Veredlungstag des Deutschen Bauernverbandes

Höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch?

19 % Mehrwertsteuer auf Fleisch, um Investitionen und Mehrkosten für mehr Tierwohl langfristig zu finanzieren? Dieser Vorschlag von Prof. Isermeyer ­sorgte für Zündstoff beim Veredlungstag des Deutschen Bauernverbandes.

So kann es nicht weitergehen in der Schweinehaltung – in diesem Punkt waren sich alle einig. „Sobald eine Baustelle in der Tierhaltung abgearbeitet ist, werden zwei neue aufgemacht. Es ist kein Ende abzusehen“, beklagte Vizepräsident Werner Schwarz auf dem Veredlungstag des Deutschen Bauernverbandes in Coesfeld. Immer mehr Auflagen, keine Investitionssicherheit. Dazu das Gefühl, dass die Gesellschaft die Tierhaltung nicht mehr will.

Doch was ist der beste Weg aus diesem Dilemma? Da war schnell Schluss mit der Einigkeit. Weiter den Markt agieren lassen oder auf mehr Staat setzen? Diese Frage bot reichlich Zündstoff.

Mehr Markt oder mehr Staat?

Als klarer Verfechter von mehr Staat positionierte sich der Hauptredner, Prof. Dr. Folkhard Isermeyer. Der Staat muss das gesellschaftliche Anliegen Tierschutz regeln und über öffentliche Gelder bezahlen, so die Vision des Präsidenten des Thünen-Instituts. Beim Verbraucher ist nicht viel zu holen. Der habe eine Schere im Kopf, so Isermeyers Eindruck: „Morgens billig kaufen und abends vorm Fernseher empören.“

Auch ein Haltungskennzeichen ändert daran nichts, wie der Eiermarkt zeigt. Zwar sind Eier aus ­Käfighaltung aus den Regalen verschwunden. Aber nur, weil sie vom Handel ausgelistet worden sind. Der allergrößte Teil der Verbraucher kaufe weiterhin das billigste Ei, so Isermeyer.

Für ihn ist ein Gesellschaftsvertrag zwischen Landwirtschaft und Staat der Königsweg. Konkret: Der Staat sichert langfristig Investitionsförderung für mehr Tierwohl plus einen Bonus zu, der die Mehrkosten der Produktion abdeckt. Dabei rechnet Isermeyer mit einem Volumen von 5 Mrd. € jährlich!

Soli fürs Tierwohl?

Und die Finanzierung? Um nicht von der Kassenlage abhängig zu sein, schlägt der Wissenschaftler eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Fleisch und Fleischwaren auf 19% vor – eine Art Tierwohl- Soli. Das habe bei den erneuerbaren Energien auch geklappt, argumentiert der Wissenschaftler.

Um solch ein großes Vorhaben durchzubringen, muss die Landwirtschaft den Schulterschluss mit gemäßigten Tierschutzorganisationen suchen, rät Isermeyer. Denn nur die finden beim Tierwohl Gehör in der Öffentlichkeit.

Dass das Vertrauen der Landwirte in die Politik stark gelitten hat, weiß Isermeyer. Daher ist Verlässlichkeit für ihn das A und O. „Wir brauchen einen Gesellschaftsvertrag über alle Parteien, unabhängig von Koalitionen und Wahlen“, forderte auch WLV-Präsident Johannes Röring. Der Vertrag muss vom Deutschen Bundestag ratifiziert werden. Auch die EU muss ihren Segen geben, ebenso das Kartellamt. „Es gibt keinen Haushälter auf diesem Planeten, der 20 Jahre die Mehrwertsteuer zusichert“, meldete Vizepräsident Werner Schwarz Zweifel an.

Vielen Schweinehaltern klingelten angesichts dieser Aussichten die Ohren. Sie beteiligten sich wortreich an der Podiumsdiskussion, die Wochenblatt-Chefredakteur Anselm Richard moderierte. „Ich will nicht vom Staat alimentiert werden. Ich will Markt“, brachte Christoph Daldrup die Stimmung auf den Punkt. Der Schweinehalter aus Dülmen-Hiddingsel sprach sich für den Ausbau der Initiative Tierwohl (ITW) als privatwirtschaftliches Bonussystem aus. „Das ist im Kleinen, was ich im Großen propagiere: Geld in den Topf, das Landwirte bekommen, die mehr Tierwohl machen“, stimmte Isermeyer ein. Doch wenn der Bonus bei ITW erhöht werden soll und es in die Milliarden geht, scheitert das am Kartellamt, so seine Befürchtung.

„Der Markt allein trägt das nicht“, argumentierte Bernhard Krüsken. Doch befürchtet der Generalsekretär des Bauernverbandes, dass die Ställe „ganz ohne Markt zu einem Tierwohl-Museum werden.“ Er votierte für eine Kennzeichnung, die Verarbeitungsware einbezieht. Sonst droht das Gleiche wie bei ­Eiern. Dort werden in der Verarbeitung nur Käfig-Eier eingesetzt.

Bestandsrückgang um 20 %

Steen Soennichsen von der genossenschaftlichen Westfleisch SCE sah durch den Vorschlag die ganze Branche gefährdet: „Durch den ­Gesellschaftsvertrag würden wir einen deutlichen Rückgang der Produktion bekommen.“

Georg Busemann, Sauenhalter aus Ense, zweifelte an der Zusammenarbeit mit Tierschutzverbänden, die Skandale brauchen: „Diese leben vom Geschäftsmodell Spendenakquise. Bekommen wir mit denen überhaupt Stallbaukonzepte hin?“

„Aber was ist die Alternative?“, kam Isermeyer auf die Grundsatzfrage zurück. Seine Befürchtung: Wenn die Landwirtschaft sich in die „Schmollecke“ zurückzieht und nichts tut, werden die Gerichte Stück für Stück mehr Tierwohl durchsetzen – ohne finanziellen Ausgleich. Das Magdeburger Urteil lässt grüßen.

In dem Gesellschaftsvertrag sieht er gleich mehrere Chancen:

  • Ein schrittweiser Umbau der Tierhaltung über 20 Jahre ist möglich.
  • Es gibt wieder Investitions­sicherheit.
  • Tierhalter erhalten einen verlässlichen Ausgleich für Mehrkosten durch Investition und Produktion.
  • Auch bestehende Ställe profitieren von der Tierwohlprämie.
  • Das Vermögen der Tierhalter wird erhalten.

„Wir stehen an einem Punkt, wo wir kluge Entscheidungen treffen müssen“, schlussfolgerte Johannes Röring. Wohin die Richtung gehen könnte, schien nach dieser Veranstaltung ein wenig klarer.

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