Hofabwässer im Verdacht


Anfang vergangener Woche haben der WDR und Tageszeitungen von massiven Gewässerverunreinigungen in der Bocholter Aa sowie der Emmer im Kreis Höxter berichtet. Alarm geschlagen hatten Angler und der Landesfischereiverband. Der Vorwurf: Betreiber von Biogas­anlagen sowie Milchviehbetriebe leiten Gärsäfte aus Silagehaufen in Gräben und Bäche ein. In den betroffenen Gewässern wachsen Abwasserpilze, die Eier etwa der Bachforelle und anderer Fischarten verfaulen.

"Ja, wir tragen Mitschuld"

Die Berichte haben Wasserbehörden und auch die Staatsanwaltschaft alarmiert. Der Kreis Borken will bislang 30 illegale Einleitungen festgestellt haben. Der WLV-Kreisverband Borken hat inzwischen Gespräche mit den Spitzen des Kreises geführt und dabei laut Schulze Beiering eingeräumt: „Ja, wir tragen Mitschuld. Unsere Gewässer dürfen durch solche Einträge nicht belastet werden. Deshalb haben wir unsere Mitglieder gezielt auf das Problem hingewiesen und sie gebeten, ihre Hofentwässerung in Ordnung zu bringen.“

Im viehstarken Kreis Borken gibt es schätzungsweise 800 Betriebe, die Mais- oder Grassilage auf ihren Hofstellen für ihre Bullen, Kühe oder eine Biogasanlage lagern. Laut Schulze Beiering war der Dezember 2015 sehr warm und niederschlagsreich. Zudem konnte man den Silomais nicht so trocken wie in den Vorjahren ernten. „Wenn dann große Regenmengen runterkommen, bleibt es nicht aus, dass ein Teil des Wassers nicht aufgefangen wird und über die Hoffläche in den Vorfluter gelangt.“

Die sauerstoffzehrenden Gärsäfte und das oft schwach verunreinigte Wasser von den Verkehrsflächen auf dem Hof dürfen nicht in ein Gewässer gelangen, das wissen alle Landwirte. Sie müssen das Wasser auffangen und mit dem Güllefass auf ihre Felder verteilen. „Das funktioniert in der Praxis leider nicht immer, weil die Flächen zu diesem Zeitpunkt nass und nicht befahrbar sind“, gibt Schulze Beiering zu bedenken. Mitunter seien Fahrsilos oder Mistplatten auch bereits 30 Jahre alt und im Laufe der Zeit zu klein geworden. „Wir haben den Kreis gebeten, den Berufskollegen eine gewisse Zeit für die erforderlichen baulichen Maßnahmen einzuräumen."

Abwasserpilz auch in Münster
Nach einem Bericht in der Lokalausgabe der "Westfälischen Nachrichten" (WN) vom 27. Januar wurde der Abwasserpilz in Gewässern rund um neun der zehn Biogasanlagen entdeckt, die es auf dem Stadtgebiet gibt. Gegen die Betreiber von drei Biogasanlagen hat Olaf Niepagenkemper vom Fischereiverband NRW Anzeige "wegen der Einleitung von Sicker- und Gärsäften" erstattet.
Hans-Heinrich Berghorn, Pressesprecher des WLV, wird von den WN mit diesen Worten zitiert: "Wenn da Dinge sind, die da nicht hingehören, dann muss der Verursacher gefunden und zur Rechenschaft gezogen werden." Verursacher seien aber nicht ausschließlich Biogasanlagen, die gerne als "Feindbild" genommen würden. Welche anderen Verursacher Berghorn im Blick hat, sagte er den WN nicht: "Ich will nicht spekulieren." Str.

Welche Gewässer sind belastet?

Der Landesfischereiverband hat seine Mitglieder aufgefordert, alle verschmutzten Gewässer in NRW zu dokumentieren und den Wasserbehörden zu melden. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) geht offensichtlich von einem flächendeckenden Problem aus und will die Verursacher etwa im Emmertal ermitteln.

Der Kreis Höxter hat einigen Landwirten bereits Ordnungsverfügungen zugestellt. Der Kreis will die Gehöfte in den nächsten Monaten regelmäßig kontrollieren, berichtet die „Neue Westfälische“.

Abwasserpilz nur im Winter

Der Landesfischereiverband NRW weist auf Folgendes hin: Der Abwasserpilz ist eine Gemeinschaft aus verschiedenen Bakterien und bildet sich in Gewässern, in die über längere Zeit organische Abwässer eingeleitet werden. Die belasteten Abwässer gelangen über Rohrleitungen oder nach starken Regenfällen in die Gewässer. Da die Bakterien kälteliebend sind, tritt das Phänomen in den Wintermonaten massiv auf. Die Gewässersohle ist dann von einer weißen bis gelb-rötlichen, schleimigen Schicht bedeckt, die jegliches Leben im Gewässer unmöglich macht. „Fische oder andere Gewässerlebewesen auf dem Gewässergrund findet man nicht mehr.“

Laut Verband kann sich der Abwasserpilz nur so lange im Gewässer halten, wie die Verschmutzung andauert. Ansonsten bilden sich die Bakterien in kurzer Zeit zurück. Nach etwa einer Woche ist kaum noch ein Befall zu erkennen. Das Gewässer erscheint sauber, ist aber langfristig erheblich geschädigt und biologisch verödet.

Im Umwelt­ausschuss des NRW-Landtages hat Umweltminister Remmel angekündigt, dass die Verursacher der Verunreinigungen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden sollen. Zunächst müsse man allerdings die genauen Umstände der Belastungen aufklären.
Armin Asbrand