Kartoffelanbau: Sikkation wird schwieriger

Der Kartoffelanbau steht vor großen Herausforderungen, weil wichtige ­Pflanzenschutzmittel fehlen und klimabedingt neue Schädlinge auftreten.

Auslaufende Zulassungen von wichtigen Pflanzenschutzmitteln erschweren im Kartoffelbau die Krautregulierung (Sikkation) und die Keimhemmung, zunehmende Probleme mit Durchwuchskartoffeln und ­regional starker Befall mit Spinnmilben – diese zentralen Probleme wurden auf einer Kartoffeltagung am Dienstag vergangener Woche im niedersächsischen Haren im Emsland intensiv diskutiert. Der Pflanzenschutzmittelhersteller FMC mit seiner deutschen Landesorganisation Cheminova Deutschland hatte Vertreter aus Offizialberatung und Handel eingeladen. Der Ort war gut gewählt, wachsen doch allein 30  000 ha vor allem Stärkekartoffeln auf den leichten, sandigen Böden im Emsland.

Sikkation wird schwieriger

Große Probleme bereitet schon im nächsten Anbaujahr die Sikkation. Am 4. Februar 2020 endet die Aufbrauchfrist für das Standardmittel „Reglone“ und die entsprechenden Generika mit dem Wirkstoff Deiquat. „Dann müssen 75% des Marktes (Reglone und Generika) mit anderen Mitteln aufgefangen werden“, sagte FMC-Fachberater Tobias Elfrich. Das Problem: Alternativen, die ähnlich gut wirken wie Reglone, gibt es momentan nicht. Dies bestätigte auch Martin Kanders von der Landwirtschaftskammer NRW. Aus den Versuchen der Landwirtschaftskammer leitete der Kartoffelfachmann ab, dass mit den getesteten Alternativen Beloukha, Quickdown und Shark eine ausreichende Regulierung des Kartoffelkrautes deutlich schwieriger wird. „Die Absterbegeschwindigkeit dauert mindestens eine Woche länger, die Stängelwirkung wird reduziert, sodass zukünftig mehr Behandlungen notwendig werden. Nur bei einer starken natürlichen Abreife sei eine Sikkation mit den genannten Mitteln möglich. In grünen Beständen müsse das „Krautschlagen“ Baustein der Strategie werden.

Dies wurde auch bei der Versuchsbesichtigung deutlich:

  • Die Parzelle Krautschlagen gefolgt von Shark sah mit Abstand am besten aus. Dabei war grundsätzlich in allen Varianten ein späterer Spritzstart Ende August in der Wirkung besser.
  • Die Wirkung von Beloukha (16 l/ha) mit dem Wirkstoff Pelargonsäure ist teuer und war in ihrer Wirkung sehr unterschiedlich von sehr schlecht bis knapp befriedigend. Bei heißem, trockenem Wetter, spät ausgebracht, waren die Wirkungen besser.
  • Auch Spritzfolgen mit bis zu drei Behandlungen konnten oft nicht überzeugen.
  • Sehr gut wirkte ein neues Mittel, welches derzeit von der Landwirtschaftskammer geprüft wird und hoffentlich irgendwann zugelassen wird.

Die Keimung hemmen

Die zweitgrößte Baustelle ist der Wegfall des Keimhemmungsmittels Chlorpropham. Die Aufbrauchfrist endet hier am 8. Oktober 2020. Eine Einlagerungsbehandlung ist damit nicht mehr möglich, erklärte Martin Kanders.

