Kalletal: Windstreit beigelegt

Oberverwaltungsgericht Münster erklärt Streitfall zwischen Kreis und Gemeinde für beendet: Betreibergesellschaft verzichtet auf den Bau einer bereits vom Kreis Lippe genehmigten Vestas V 112 in Kalletal-Brosen.

Die Kreise in Ostwestfalen und viele Kommunen hatten sich ein Grundsatzurteil erhofft.

Doch sie wurden enttäuscht. Der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Münster hat am Donnerstag der vergangenen Woche einen Rechtsstreit des Kreises Lippe und der Gemeinde Kalletal ohne Urteil beendet. Die Betreibergesellschaft Windfrosch GmbH und Co. KG erklärte sich bereit, auf den schon genehmigten Bau einer Vestas V 112 in Brosen zu verzichten. Hätten der Kreis und die beigeladene GmbH dies nicht getan, hätte das OVG der Klage der Gemeinde stattgegeben. Daran ließ der Vorsitzende Richter Prof. Dr. Seibert in der mündlichen Verhandlung keinen Zweifel.

16 Orte im Kalletal

Die Gemeinde Kalletal, knapp 15 000 Einwohner, liegt im Norden des Kreises Lippe und hat 16 Ortsteile. Obwohl es viele windreiche Flächen gibt, sieht eine Mehrheit der Bürger die Windkraft offenkundig sehr kritisch. Nur so ist zu erklären, dass die Gemeinde in
ihrem Flächennutzungsplan (FNP) aus 2009 nur 24 ha für die Windnutzung ausgewiesen hat. Das entspricht 0,21 % des Gemeindegebietes von 11 200 ha. Damit ist Kalletal Schlusslicht in Ostwestfalen. Zum Beispiel hat die flächenmäßig kleinere Gemeinde Extertal 74 ha Windvorranggebiete ausgewiesen. Nach Ansicht des Kreises Lippe hat Kalletal in der Vergangenheit eine „Verhinderungsplanung“ betrieben. Damit verstoße sie gegen den Willen des Gesetzgebers und ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus 2012: Danach muss jede Gemeinde bei ihrer Flächennutzungsplanung der Windkraft „potenziellen Raum“ verschaffen.

Vier Anlagen beantragt

Ende 2012 hatte eine andere Gesellschaft beim Kreis Lippe die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zum Bau von vier Anlagen in Kalletal beantragt. Die Voraussetzungen für die Baugenehmigungen lagen vor, doch die Gemeinde weigerte sich, ihr Einvernehmen zu erteilen. Daraufhin ersetzte der Kreis das Einvernehmen und erteilte die Baugenehmigung. Dagegen klagte die Gemeinde vor dem Verwaltungsgericht (VG). Doch die Mindener Richter wiesen die Klage im Dezember 2014 zurück.

In der mit Spannung erwarteten Berufungsverhandlung vor dem OVG wies Richter Seibert auf Folgendes hin: Vieles spreche dafür, dass die Gemeinde Kalletal 2009 bei Aufstellung ihres FNP die verschiedenen Interessen fehlerhaft abgewogen habe. Die Gemeinde hätte mehr Windzonen ausweisen und der Windkraft „potenziellen Raum“ geben müssen. Doch könne man diesen Planungsfehler heute noch rügen?, fragte der Richter.

Nein, so seine Antwort. Denn im Baurecht (§ 215 BauGB) gelte der Grundsatz, dass ein solcher Planungsfehler innerhalb einer zwölfmonatigen Frist nach Inkrafttreten des FNP gerügt werden müsse. „Spätestens im August 2010 war die Frist zur Rüge abgelaufen.“ Aus rein formalen Gründen hätte das OVG somit der Klage der Gemeinde stattgeben müssen.

Am Ende empfahl der Richter dem Gemeinderat und Bürgermeister Mario Hecker dringend, die bereits begonnene Planung zur Änderung des neuen FNP in Kalletal zügig abzuschließen und darin der Windkraft mehr Raum zu geben, wie es die Rechtsprechung fordere. Seibert: „Weder das Bundesgericht noch das OVG können jedoch sagen, wie viel Prozent einer Gemeindefläche für die Windkraft zu reservieren sind. Es kommt stets auf die Örtlichkeit und andere Kriterien an. Die Gemeinde muss jedoch sauber planen und darlegen, warum etwa bestimmte Flächen als Windzonen ausscheiden.“

189 Bauanträge in Lippe

Wie geht es weiter mit der Windkraft im Kreis Lippe? Das bleibt spannend. Ulrich Meyer, Fachgebietsleiter Immissionsschutz beim Kreis, nannte in Münster folgende Zahlen: Allein dem Kreis Lippe liegen derzeit 189 Bauanträge für Windkraftanlagen vor. 38 davon sollen in Kalletal entstehen. Ein Teil dieser 38 Anlagen wird wohl auch in Zukunft keine Baugenehmigung erhalten, weil sich die Standorte außerhalb der neu geplanten Windzonen befinden (Az. 8 A 366/15). Armin Asbrand