen. Dazu fehlen aber die ausländischen Mitarbeiter, die anderen arbeiten mit Hochdruck und in Sonderschichten. Die gesetzlichen Arbeitszeitregelungen sind da schwierig einzuhalten. Die Fleischindustrie appelliert deshalb an die Politik, die Häute - und Fellindustrie für „systemrelevant“ zu erklären – was sie als Lebensmittelunternehmer im Bereich der Kollagene und Gelatine im Grunde auch ist. Bislang wurde sie bei den Sonderregelungen vergessen.