Anders als bei der Sikkation gibt es aber mit 1,4-Sight und Biox-M Alternativen, die zwar wirken, aber schwieriger einzusetzen sind. Nachteil ist etwa der Geruch, der höhere Preis, der von etwa 0,30 €/dt auf über 1 €/dt ansteigen wird. Biox-M darf zudem nicht mit den bekannten Heißnebelgeräten ausgebracht werden. Notwendig sind teure Thermalnebelgeräte (Elektrofogger). Außerdem müssen die Lagerhallen dicht sein. Landwirte mit alten Lägern bekommen Pro­bleme. „Daher ist für jeden Betrieb eine individuelle Strategie nötig“, so Kanders. Landwirte mit Kurzzeitlager ohne Kühlung (nicht dicht, keine Vernebelung möglich) sollten keimträge Sorten anbauen, die bereits im Feld mit Maleinsäure behandelt werden. Diese Sorten sollten dann zeitig vermarktet werden. Wer ein modernes Kisten- oder Flächenlager ohne Kühlung besitzt, sollte nach dem Einsatz von Maleinsäure im Feld die beiden neuen Produkte ausprobieren. In einem modernen Kistenkühl­lager reicht in keimträgen Sorten nach Maleinsäureeinsatz eine Kühlung auf 4 bis 5 °C, um die ­Keimung zu verhindern. Im Langzeitlager ist dann eine späte Nachbehandlung mit den genannten Mitteln erforderlich.

Durchwuchskartoffeln

Schwierig ist und bleibt die Bekämpfung der Durchwuchskartoffeln, deren Probleme durch die wenigen Frosttage im Winter stark zugenommen haben. Im Getreide gibt es nach den Worten von Heiner ­Bruns, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, kaum ein Verfahren, die Knollen nachhaltig vollständig zu zerstören. Nach der Ernte ist nur eine Bekämpfung der neu aufgelaufenen Kartoffeln durch den Einsatz von Glyphosat plus Schwefelsaurem Ammoniak möglich. Etwas besser ist die Wirkung im Mais: Hier ist die Bekämpfung mit Triketonen vor dem Knollen­einsatz möglich. Die besten Wirkungsgrade zeigte eine Nachbehandlung mit den Triketonen Laudis 1,7 l/ha, Callisto 0,75 l/ha oder Sulcogan 1,0 l/h. Ist bereits Knollenansatz vorhanden, hilft das Produkt Effigo.

  • Folgende Empfehlung nannte der Fachmann als „Leitlinie zum Mitnehmen“:
  • Nach der Ernte Verzicht auf tiefwendende Bodenbearbeitung, damit die Kartoffeln nicht vergraben werden.
  • Über Winter möglichst auf eine Begrünung verzichten, damit die Frosteindringtiefe sich erhöht.
  • Als Folgekultur Mais in den ­Fokus stellen, da Durchwuchskartoffeln hier besser bekämpft werden können als im Getreide.

Spinnmilben

Seit zwei Jahren führten Spinnmilben bei den hohen Temperaturen zu erheblichen Ertragsausfällen. Ein Landwirt berichtete, dass 20 ha stark betroffen waren. Nach ersten Erkenntnissen gibt es deutliche Sortenunterschiede. Sorten wie Saprodi, Aveka, Altos, Stratos oder auch Markies werden stark befallen. Da keine Pflanzenschutzmittel wirksam sind, sollte der ­Feldrandaufwuchs früh gemulcht werden. Je später gearbeitet wird, desto stärker der Befall. Befallene Pflanzenreste sollten nach der Ernte sauber eingearbeitet werden. Auch eine Beregnung soll den Befall vermindern.

Mehr zum Thema:

In Ostwestfalen suchen Landwirte nach Lösungen für spezielle dürrebedingte Ackerbauprobleme. Der Saatbauverein tagte in Blomberg.

Agravis zeigt Digitalisierung in der Praxis

„Agravis Future Farm“: Erfolgreich digital ackern

von Martin Borgmann

Smarter Ackerbau ist keine Vision mehr. Schon heute setzen digital angesteuerte Geräte Betriebsmittel effektiv ein. Das Projekt „Agravis Future Farm“ erleichtert Landwirten den Einstieg und das...

Was kommt auf die Landwirte zu?

Agrarpaket: Inhalte und Reaktionen

von AgE/Stefanie Awater-Esper/Patrick Liste

Kürzung der Direktzahlungen, Einschnitte für Pflanzenschutzmittel und staatliches Tierwohllabel: Das Bundeskabinett hat ein Agrarpaket beschlossen. Ein Überblick über die Inhalte und Reaktionen.