In Städten und Gemeinden sieht es ziemlich trostlos aus in Sachen Klimaschutz und Artenvielfalt. Bekanntestes Beispiel sind die „steinernen Vorgärten“. Hier gilt es umzudenken, appellierte Markus Schreiber, stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes Westfälischer und Lippischer Imker, beim „Tag der Bienenweide“. Nach der Premiere 2018 in Bad Lippspringe fand die so titulierte Veranstaltung am Samstag vergangener Woche nun im LWL-Museum „Spinnerei“ in Bocholt, Kreis Borken, statt.
Das Thema aktuell: „Kommunale Möglichkeiten, die Artenvielfalt zu verbessern“. Moderiert wurde die Veranstaltung von Monika Ludwig, Obfrau für Bienenweide, Natur- und Umweltschutz des Landesverbandes.
Gebäude begrünen
Einige Städte, beispielsweise Münster, sind bereits aktiv geworden, indem sie im Rahmen eines Wettbewerbes den „schönsten Vorgarten“ prämieren. Doch nicht nur in Gärten, auch mittels Gebäudebegrünung lässt sich viel für Artenvielfalt und Umweltschutz tun. Welche Formen von Gebäudebegrünung es gibt und was diese alles leisten kann, verdeutlichte Dr. Nicole Pfoser, Professorin für Objektplanung an der Hochschule Nürtingen und Geschäftsführerin des Kompetenzzentrums Gebäudebegrünung und Stadtklima.
Bei Gebäudebegrünung haben viele die mit Efeu bewachsene Giebelwand vor Augen – und möglicherweise auch die damit verbundenen negativen Folgen. Denn diese lichtfliehende Kletterpflanze kann an Wänden mit Rissen oder Fugen in der Oberfläche Bauschäden verursachen.
Doch neben den traditionellen Formen boden- oder wandgebundener Fassadenbegrünung steht heute eine umfassende Systembreite an bau- und vegetationstechnisch optimierten Begrünungsformen zur Verfügung, verdeutlichte die Referentin. So ließen sich beispielsweise in Form vertikaler vorkultivierter Pflanzenmodule ganzflächige Vegetations-Vorfassaden ohne jeden Bodenanschluss wandgebunden realisieren.
Dämmwirkung und Lärmminderung
Auch beim Thema Dachbegrünung ist eine Vielzahl von Möglichkeiten gegeben: extensiv als mit Moos bewachsene Textilsysteme oder intensiv als Retentionsdach für Wasser oder sogar mit Bäumen bewachsen. „Durch Gebäudebegrünung erhöht sich die Dämmwirkung um 3 bis 10 %, entsteht Verschattung und Verdunstungskühle und dadurch eine Minderung von Temperaturextremen“, erläuterte Pfoser. Ihren Angaben zufolge haben 850 m² Grünfassade die gleiche Verdunstungsleistung wie vier 100-jährige Buchen. Zudem bieten begrünte Fassaden Fress-, Nist-, Fang- und Versteckplätze für verschiedenste Tierarten wie Vögel, Insekten oder Spinnen.
Fassadenbegrünung trage aber auch zur Lärmminderung und damit zu einer besseren Lebensqualität bei. Grundsätzlich könne eine falsche Gebäudebegrünung natürlich Probleme bereiten. „Doch leider werden viele Vorurteile zur Gebäudebegrünung weitergetragen, das Wissen dazu aber nicht“, bedauerte die Expertin. Mittlerweile gibt es einen Leitfaden mit Informationen zu den einzelnen Pflanzen wie Wuchshöhe, Lichtbedarf oder auch Giftigkeit. „Wir haben belegt, welche Pflanzen sich für welche Fassaden eignen“, so Pfoser.
Unter dem Titel „Gebäude Begrünung Energie“ hat auch die Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL) einen Leitfaden für mehr Grün im Bauwesen erarbeitet. Mit der Initiative „Auf die Dächer – fertig – grün!“ wirbt Hamburg für eine umfassende Begrünung von Dachflächen und stellt bis Ende 2024 mehr als 3 Mio. € für den Bau von Gründächern zur Verfügung.
„Der Bundesverband GebäudeGrün in Berlin führt Listen, was im Bereich Gebäudebegrünung wie hoch gefördert wird“, informierte Pfoser. An der Förderung beteiligen sich auch Städte in Westfalen-Lippe wie Rheda-Wiedenbrück oder Rietberg.
Bocholt: „Natur in die Stadt“
Welchen Beitrag die Stadt Bocholt zur Steigerung der Artenvielfalt leistet, war Thema von Reinhold Wilke, Fachbereichsleiter Tiefbau, Verkehr, Stadtgrün und Umwelt. „Der Grundsatz lautet: Natur in die Stadt“, betonte Wilke. In Bocholt befasse man sich bereits seit Mitte der 1990er-Jahre mit der naturnahen Entwicklung städtischer Grünanlagen und Fließgewässer. Zwei Drittel der insgesamt 590 ha städtischer Grünflächen werden laut Wilke extensiv genutzt, zum Beispiel nicht gedüngt und nur ein- bis zweimal jährlich gemäht.
In der Kategorie Städte bis 100.000 Einwohner wurde Bottrop (75.000 Einwohner) erneut zur fahrradfreundlichsten Stadt gewählt. Als größte Stadt im Kreis Borken ist sie aber auch die waldärmste Kommune in NRW. Wo möglich, werden daher Bäume gepflanzt. „Bis 2022 wollen wir, zusätzlich zu Ausgleichsmaßnahmen, 800 Bäume pflanzen“, informierte Wilke. Zur Pflanzzeit werden zudem kostenlos heimische Laubbäume an Interessierte abgegeben. Aktuell werden Bürger in Bocholt gesucht, die bereit sind, mit städtischer Förderung ihre Vorgärten naturnah umzugestalten. Dazu soll in diesem Frühjahr eine Informations- und Motivationskampagne starten.
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