Es war Junglandwirt Julius Aundrup, der in seinem Schlusswort den diesjährigen Kreisverbandstag Coesfeld auf den Punkt gebracht hat: „Schon in meiner Kindheit stand die Landwirtschaft in der Kritik“, so der Sauenhalter aus Senden. Im Gegensatz zu heute habe sich aber etwas Entscheidendes geändert: Wo der Diskurs früher zu Verbesserungen geführt habe – mehr Auslauf für Hühner, lichtdurchflutete Ställe für Kühe – fehle ihm heute der Realitätsbezug. „Die aktuelle Kritik hat Dimensionen angenommen, die viele schlicht nicht mehr mitgehen können.“
Verschwundenes Volk
Landwirtschaft und Verbraucher scheinen den Bezug zueinander verloren zu haben. Ein Befund, den auch Gastredner und Kommunikationsexperte Andreas Möller teilt und für den er die passende Erklärung sogleich mitlieferte: War Anfang des 20. Jahrhunderts noch jeder zweite Deutsche in der Landwirtschaft beschäftigt, sind es heute weniger als 2%. Die Landwirtschaft und vor allem das Erfahrungswissen rund um die landwirtschaftliche Produktion sind aus der Öffentlichkeit verschwunden, stellte Möller fest und führte aus: „Genau diese Entfremdung, dieses Defizit an Wissen macht es heute so schwer, dem Verbraucher die ungeheure Leistung zu vermitteln, die hinter den Produkten steht.“
Der Erfolg der modernen Landwirtschaft auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und technischer Innovationen sei dabei gleichzeitig auch ihr größtes Problem. „Trotz der vergangenen Dürreperioden steht der Verbraucher vor gut gefüllten Regalen.“ Und auch Mutterkorn oder Kartoffelkäfer kenne heute kaum einer mehr. „Die Schattenseiten sind ausgemerzt und damit nicht mehr sichtbar. Wir sind so satt, dass wir uns Luxusdebatten leisten können.“
Emotionen vor Verstand
An die Stelle einer erfahrungsbasierten Meinung zur Landwirtschaft trete laut Möller heute ein medialer Zugang, der den Blick einerseits verkläre und andererseits verschärfe – die Verbraucher träumen von Bullerbü und regen sich über Tierfabriken auf. Um Gräben zwischen Stadt und Land zu überwinden, appelliert er an eine andere Kommunikation: „Sie können den Verbrauchern zwar rational erklären, warum Sie Pflanzenschutzmittel einsetzen. Es kommt im Kopf an, erreicht die Leute aber nicht im Herzen.“ Seine Empfehlung daher: „Setzen Sie auf Protagonisten, zeigen Sie Menschen und erzählen Sie Geschichten.“ Und: „Heben Sie Landwirtschaft auf eine höhere Ebene. Zeigen Sie, was für eine wichtige Rolle Sie im öffentlichen Leben auf dem Land spielen.“
Viele Maßnahmen schon umgesetzt
Dass es einiges zu zeigen gibt, machte der Kreisverbandsvorsitzende Michael Uckelmann deutlich. „Auf dem politischen Parkett folgt derzeit eine Ackerbaustrategie auf die nächste. In der Praxis passiert im Kreis Coesfeld schon allerhand“, zeigte der Landwirt aus Dülmen auf. So läuft das Projekt „Biodiversität im Energiepflanzenbau“ bereits im fünften Jahr, 25 Landwirte mit 75 ha Ackerland nehmen teil. Kreisweit wurden insgesamt 2% aller Ackerflächen für Gewässerschutz, Blühstreifen, Wildäcker und mehr aus der Erzeugung genommen. Auch die „Sonnenblumenaktion“ und das Projekt „Blütenpracht am Wegesrand“ laufen mit Erfolg. Doch damit nicht genug. „Für das Frühjahr 2020 haben wir uns das Ziel gesetzt, 25 ha Feldvogelinseln in Maisfeldern anzulegen“, kündigte Uckelmann an.
Gemeinsamer Gewässerschutz
Auch beim Gewässerschutz habe der Kreis Erfolge zu verzeichnen: Obwohl Coesfeld zu den am intensivsten landwirtschaftlich genutzten Kreisen in Deutschland gehöre, lasse sich mit vertretbarem Aufwand für Landwirtschaft und Trinkwasserversorger Trinkwasser in bester Qualität gewinnen. „Landwirtschaft und Gewässerschutz funktioniert“, stellte Uckelmann klar und verwies auf die erfolgreiche Zusammenarbeit der Wasserkooperation im Stever-Einzugsgebiet. Mit 14,5 mg/l Nitrat im Oberflächenwasser und keinem Einsatz von Aktivkohle in 2019 seien die Ziele der Kooperation erreicht worden.
Darüber hinaus werte der Kreis seit langem 6625 private Hausbrunnen aus – 96% dieser würden keine Nitrat-Grenzwertüberschreitung aufweisen, 85% lägen sogar unter 25mg/l Nitrat, Tendenz abnehmend. „Ungeachtet dessen wird die Verschärfung der Düngeverordnung aber kommen.“ Er hoffe, so der Vorsitzende weiter, dass die vom WLV geforderte Binnendifferenzierung von der europäischen Kommission anerkannt werde. „Aber auch mit Binnendifferenzierung werden auf die Landwirte Investitionen in Technik und vor allem in Lagerraum zukommen. Hierfür muss es finanzielle Unterstützung und Genehmigungen für Bauvorhaben im Außenbereich geben“, fordert er. Gleiches gelte für den Bereich Tierwohl. „Wenn mehr Tierschutz Staatsziel ist, der Verbraucher aber nicht bereit ist, den Mehraufwand zu zahlen, muss der Staat mit Steuergeldern einspringen.“
Kommunikation verbessern
Eigenen Handlungsbedarf benannten sowohl Uckelmann als auch Geschäftsführer Raphael van der Poel in einer schnelleren verbandsinternen Kommunikation. Mit Blick auf die Organisationsstruktur von Land schafft Verbindung habe sich der WLV personell umstrukturiert und biete unter anderem über WhatsApp-Gruppen schnellere Kommunikationswege an.
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