Wochenblatt: Frau Schulz-Broers, viele Landwirte sind von den Streitereien zwischen den LsV-Lagern genervt. Können Sie das verstehen?
Schulz-Broers: Ja, durchaus. Aber LsV ist eine junge Bewegung, die sich ständig entwickelt. Und letztlich sind zwei verschiedene Stränge entstanden.
Welche inhaltlichen Differenzen gibt es?
Wir, LsV – Das Original, gehen konsequent unseren Weg seit Anfang Oktober 2019. Wir wollen wieder in die Mitte der Gesellschaft. Wir heißen „Land schafft Verbindung“, weil wir die Anliegen des ländlichen Raums in die Gesellschaft tragen möchten. Deshalb kümmern wir uns um landwirtschaftliche Themen, aber auch um Themen der Landbevölkerung, zum Beispiel Infrastruktur, Internetanbindung oder Ausweisung von FFH-Gebieten. LsV – Deutschland fokussiert sich auf Landwirtschaft.
Oder sind persönliche Querelen entscheidender?
Uns geht es ausschließlich um eine inhaltliche Auseinandersetzung. Die Sache steht im Vordergrund, nicht Personen. Wie andere das sehen, weiß ich nicht.
Ist damit ausgeschlossen, dass die LsV-Lager noch einmal gemeinsam agieren?
Kurzfristig sehe ich das nicht, weil wir in unterschiedlichen Themen unterwegs sind. Es kann aber sein, dass es Überschneidungen gibt, zum Beispiel zur Düngeverordnung. Hier wählen wir aber einen anderen Ansatz: Wir binden Fachleute mit ein, lassen Gutachten erstellen und bieten letztlich auch Alternativvorschläge an.
Glauben Sie, dass Landwirte und Landbevölkerung diese Unterschiede wahrnehmen?
Vermutlich nicht, weil wir die Unterscheidung nicht klar genug zum Ausdruck gebracht haben.
Wäre die Zeit gerade nicht eher reif für Zusammenschluss statt klarer Abgrenzung?
Aber es hat sich ja so entwickelt und lässt sich nicht aufhalten. Wo verschiedene Menschen sind, gibt es auch verschiedene Meinungen.
Die Landwirtschaft ist in ein neues Licht gerückt. Welche Rolle hat LsV dabei gespielt?
Eine sehr wichtige. Es ist ein neues Miteinander, es gibt viele neue Gespräche. Selbst Kritiker beispielsweise von der Bewegung „Fridays for future“ haben ihre Einstellung zur Landwirtschaft geändert. Und ganz wichtig: Wir haben Landwirte und Landbevölkerung zum Nachdenken gebracht. Wir haben klargemacht: Wenn sie etwas ändern wollen, müssen sie selbst etwas dafür tun. Dafür sind wir im Oktober angetreten.
Ihr Ziel, die Düngeverordnung zu stoppen, haben Sie nicht erreicht. Woran lag es am Ende?
Das war politisch nicht gewollt. Die Zustimmung war von Ideologie getrieben, nicht von Fachwissen. Aber ganz fertig sind wir noch nicht: Das sogenannte Beteiligungsverfahren ist auf große Resonanz gestoßen. Es geht im Kern darum, der Bundesregierung ihre handwerklichen Fehler in der Düngeverordnung zu zeigen. Etliche Landwirte haben das Schreiben beim Ministerium eingereicht. Wir sind gespannt, was herauskommt.
Lässt sich die Mobilisation trotz der ernüchternden Ergebnisse und laufenden Außenarbeiten hochhalten?
Die große Beteiligung zu den Demos hat für Aufmerksamkeit gesorgt. Die Demos waren richtig, aber nicht unser Ziel und dafür bin ich auch nicht angetreten. Jetzt ist die Zeit für die fachliche Arbeit. Wir müssen die Gespräche weiterführen. Und uns darauf konzentrieren, was jetzt gerade wichtig ist.
Welche Themen nimmt sich LsV – Das Original jetzt vor?
Zum Beispiel auch wieder verstärkt das Mercosur-Abkommen. Denn die aktuelle Corona-Pandemie zeigt doch sehr deutlich, wie gefährlich es ist, uns bei der Versorgung beispielsweise mit Nahrungsmitteln oder Medikamenten von anderen Regionen der Welt abhängig zu machen.
An der „Zukunftskommission Landwirtschaft“ arbeitet Dirk Andresen von LsV – Deutschland mit dem Bauernverband. Ärgert Sie, dass Sie nicht dabei sind?
Wir wählen lieber langfristige Wege, um ein anderes Bewusstsein in der Gesellschaft zu schaffen für unsere Belange und um diese dann in die Politik einfließen zu lassen.
Wie stehen Sie generell zur Zusammenarbeit mit etablierten Verbänden wie dem DBV?
Seit dem Start betonen wir, dass wir verbandsunabhängig und parteiübergreifend arbeiten. Wir wollen breit aufgestellt sein, uns aber von keiner Seite beeinflussen oder vereinnahmen lassen. Trotzdem reden wir natürlich miteinander. Und wenn es Berührungspunkte gibt, tauschen wir uns aus.
Und zu anderen Verbänden?
Genau so!
Beispiel Milchmarkt: Der DBV setzt auf bekannte Kriseninstrumente, andere Verbände fordern eine Mengendrossel. Wie positioniert sich LsV – Das Original?
Es hat sich in der Vergangenheit oft gezeigt, dass sich bei Überproduktionen die Einlagerung als nicht vorteilhaftes Instrument erwiesen hat und man besser, gerade in Krisenzeiten, marktangepasste Mengen produzieren sollte.
Wie stark ist der politische Einfluss Ihrer Gruppierung?
Ich denke schon, dass wir Einfluss auf die Politik nehmen können. Schließlich wird in Berlin über uns diskutiert, wir haben für Unruhe gesorgt. Und wir sind kaum zu führen, das ist unsere Stärke. Gleichzeitig sind wir aber auch nicht einfach nur gegen etwas, sondern bieten Alternativen an und sind an Sacharbeit interessiert. Das kommt gut an.
Haben Sie die richtige Organisationsstruktur dafür?
Ich denke schon. Wir haben einen Verein mit insgesamt sieben Vorstandsmitgliedern. Jedes Mitglied darf sich gerne einbringen und ein Thema vorantreiben. Unsere Mitglieder spiegeln dabei die gesamte Landbevölkerung wider. So fangen wir viele Meinungen ein und verhindern eine Blasenbildung.
Sollte LsV eine eigene Partei gründen?
In der Tat gab es in unseren Reihen schon einmal diese Überlegung. Ich halte sie aber für eine Schnapsidee. Die Parteienlandschaft ist schon jetzt riesig. Und wir könnten kaum so viele Wähler gewinnen, um ernsthaft Gewicht zu haben. Zielführender ist es, unsere Kraft in die Gespräche mit den etablierten Parteien zu stecken.
Wenige politische Erfolge, lose Organisation, interne Streitereien: Branchenvertreter glauben, dass LsV am Abgrund steht. Wo sehen Sie LsV am ersten Geburtstag?
Jedenfalls nicht am Abgrund! Hoffentlich haben wir dann noch stärker Fuß gefasst in der Gesellschaft. Ob es dann nach wie vor noch zwei LsV-Stränge gibt, weiß ich nicht. Vielleicht wäre es am besten, LsV – Deutschland gibt sich einen neuen Namen. Dann ist auch die Unterscheidung einfacher.
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