Fehlende Wertschätzung und Planungssicherheit, steigende Auflagen bei nicht mitziehenden Preisen - die Themen, die rund 300 Besucher auf dem gestrigen Kreisverbandstag Borken in Ahaus bewegten, waren die gleichen, die die Bauern auch Ende November auf die Straße getrieben haben.
„In der Kommunikation mit dem Verbraucher kommt es oft nicht auf fachliche Sachverhalte an“, bestätigte Gastredner Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, den Eindruck, der derzeit den landwirtschaftlichen Berufsstand umtreibt. „Es geht vielmehr um die richtige Ansprache der Konsumenten.“ Denn: Viele Sorgen der Verbraucher seien zwar irrational, dennoch aber vorhanden. Unter der Leitfrage, wie Lebensmittel und Landwirtschaft wahrgenommen, analysierte der Experte für das Risiko die gefühlten und berechtigten Sorgen der Bevölkerung. Vorab stand aber eine Nachlese der Berliner Bauern-Demonstration.
Den Protest gemeinsam nutzen
Die Bewertung von noch WLV-Präsident Johannes Röring fiel deutlich aus: „Natürlich hat die Demo etwas gebracht! Unsere Anliegen wurden wahrgenommen und sind in den Medien gut rübergekommen.“ Auch den Agrargipfel, zu dem Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag dieser Woche rund 40 Vertreter landwirtschaftlicher Verbände geladen hatte, sieht Röring in einem positiven Licht: „Viele sind enttäuscht, ich nicht“, positionierte er sich. So wolle Merkel beim Insektenschutz nun genauer hinsehen – für den Bauernpräsidenten eine wichtige Aussage.
Jetzt gelte es, den Protest klug zu nutzen: „Wir dürfen die Frage, wer uns vertritt, nicht unterschätzen. Wenn wir uns teilen lassen, hat keiner eine Chance“, mahnte Röring mit Blick auf die Initiative „Land schafft Verbindung“.
Stimmung der Unsicherheit
Auch der Borkener Kreisverbandsvorsitzende Ludger Schulze Beiering appellierte mehrfach daran, aus der entstandenen Protestbewegung gemeinsam mit dem Bauernverband „etwas Gutes zu machen“. Die Erfahrung des DBV gelte es zu nutzen.
In seinem Bericht zur Lage der Landwirtschaft griff Schulze Beiering die allgemeine Stimmungslage auf: „Die Anforderungen bei den Landwirten wachsen zusehends, die Preise allerdings nicht.“ So müsste beispielsweise ein mittlerer sechststelliger Betrag investiert werden, um die Auflagen für eine Siloanlage zu erfüllen - für kleine und mittlere Betriebe nahezu unmöglich. Auch Zielkonflikte bei Kastration, Stallbau und Pflanzenschutz befeuerten derzeit eine Stimmung der Unsicherheit.
"Nicht alleine Schuld"
Mit Blick auf die Diskussionen über Nitrat und Klima forderte der Kreisverbandsvorsitzende einen objektiven Gesamtblick ein: „Der Einfluss der Landwirtschaft bei der Nitratbelastung ist nicht von der Hand zu weisen“, räumte Schulze Beiering ein. Auch eine landwirtschaftliche Produktion ohne einen schädlichen Klimaeinfluss werde es nicht geben. „Aber sind wir deshalb an allem schuld?“ Emissionsmindernde Maßnahmen wie Güllebehälterabdeckungen würden im Kreis Borken gut nachgefragt, verwies er auf Anstrengung der Landwirte. Und: „Dass es mehr rote Gebiete im Kreis Borken gibt, war auch eine politische Entscheidung.“
In Bezug auf die jüngst vom Bundesamt für Naturschutz veröffentlichten Zahlen zur steigenden Wolfspopulation im Bundesgebiet führte Schulze Beiering aus: „NRW hat derzeit vier standorttreue Wölfe.“ Wolfs- und Herdenschutz hätten das Land bislang 880.000 € gekostet, also 220.000€ pro Wolf. „Ich sag mal so, eine Patrone kostet 2,50€“, so der Vorsitzende, der seine Aussage mit einem Nachsatz direkt zu relativieren versuchte. „Ich fordere jetzt nicht auf, Wölfe zu schießen.“ Die nackte Zahl sei aber schon beeindruckend.
Landwirtschaft und Bevölkerung Hand in Hand
Wie Umwelt- und Insektenschutz gemeinsam mit den Bürgern vor Ort aussehen kann, zeigten zwei Projekte der Fachschule für Agrarwirtschaft Borken. In einem Crowdfunding-Projekt für Blühstreifen schuf eine Projektgruppe die Möglichkeit für Bürger, auch ohne eigene Flächen und Maschinen einen Beitrag zum Insektenschutz zu leisten. Insgesamt legten die Schüler mit rund 1000 € Spenden der Bevölkerung 6 ha Blühstreifen an. Die Erfahrung der Projektgruppe: Vor allem die Spender-Akquise über Facebook traf auf eine große Resonanz. Eine weitere Projektgruppe baute vier Insektenhotels - zwei davon gemeinsam mit Kindergärten. Dazu nutzten sie fast ausschließlich vorhandene Materialien von ihrem Hof und aus der Natur – nur Kaninchendraht musste dazu gekauft werden. Ihr Resümee: Kinder sind unvoreingenommen gegenüber Natur und Landwirten – ein guter Ansatzpunkt für eine Sensibilisierung.
Den ausführlichen Bericht zum Kreisverbandstag Borken lesen Sie in der Wochenblatt Folge 50 vom 12. Dezember 2019.
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