Rindergrippe ist besonders bei Wetterumschwüngen ein Problem. „Jetzt gerade ist so eine Zeit: Die Kälber haben schon längeres Fell und fangen an zu schwitzen“, erklärt Tierärztin Anna Lena Lindau. Rindergrippe ist eine Faktorenkrankheit. Sie tritt auf, wenn Bakterien oder Viren auf immunschwache Tiere treffen. Die Folge können Leistungseinbußen sein, die sich durch das ganze Leben eines Rindes ziehen.
Entwicklung entscheidend
„Viele Landwirte sind besonders sparsam bei den Kälbern und impfen sie nicht gegen Grippe“, berichtet Anna Lena Lindau aus Erfahrung. Betrieben, die keine Probleme mit Grippe haben, rät sie auch nicht zur Impfung. Aber auf vielen Höfen sieht die Realität anders aus: Es gibt immer einzelne Kälber, die an Grippe erkranken. „Einige sparen an der Impfung, aber lassen ihr Kalb später vom Tierarzt behandeln.“ Eine Behandlung ist in der Regel teurer, aber vor allem: „Die Lungenschäden behält das Kalb für das ganze Leben.“ Grippe kann zu Leistungseinbußen von bis zu 200 kg Milch bei der späteren Kuh führen. „Das Ergebnis von der Aufzucht sieht man erst nach der ersten Kalbung“, erklärt Lindau. „Manche Landwirte vergessen, dass das Kalb die spätere Leistungskuh sein soll.“
Es gibt aber auch den Fall, dass Kälber Grippe haben, aber das Virus nicht erkannt wird, weil die Tiere unauffällig bleiben. Das kostet sie trotzdem Kraft und Leistung. Der Organismus kämpft mit den Erregern und die Entwicklung der Tiere verzögert sich merklich. Auch in der Mast ist zu beobachten, dass Tiere, die Grippe hatten, nie die Zunahmen der anderen Rinder erreichen.
Impfkonzept mit Sinn
„Natürlich soll kein Betrieb einfach pauschal alle Tiere impfen“, meint Anna Lena Lindau. „Ein Impfkonzept muss Hand und Fuß haben und ist betriebsspezifisch.“ Da, wo Probleme sind, muss reagiert werden. Meistens liegen sie bei den Kälbern und Jungtieren. Lindau impft Kälber auf vielen Betrieben gegen Rindergrippe, allerdings gibt sie zu: „Es impfen immer noch erschreckend wenig Milchviehhalter.“
Anders sieht es bei Kälbern aus, die in die Mast gehen, sie werden im Normalfall gegen BRSV geimpft, da Aufzuchtbetriebe sie sonst nicht loswerden. Die meisten Mäster wollen geimpfte Tiere.„Das Bewusstsein bei den Fresserbetrieben scheint stärker zu sein.“
Grundimmunisierung
Impft die junge Tierärztin Kälber gegen Rindergrippe, verwendet sie meist einen gängigen Impfstoff gegen BRSV, PI 3 und Mannheimia haemolytica.Für einen umfassenden Impfschutz ist eine Grundimmunisierung, bestehend aus zwei Impfungen, notwendig. Die erste Impfung bekommen die Kälber in der zweiten Lebenswoche, die zweite Impfung in der sechsten Lebenswoche. Es gibt zwei Varianten:
- Variante 1: Die erste Impfung erfolgt intranasal. Die Kälber bekommen einen Lebendimpfstoff in die Nase verabreicht. Die zweite Impfung erfolgt mit einem inaktiven Impfstoff intramuskulär. Der Vorteil der intranasalen Impfung ist, dass direkt an der Eintrittspforte der Erreger eine lokale Abwehr geschaffen wird. Außerdem kann die intranasale Impfung schon kurz vor der zweiten Lebenswoche verabreicht werden und schafft zumindest eine lokale, wenn auch noch keine spezifische Abwehr.
- Variante 2: Beide Impfungen werden intramuskulär gespritzt.In der Wirksamkeit besteht zwischen den beiden Impfvarianten kein Unterschied. Die Kosten für die intranasale Impfung sind allerdings etwas höher. 25 Impfdosen im Verkauf liegen bei dem intranasalen Impfstoff bei etwa 11 €, beim intramuskulären bei cirka 8 €. „Die Kosten für eine Impfung halten sich für den Landwirt also in Grenzen. Eine Behandlung kranker Tiere ist teurer“, rechnet die Tierärztin. Zumal die Landwirte ihre Tiere nach einem entsprechenden Impfplan selbst weiterimpfen dürfen. Tierärzte dürfen Impfstoffe an Landwirte abgeben, wenn diese eine Impfeinführung bekommen haben und gemeinsam mit dem Hoftierarzt ein Behandlungsplan erstellt wurde. Der unterschriebene Impfplan muss an das Veterinäramt und den Landwirt gegeben werden.
Lindau ist beim Impfen konsequentes Handeln wichtig: „Es müssen beide Impfungen zur Grundimmunisierung gemacht werden und alle Kälber auf einem Standort geimpft werden. Sonst macht das Ganze keinen Sinn.“ Der Tierärztin ist bewusst, dass männliche Kälber, die mit zwei Wochen für wenig Geld den Betrieb verlassen, nicht geimpft werden. „Aber alles, was auf dem Betrieb bleibt, muss definitiv einen Impfschutz erhalten.“ Persönlich würde Lindau befürworten, wenn auch die männlichen Kälber eine intranasale Impfung bekommen und auf dem Aufzuchtbetrieb nur noch die Folgeimpfung. Denn gerade in stressigen Situationen, wie nach dem Transport, sind Impfungen unglücklich.
Richtiger Impfzeitpunkt
Starke Impfreaktionen hat Lindau auf ihren Betrieben fast gar nicht. „Natürlich gibt es einzelne Tiere, die trotzdem krank werden, aber das ist selten.“ Ganz wichtig ist aber, dass das Kalb zum Zeitpunkt der Impfung gesund ist. „Bei einem kranken Kalb macht die Impfung alles schlimmer.“ Außerdem rät die junge Tierärztin, auf keinen Fall in Stresssituationen zu impfen. „Zum Beispiel nicht einen Tag vor oder nach einem Transport.“ Typische Stresssituationen sind der Umzug vom Einzel- ins Gruppeniglu oder auch Futterumstellungen. „Manche Landwirte impfen beim Enthornen, da sie das Kalb dann eh gerade in der Hand haben. Das geht gar nicht!“, betont Lindau. „Alles, was Stress bedeutet, schwächt das Immunsystem. Auf keinen Fall in stressigen Situationen impfen. Am besten immer vor und nach einer Umstellung eine Woche warten und dann impfen.“
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